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JacobLund - stock.adobe.com

Sozialhilfe NEU gekippt – Keine Kürzungen für Kinder

Mit 1. Juli 2019 ist das von der türkis-blauen Regierung ins Leben gerufene Sozialhilfe-Grundsatzgesetz in Kraft getreten. Die Bundesländer hatten bis Ende des Jahres Zeit, die neuen Regelungen umzusetzen. Jetzt hat allerdings der Verfassungsgerichtshof (VfGH) Teile des Gesetzes als verfassungswidrig aufgehoben. Nun muss das Gesetz repariert werden – ein Erfolg.

Härte gegenüber den Schwächsten der Gesellschaft

Die Sozialhilfe „Neu“ war das Prestigeprojekt der türkis-blauen Bundesregierung und wird ab 1.1.2020 die bisherige Bedarfsorientierte Mindestsicherung ersetzen. Das neue Gesetz bringt mehr Härte und Druck gegenüber den Schwächsten der Gesellschaft – Armutsbekämpfung ist kein ausgewiesenes Ziel mehr

Aus Maximalbeträgen werden in Zukunft Mindestsätze.

Die Leistungen werden gekürzt und die Bundesländer haben kaum mehr Gestaltungsmöglichkeiten, freiwillige Zusatzleistungen zu gewähren, die oft dringend benötigt werden. Um Kostensenkung ging es der türkis-blauen Regierung definitiv nicht, da die „alte“ Mindestsicherung weniger als ein Prozent der gesamten staatlichen Sozialleistungen ausmacht.  

VfGH hebt Kürzungen für Kinder auf

Das neue Sozialhilfegesetz sah vor, dass die Leistungen für Kinder stark degressiv gestaffelt werden – ab dem dritten Kind sollte massiv gekürzt werden. Dieser Teil wurde allerdings vom VfGH als "sachlich nicht gerechtfertigte und daher verfassungswidrige Schlechterstellung von Mehrkindfamilien" aufgehoben. Diese Regelung könne dazu führen, "dass der notwendige Lebensunterhalt bei Mehrkindfamilien nicht mehr gewährleistet ist", heißt es im Entscheid.

Kein Kind kann, wie im Gesetz ursprünglich vorgeschrieben, um 1,50 Euro pro Tag leben.

Der ÖGB hat mehrfach vor Armutsverschärfung, besonders bei Kindern, gewarnt und das Gesetz scharf kritisiert - er begrüßt daher diese Entscheidung. „Alle Kinder in Österreich müssen dieselben Chancen haben. Ein Drittel aller MindestsicherungsbezieherInnen in Österreich sind minderjährig. Das ist ein Armutszeugnis für Österreich“, so Ingrid Reischl, Leitende Sekretärin des ÖGB

Ebenfalls aufgehoben wurden der sogenannte „Arbeitsqualifizierungsbonus“, der die Sozialhilfe an Deutschkenntnisse knüpfen sollte. Der VfGH war der Meinung, diese Regelung verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, da es viele Beschäftigungsmöglichkeiten gäbe, "für die weder Deutsch- noch Englischkenntnisse auf diesem Niveau erforderlich sind".

Wie es jetzt weitergeht

Ober- und Niederösterreich, die die neuen Regelungen der Sozialhilfe Neu bereits komplett umgesetzt haben, müssen die vom VfGH aufgehobenen Teile des Gesetzes wieder zurücknehmen. Alle anderen Bundesländer haben mit der Umsetzung die Entscheidung des VfGH ohnehin abgewartet. Abgesehen von den verfassungswidrigen Teilen tritt das neue Sozialhilfegesetz mit 1.1. 2020 in allen Bundesländern in Kraft. Die Mindestsicherung wird damit von der neuen Sozialhilfe ersetzt.

Die Umsetzung des Gesetzes obliegt jetzt den Ländern. Die meisten Bundesländer wollen erstmal die Regierungsverhandlungen abwarten. Sie erwarten sich vom Bund eine Gesetzesnovelle, die die Fehler der türkis-blauen Regierung repariert 

Der ÖGB fordert von der neuen Regierung, Maßnahmen zu setzten, die die Armut in diesem Land bekämpfen: Es braucht eine amutsverhindernde, existenzsichernde und bundeseinheitliche Mindestsicherung.

„Die Mindestsicherung ist kein Luxus. Es ist eine Unterstützungsleistung, um Armut und Ausgrenzung zu verringern und einen absoluten Mindeststandard zu sichern, damit Menschen langfristig auf eigenen Beinen stehen können", sagt Reischl.

Mindestsicherung ist unterstes soziales Netz

Wir wollen sicherlich kein Hartz IV für Österreich.

Ingrid Reischl, Leitende Sekretärin des ÖGB

Die Mindestsicherung bzw. Sozialhilfe ist das unterste soziale Netz in Österreich für Menschen, die für ihren Lebensunterhalt nicht aus eigener Kraft aufkommen können. Sie wird erst dann ausgezahlt, wenn alle anderen Möglichkeiten zur Existenzsicherung ausgeschöpft sind. Menschen die Sozialhilfe beziehen und arbeitsfähig sind, sind grundsätzlich verpflichtet, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen. Ausnahmen gibt es für Kinder und Minderjährige in Ausbildung, PensionistInnen und Menschen mit Pflege- und Betreuungspflichten. Pensionsansprüche beziehen MindestsicherungsempfängerInnen nicht.

Die Mindestsicherung ist eine Unterstützungsleistung, um Armut und Ausgrenzung zu verringern und einen absoluten Mindeststandard zu sichern. Reduziert man die Leistungen, kann man in Österreich kein menschenwürdiges Leben führen. Eine Deckelung der Leistungen für Kinder lehnt der ÖGB daher genauso ab, wie eine Knüpfung der Mindestsicherung an deutsche Sprachkenntnisse.

Zahlen und Fakten

2018 war die Mindestsicherung erstmals seit Jahren wieder rückläufig. Aktuell beziehen rund 290.000 Menschen in Österreich Mindestsicherung. Zwei Drittel davon sind „Aufstocker“. Das bedeutet, ihr Einkommen (Gehalt, Pension, Arbeitslosengeld) reicht nicht zum Überleben. Daher müssen sie mit einer Ergänzungsleistung aus der Mindestsicherung aufstocken. Die Mindestsicherung macht 0,9 Prozent der gesamten Sozialausgaben Österreichs aus.