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ÖGB

Kassenumbau: Kranken­stände erstmal vom Tisch

Nachdem der Verfassungsgerichtshof (VfGH) vergangene Woche die Fusion der neun Gebietskrankenkassen zu einer Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) bestätigt hatte, ging es in der vorerst letzten Sitzung des sogenannten Überleitungsausschusses um konkrete Beschlüsse zum Start der ÖGK, der am 1. Jänner 2020 ansteht. In diesem Ausschuss stimmen sechs ArbeitnehmerInnenvertreter und sechs ArbeitgeberInnenvertreter über die Rahmenbedingungen der neuen ÖGK ab. Andreas Huss, Stellvertreter im Überleitungsausschuss und Arbeitnehmer-Obmann in der ÖGK schildert im ausführlichen oegb.at-Interview seine Eindrücke zu den aktuellen Beschlüssen.

oegb.at: In den letzten Monaten waren Sie bei den Verhandlungen zwischen Arbeitnehmervertretern und Arbeitgebervertretern maßgeblich beteiligt, wie war die Stimmung untereinander?

Andreas Huss: Natürlich merkt man, dass die Wirtschaft andere Interessen verfolgt als die Arbeitnehmervertretung - dies stellte sich bei jeder Sitzung heraus. Von Arbeitgeberseite wurde der Wunsch nach stärkeren Krankenstandskontrollen klar formuliert. Nach der Veröffentlichung des Papiers über die Überprüfung der Krankenstände in den Medien geriet die Wirtschaftskammer aber unter Druck.

Worauf haben Sie sich demnach geeinigt?

Wir haben uns letztlich auf mehr betriebliche Gesundheitsförderungsmaßnahmen verständigt. Kranken Menschen hilft es nichts, wenn sie vom Gesundheitssystem nicht aufgefangen werden. Wir müssen sie unterstützen, möglichst rasch wieder gesund zu werden. In jenen Betrieben, in denen die betriebliche Gesundheitsförderung, das Betriebsklima und das Miteinander gut funktionieren, wird es auch weniger Krankenstände geben. Ein weiterer Faktor, den wir uns anschauen, ist das Case-Management für schwerkranke Menschen, also auch jene, die körperliche und psychische Erkrankungen haben. Da gibt es ein Case-Management in den Krankenkassen, die darauf achten sollen, diesen Menschen zu helfen, damit sie möglichst schnell gesunden können und somit wieder am Arbeitsmarkt integrierbar sind.

Ein weiterer Punkt ist das Thema Krankenstände, dieses ist erfreulicherweise erstmal vom Tisch. Das ist auch unser gewerkschaftlicher Erfolg. Der Fehlzeitenreport, den es seit 2007 gibt, zeigt uns obendrein deutlich auf, dass Krankenstände eigentlich zurückgehen oder höchstens konstant geblieben sind. Des Weiteren haben wir festgestellt, dass sich Menschen trotz Krankheit in die Arbeit schleppen, der so genannte „Präsentismus“ mindestens genauso oft passiert als wenn jemand Daheim bleibt aber nicht krank ist.

In der Sitzung wurde die ÖGK auch mit der Erstellung einer genauen Analyse zum Thema Krankenstände beauftragt. Glauben Sie, dass es auf Basis der neuen Daten trotzdem noch zu einer Verschärfung bei den Krankenständen kommen kann?

Wenn wir uns die Daten ansehen, die wir haben, dann würde dies wenig Sinn machen. Der Fehlzeitenreport, der auch die Krankenstände analysiert, zeigt uns deutlich, dass Krankenstände rückläufig sind. Dieser Report steht auch auf der Homepage des Hauptverbandes. Wären da tatsächlich grobe Missstände zu vermerken, dann hätte die Wirtschafskammer sofort geschrien. Gerade in den letzten Jahren haben wir rückgehende Entwicklungen gehabt: Zurzeit stehen wir bei 13 Krankenstandstagen im Jahr pro Person. Wenn man die chronischen Erkrankungen herausrechnet, dann sind wir bei einer durchschnittlichen Krankenstandsdauer von 5 Tagen in Österreich. International liegen wir im unteren EU-Drittel. Viele Österreicher sind sehr fleißig und pflichtbewusst und gehen eher krank arbeiten. Vor diesem Hintergrund hoffen wir, dass die geplante Verschärfung vom Tisch ist.

Gleichzeit ist davon auszugehen, dass Verschlechterungen wie längere Wartezeiten, mehr Privatisierung und steigende Selbstbehalte für PatienntInnen bald Realität sein werden.

Diese Gefahr besteht nach wie vor, wenn es kein frisches Geld gibt. In den nächsten drei Jahren wird die ÖGK einen Abgang von 500 Millionen Euro verkraften müssen. Diesen Abgang kann man mit Rücklagen von 1,3 Mrd. Euro, die wir noch zurzeit haben, für die nächsten 6 bis 7 Jahren noch abfedern. Aber danach wird es problematisch: Es ist davon auszugehen, dass wir ein Finanzierungsproblem haben werden. Dann gibt es eine gute Lösung und eine schlechte. Die schlechte wäre: Man reduziert Leistungen und führt neue Selbstbehalte ein. Dies führt zu den genannten Problemen, wie längere Wartezeiten und mehr Privatisierung.

Ein guter Weg ist: Wir müssen wieder frisches Geld in das System bekommen. Die alte Regierung hat uns mehrere hundert Millionen Euro aus dem Gesundheitssystem herausgezogen. Wir müssen dafür kämpfen, dass wir dieses Geld wieder zurückbekommen. Auch die Kassenfusion wird eine Menge Geld kosten. Die Versicherten haben diese Fusion nicht bestellt, sondern erwarten sich für ihre Beiträge Gesundheitsleistungen.

Was ändert sich mit 1. Jänner 2020 konkret?

Vorerst ist davon auszugehen, dass es zumindest keine Nachteile für die Versicherten geben wird. Wir haben einen weiteren kleinen Schritt zur Leistungsharmonisierung beschlossen. Einer wurde zwischen 2016 und 2018 gemacht, damals ohne Fusion. Dieses Mal ist es ein kleines Paket in der Höhe von 13 Millionen Euro pro Jahr. Es sollte in einzelnen Bundesländern zu kleinen Leistungsverbesserungen kommen. PensionistInnen aus Tirol, Kärnten und Wien können beispielsweise wieder auf Kuren und Erholungsaufenthalte gehen. Das haben diese drei Bundesländer nicht mehr finanzieren können. Es gibt einzelne Zuschüsse zu Kieferregulierungen, orthopädischen Schuhen und Zahnersätzen, die nach oben harmonisiert wurden. Wir haben uns mit unseren Positionen durchsetzen können, aber es fehlt noch einiges. Es ist nicht das Ende der Fahnenstange. Die großen Brocken fehlen noch. Wir möchten weiterhin, dass die Leistungsunterscheide zwischen den ÖGK-Versicherten und den Beamten, Politikern ausgeglichen werden. Unser Antrag auf diese Harmonisierung wurde nun zum dritten Mal abgelehnt. Das ist ein Kampf, den wir weiterhin führen werden.