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Coronakrise trifft AlleinerzieherInnen hart

Die letzten Monate waren für Eltern alles andere als einfach. Job, Kinderbetreuung und Homeschooling haben viele von ihnen an ihre Belastungsgrenzen gebracht – jetzt stehen auch noch die Sommerferien vor der Tür. Vor allem Alleinerziehende, 91 Prozent davon sind Frauen, trifft diese Ausnahmesituation hart. oegb.at hat mit Andrea Czak, Mutter einer 14-jährigen Tochter, gesprochen, wie sie die Corona-Zeit erlebt hat und welche Unterstützung sie jetzt dringend braucht. 

oegb.at: Wie haben sich die Coronakrise und das Homeschooling auf Ihr Familienleben ausgewirkt? 

Andrea Czak: Vor allem der Anfang war schon sehr merkwürdig und die Kommunikation chaotisch und unkoordiniert. Es gab kaum Informationen und  ich war etwas panisch. Auch die LehrerInnen wirkten wie unter Schock und mussten sich natürlich erstmal auf die neue Situation einstellen – manchen ist das besser gelungen als anderen. Wobei ein Großteil der Lehrer wirklich engagiert und vor allem bei der Benotung sehr verständnisvoll war. Aber man war eindeutig nicht auf digitales Lernen vorbereitet, das hat sich dann gerächt. Die Coronakrise hat deutlich die Schwachstellen unseres Bildungssystems aufgezeigt.

Die Coronakrise hat deutlich die Schwachstellen unseres Bildungssystems aufgezeigt.

Wie war die Situation für Ihre Tochter? 

Am Anfang hat sich meine Tochter noch gefreut über die „Coronaferien" und die erste Woche nichts für die Schule getan. Wir haben erstmal schnell den Überblick verloren, weil auf mehreren Kanälen Arbeitsaufträge von den LehrerInnen hereinkamen. Wir mussten uns dann erstmal organisieren und eigenmächtig einen Lernplan erstellen. Grundsätzlich war es für mich schwierig, einen Überblick über ihre Aufgaben zu behalten – aber ich musste alles kontrollieren, sonst wurden Dinge einfach nicht gemacht.

Meine Tochter musste auch lernen, sich die Zeit selbst einzuteilen. Sie ist grundsätzlich schon sehr selbstständig, aber mit dem digitalen Lernen war sie noch nicht vertraut – das mussten wir erstmal üben. Die ganze Situation hat mich und meine Tochter schon sehr unter Druck gesetzt, da kam es dann auch schnell zu Streitereien – das hat sich alles erst einspielen müssen. 

Grundsätzlich war es für viele Kinder, glaube ich, keine einfache Zeit. Vor allem in Städten, wo Familien in kleinen Wohnungen ohne Balkon wohnen und auch die Parks lange gesperrt waren, waren ja oft viele Personen für längere Zeit auf engem Raum quasi eingesperrt. Das hat sowohl Kinder als auch Eltern natürlich sehr belastet und auch die häusliche Gewalt ist angestiegen, wie diverse Beratungsstellen zeigen. Da werden sicher auch einige Familien auseinanderbrechen und es gibt die „neuen AlleinerzieherInnen“, die gerade in der jetzigen Phase überhaupt total orientierungslos und überfordert sind. 

Jetzt stehen die Sommerferien vor der Tür – wie organisieren Sie das als Familie? 

Meine Tochter ist zum Glück mit 14 Jahren schon recht selbstständig, daher ist das für mich zum Glück kein großes Problem. Aber viele Alleinerziehende mit kleineren Kindern mussten für die Betreuung ja bereits Urlaub aufbrauchen und haben jetzt keine Urlaubstage mehr übrig. Gerade Kindergärten waren ja wirklich nur für Kinder offen, deren Eltern in systemrelevanten Berufen arbeiten – das war ja nicht für alle, wie die Bundesregierung immer behauptet hat. 

Und jetzt eben neun Wochen Sommerferien. Grundsätzlich ist die Ferienplanung dieses Jahr besonders schwierig, weil die Situation mit COVID-19 so unsicher ist. In Wien sind wir ja in der glücklichen Lage, dass wir die kostengünstigen Summer City Camps haben – aber in den anderen Bundesländern sieht das schon wieder ganz anders aus. Da gibt es viel weniger Angebote, die großteils sehr teuer sind.

Viele Alleinerziehende müssen daher jetzt auf ihr Erspartes zurückgreifen bzw. sind massiv armutsbetroffen. Urlaub können sich die meisten überhaupt nicht leisten. Und auf Großeltern als Betreuungspersonen kann man momentan ja leider auch nur bedingt zurückgreifen, da fehlt dann viel Unterstützung. Gleichzeitig fallen leider diesen Sommer viele Gratis-Angebote weg – beispielsweise die Kinder-Uni in Wien findet dieses Jahr nur virtuell statt.

Familien warten auf ihr von der Regierung versprochenes Geld, das sie jetzt dringend bräuchten.

Es wurden ja bereits rund 100.000 Anträge für den von der Bunderegierung geschaffenen Familienhärteausfallfond gestellt, aber erst ein Fünftel davon wurde ausgezahlt. Die Familien warten auf ihr Geld, das sie jetzt dringend bräuchten und nicht bekommen. Dieses Programm greift nicht.  

Viele Alleinerziehende sind ja aufgrund mangelhafter Kinderbetreuungsangebote grundsätzlich gezwungen, in Teilzeit zu arbeiten, was das Risiko für Altersarmut massiv verstärkt, da die Pensionszeiten nicht erreicht werden. Wie erleben Sie das? 

Das ist wirklich ein Problem! Eine neue deutsche Studie zeigt, dass das Erwerbseinkommen von Frauen aufs ganze Leben gerechnet mit einem Kind durchschnittlich 40 Prozent niedriger ist als bei kinderlosen Frauen – bei drei oder mehr Kindern beträgt der durchschnittliche Einkommensrückstand sogar fast 70 Prozent. Gleichzeitig haben laut der Studie Väter überhaupt keinen Einkommensverlust und verdienen teilweise sogar deutlich mehr als kinderlose Männer. 

Da zeigt sich deutlich die unterschiedliche Bewertung von bezahlter und unbezahlter Arbeit. Aber wir Mütter ziehen die nächste Generation groß, die später arbeiten und Steuern zahlen wird - wir tragen hier die ganze Verantwortung. Die Coronakrise hat diese Situation jetzt verschlimmert und wird wahrscheinlich längerfristige negative Auswirkungen für Frauen am Arbeitsmarkt haben.

Wir Mütter ziehen die nächste Generation groß, die später arbeiten und Steuern zahlen wird - wir tragen hier die ganze Verantwortung.

Wo sehen Sie da einen dringenden Handlungsbedarf seitens der Politik? 

Es bräuchte sofort flächendeckende und kostengünstige oder auch Gratis-Ferienangebote, um Eltern und besonders Alleinerziehende zu entlasten. Dazu müssten auch die Schließzeiten der Kindergärten unbedingt ausgeweitet und flexibler werden bzw. der Kindergarten auch in den Sommerferien durchgehend geöffnet haben. Die Politik kann da die Verantwortung nicht einfach von sich wegschieben.

Andrea Czak ist Wienerin und alleinerziehende Mutter einer 14-jährigen Tochter.