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Corona lässt Kinderarbeit erstmals seit 20 Jahren steigen

Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) meldet einen Meilenstein: Erstmals in der 101-jährigen Geschichte der UN-Organisation haben alle 187 Mitgliedsländer ein Abkommen ratifiziert – die Konvention gegen Kinderarbeit. Die Konvention mit der Nummer 182 wurde bereits 1999 verabschiedet und trat ein Jahr später in Kraft. Verboten sind in Bezug auf Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren unter anderem Sklaverei, Zwangsarbeit, Menschenhandel, sexuelle Ausbeutung, der Einsatz in bewaffneten Konflikten oder bei gefährlicher Arbeit, die das Wohlergehen gefährden. Der kleine Pazifikstaat Tonga war der letzte, der die Annahme dieser ILO-Konvention gegen die schlimmsten Formen von Kinderarbeit jetzt amtlich bestätigte. 

Keine Schule bedeutet oft Kinderarbeit

„Dieser Beschluss ist eine Sensation“, erklärt Marcus Strohmeier, Internationaler Sekretär des ÖGB. Der Kampf gegen Kinderarbeit muss intensiviert werden, weil Corona die Situation maßgeblich verschärfe: „Eine UNICEF-Studie belegt, dass die Kinderarbeit in einem Land etwa im selben Ausmaß wie die Armut steigt.“ Die Folgen der Pandemie führen dazu, dass weltweit rund eine Milliarde Kinder nicht in die Schulen kann. „In Entwicklungsländern werden sie sofort dazu genötigt, in dieser unfreiwilligen Freizeit zu arbeiten, um das Familieneinkommen aufzubessern“, sagt Strohmeier.

In Entwicklungsländern werden Kinder sofort dazu genötigt, in unfreiwilliger Freizeit zu arbeiten, um das Familieneinkommen aufzubessern.

Marcus Strohmeier, Internationaler Sekretär im ÖGB

73 Millionen Kinder arbeiten wie Sklaven

Die Folge: Kinderarbeit steigt zum ersten Mal seit zwei Jahrzehnten an. Nach Angaben der UNO müssen derzeit rund 152 Millionen Kinder arbeiten, 73 Millionen von ihnen unter schlimmsten, sklavenähnlichen Bedingungen, als Kindersoldaten, in Bergwerken oder in der Prostitution.

Seit 2000 haben laut ILO viele Länder Gesetze gegen die schlimmsten Formen der Kinderarbeit erlassen. Dass Gesetze und Abkommen gegen Kinderarbeit nicht zahnlos sind, zeigt die Entwicklung der vergangenen Jahre: Die Zahl der betroffenen Minderjährigen ist in den Jahren 2000 bis 2016 um 40 Prozent gesunken.

Gesetz wartet auf Verabschiedung

Auch Österreich könnte einen wichtigen symbolischen Beitrag leisten, sagt Strohmeier. Seit 2018 liegt im Nationalrat ein Entwurf für ein Sozialverantwortungsgesetz für die Textil- und Bekleidungsbranche. In diesem von Gewerkschafter Alois Stöger eingebrachten Gesetzesvorschlag geht es um die sogenannte unternehmerische Lieferkettenverantwortung. Das heißt: Von der Produktion in einem Land über den Transport nach Österreich bis hin zum Verkauf unterliegt alles der Verantwortung des Händlers. Unter diese Sorgfaltspflicht des in Österreich verkaufenden Betriebes fällt laut Gesetzesvorschlag insbesondere die Verhinderung jeglicher Kinderarbeit. „Mit dieser Änderung könnte man eine Textilkette beispielsweise dafür zur Verantwortung ziehen, wenn sie in einem Land mit Kinderarbeit produzieren lässt“, so Strohmeier.

Vorbild Frankreich

Frankreich hat bereits ein solches Gesetz verabschiedet, in Deutschland und auch in der Europäische Union wird an Verordnungen und Gesetzen gearbeitet. In Österreich fand die Umsetzung bisher nicht die Zustimmung der ÖVP. „Das wäre aber ein wichtiger Beitrag zu einer verantwortungsvollen Wirtschafts- und einer aktiven Außenpolitik, wir könnten hier Vorreiter im Kampf gegen Kinderarbeit werden“, appelliert Strohmeier. Ein Schritt, der angesichts der aktuellen Entwicklung notwendiger denn je scheint: Eigentlich wollen die Mitgliedsländer der Vereinten Nationen Kinderarbeit in jeder Form bis 2025 beenden. Allerdings könnte die Pandemie bereits erreichte Fortschritte wieder zunichtemachen, warnt man in der ILO – der Handlungsbedarf ist also groß.