Internationales
US-Angriffe auf Diversität und Arbeitnehmerrechte
Hüben wie drüben gilt: Gleichstellung ist keine Verhandlungsmasse
Ein aktuelles Schreiben der US-Regierung an europäische Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen zur US-Regierung sorgt europaweit zunehmend für Besorgnis. In diesem Schreiben wird verlangt, dass keine Programme zur Förderung von Vielfalt, Gleichstellung und Inklusion (DEI) umgesetzt werden sollen, sofern sie aus Sicht der US-Behörden gegen (US-amerikanische) Bundesgesetze zur Antidiskriminierung verstoßen. Diese Aufforderung wird von Expert:innen, Gewerkschaften und politischen Beobachter:innen als rechtlich bedenklich und politisch höchst problematisch eingestuft.
Europäische Grundwerte: Gleichheit, Respekt und Vielfalt
In der Europäischen Union ist Gleichstellung keine freiwillige Maßnahme, sondern rechtlich fest verankert. Sie zählt zu den Grundpfeilern der europäischen Gesellschaftsordnung. Seit den 1960er Jahren fordern Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Europa über ihre Gewerkschaften Gleichstellung auf allen Ebenen – in Betrieb, Branche und Gesellschaft. Diese langjährige Praxis ist Ausdruck gelebter Demokratie und Teil des sozialen Fortschritts. Die EU-Verträge garantieren nicht nur die Gleichbehandlung von Frauen und Männern – einschließlich eines Verbots der Diskriminierung schwangerer Arbeitnehmerinnen – sondern verbieten nach Artikel 19 auch jede Benachteiligung aufgrund von Geschlecht, ethnischer Herkunft, Religion, Behinderung, Alter oder sexueller Orientierung. Ergänzt wird dieser rechtliche Rahmen durch zahlreiche EU-Richtlinien, die Unternehmen verpflichten, Gleichstellung aktiv umzusetzen und Diskriminierung zu verhindern.
Kollektive Vereinbarungen als Erfolgsmodell
Die Aufforderung, solche Vereinbarungen aufzugeben, steht aber nicht nur im Widerspruch zum EU-Recht. Sie stellt darüber hinaus auch einen Angriff auf das bewährte Modell der Sozialpartnerschaft dar. Die europäischen Gewerkschaften kämpfen im Sozialen Dialog für faire und inklusive Arbeitsplätze, an denen Fähigkeiten, Leistung und Potenzial zählen – und nicht Herkunft, Geschlecht oder familiärer Hintergrund. Maßnahmen zur Förderung benachteiligter Gruppen, transparente Auswahlverfahren und gezielte Antidiskriminierungsstrategien gehen oft über gesetzliche Mindestanforderungen hinaus. Dennoch sind sie essenziell: Wissenschaftliche Befunde belegen regelmäßig die negativen individuellen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen struktureller Benachteiligung. Ohne gezielte Gegenmaßnahmen blieben Chancengleichheit und Inklusion eine Illusion.
Ein Rückfall in überholte Denkmuster
Die nun aufgetauchten fragwürdigen Schreiben der US-Regierung lassen sich als Versuch lesen, einen arbeitsrechtlichen Rückschritt einzuleiten – zurück zu einer Ära, in der Sexismus, Rassismus und Diskriminierung zum betrieblichen Alltag gehörten. Die Vorstellung, dass Gleichstellungsmaßnahmen zu „Bevorzugung“ führen, ist nicht nur falsch, sondern gefährlich. Sie verkennt die Realität struktureller Benachteiligung – und untergräbt jahrzehntelange Fortschritte.
Tonalität und Zielsetzung dieser Argumentation sind leider symptomatisch für die arbeitnehmer- und gewerkschaftsfeindliche Politik der aktuellen US-Regierung. So liegen etwa Pläne vor, die US-amerikanischen Beschäftigten in sicherheitsrelevanten Bereichen der Bundesverwaltung das Recht auf gewerkschaftliche Organisierung und Tarifverhandlungen entziehen wollen. Beobachter:innen sehen darin einen klaren Angriff auf die Grundrechte von Millionen amerikanischer Beschäftigter – darunter viele Veteranen und Beschäftigte des öffentlichen Dienstes.
Erfahrungen weltweit zeigen: Der Abbau gewerkschaftlicher Mitbestimmung ist ein Problem für Beschäftigte und Konsument:innen, er führt mittelfristig nicht zu besseren, sondern zu schlechteren Produkten und Dienstleistungen. Arbeitnehmer:innen, die keine Stimme am Arbeitsplatz haben, können Missstände nicht benennen – und Innovation sowie Qualität bleiben auf der Strecke.
Europas Antwort muss sein: Recht, Solidarität und klare Haltung
Kein europäisches Unternehmen ist verpflichtet – oder rechtlich überhaupt in der Lage – kollektivvertraglich vereinbarte Gleichstellungsmaßnahmen aufzugeben oder gegen europäische Antidiskriminierungsvorgaben zu verstoßen. Der Schutz der Gleichstellung ist nicht verhandelbar – weder durch bilaterale Schreiben noch durch politischen Druck von außen.
Der Einsatz für Gleichstellung, Diversität und Inklusion bleibt eine zentrale Aufgabe von Politik, Gewerkschaften und Unternehmen. Eine faire Arbeitswelt entsteht nicht von allein – sie muss aktiv gestaltet werden. Dazu gehören gleiche Chancen für alle, Schutz vor Diskriminierung und die Möglichkeit, sich gewerkschaftlich zu organisieren.
Wer heute versucht, diese Rechte zurückzudrehen, gefährdet nicht nur Errungenschaften der Vergangenheit – sondern auch die Grundlagen einer gerechten und friedlichen Zukunft.