Rückblick Jänner bis Mai 2023
Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, die hohe Inflation und die anhaltende Teuerungswelle waren im ersten Halbjahr 2023 die meistdiskutierten Themen. Um die Kaufkraft der arbeitenden Menschen zu erhalten, schlossen die Gewerkschaften Erhöhungen der kollektivvertraglichen Mindestlöhne bzw. -gehälter um bis zu 15 Prozent ab.
Die ÖGB-Forderungen drehten sich auch um die Abfederung der Teuerung, wie etwa die Erhöhung des Kilometergeldes, die Beibehaltung der coronabedingt aufgestockten Pendler:innenpauschale, aber auch die Einrichtung einer Antiteuerungskommission „mit Biss“ oder die Novellierung des Lohn- und Sozialdumpinggesetzes und die Einführung einer Vermögenssteuer.
ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian spricht über den Mitgliederzuwachs.
ÖGB wird jünger, weiblicher und stärker
Mehr als 80.400 Arbeitnehmer:innen und Lehrlinge sind im Jahr 2022 dem ÖGB beigetreten. Für ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian ist das ein sehr wichtiges Zeichen, vor allem auch, weil in den vergangenen Jahren coronabedingt nur wenige persönliche Kontakte zu den Beschäftigten möglich waren. „Der Mitgliederzuwachs signalisiert, dass diese Zeiten hinter uns liegen“, zeigt sich Katzian über das gestiegene Vertrauen in die Gewerkschaftsbewegung erfreut. Gerade in Zeiten wie diesen, wo eine Herausforderung die nächste jagt, brauche es starke Gewerkschaften, die sich für eine faire Arbeitswelt und gute Einkommen einsetzen.
Kollektivverträge
Im Jahr 2023 bewiesen Kollektivverträge wieder einmal nachdrücklich ihre Wichtigkeit. Auch wenn es einige Betriebsversammlungen, Betriebsrätekonferenzen und Warnstreiks brauchte, konnten alle kollektivvertraglichen Mindestlöhne bzw. -gehälter um zwischen 9 und 25 Prozent (Lehrlingseinkommen) erhöht sowie die überproportionale Anhebung vieler der niedrigsten Löhne und Lehrlingsentschädigungen erreicht werden. Gleichzeitig gelangen im Rahmenrecht eine Reihe an Arbeitszeitverkürzungen von 40 auf 38,5 Wochenstunden bei vollem Lohnausgleich, zusätzliche freie bezahlte Tage, verbesserte Überstundenbezahlung oder das Gratisklimaticket für Lehrlinge.
ÖGB-Klimabüro
Nachdem im ÖGB ein umfangreiches Klimapapier mit dem Titel ,,Klimapolitik aus ArbeitnehmerInnen-Perspektive" erarbeitet und eine eigene Klimakommission eingesetzt wurde, startete im Mai dieses Jahres das ÖGB-Klimabüro.
Ziel des Büros ist es, die Dekarbonisierung der österreichischen Wirtschaft und die damit einhergehende Transformation adäquat begleiten zu können. Klar ist nämlich, dass die Transformation zur Klimaneutralität ein hohes Maß an sozialer Akzeptanz erfordert und erfordern wird.
Das Klimabüro soll dabei als zentraler lnputgeber für u.a. Politik und Verwaltung dienen sowie wichtiges Know-how, Kompetenzen und Personal innerhalb der österreichischen Gewerkschaftsbewegung aufbauen. Weiters soll der persönliche Austausch in den von der Transformation betroffenen Regionen gefördert und österreichweite Erfahrungen und Lerneffekte sollen miteinander geteilt werden. Im Vordergrund wird dabei der aktive Austausch mit KollegIinnen und Kollegen, um Gestaltungsmöglichkeiten aufzuzeigen und Best-Practice-Beispiele zu verbreiten, stehen.
Podcast: Klima retten, Arbeit behalten – ja, das geht!
Auch Aktivitäten im Bildungsbereich sind geplant: So sollen Workshops zu klimapolitischen Fragestellungen abgehalten erarbeitete Positionen und Handlungsempfehlungen dargestellt und Infomaterialien erarbeitet werden.
Aktuell erarbeitet wird ein konkreter Arbeitsplan für die nächsten Jahre erarbeitet, wobei dies auf Basis eines Prozesses der intensiven Abstimmung mit Gewerkschaften und uns nahestehen Bildungsorganisationen stattfinden soll. In welchem Umfang welche Aktivitäten umgesetzt werden wird auch gerade erarbeitet und wir in unserer Ressourcenplanung einfließen.
Neues im Jahr 2023
Mit 1. Jänner 2023 traten folgende Gewerkschaftsforderung als Gesetz in Kraft: die Abschaffung der Kalten Progression, die Valorisierung der Familienleistungen, mehr Geld für Präsenz- und Zivildiener und der Pflegebonus für pflegende Angehörige.
Corona
Im dritten Corona-Jahr laufen diverse Regelungen aus. Am 30. April 2023 endete die Maskenpflicht in Spitälern, Praxen von Ärztinnen und Ärzten oder Pflegeheimen und die Risikogruppenregelung. Die Kurzarbeitsregelung wurde Anfang Mai bis Ende September 2023 verlängert. Ab Juli 2023 gibt es keine Gratis-Tests für Symptomlose mehr.
Pflegepaket II
Im Jahr 2022 wurde aufgrund des Drucks der Gewerkschaftsbewegung von der Regierung die Pflegereform groß präsentiert, die sich schließlich als loses Bündel von Maßnahmen entpuppte. Im Mai 2023 präsentierte die Bundesregierung das Pflegepaket II.
Gut daran sei, dass das Pflegepersonal mehr Kompetenz bekommen soll und dadurch die bürokratischen Hürden wegfallen oder auch, dass jetzt die Möglichkeit der Ersteinstufung beim Pflegegeld durch Pflegekräfte besser geregelt ist. „Es sind einige gute Schritte dabei, aber die große Reform, die auch eine ehrliche Wertschätzung ausstrahlt, ist es nach wie vor nicht“, kommentierte die Leitende Sekretärin Ingrid Reischl.
Vom ÖGB abgewendet: Kürzung der Sozialleistungen bei Teilzeit
Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) sagte im Februar 2023, dass Teilzeitarbeit ein Privileg sei und durch geringere Sozialleistungen unattraktiver gemacht werden müsse. Der ÖGB reagierte darauf mit einem klaren „Nein“, denn dies würde vor allem Frauen treffen. Die Kürzung würde viele Frauen treffen, die unbezahlte Care-Arbeit leisten.
Mehr als die Hälfte der Frauen arbeiten in Teilzeit, die jetzt schon niedrigere Beiträge einzahlen und deswegen weniger Sozialleistungen erhalten. Eine weitere Kürzung wäre fatal. Frauen erhalten jetzt schon um 41,1 Prozent weniger Pension als Männer. Arbeitsminister Kocher wich von seinem Vorschlag ab.
Der ÖGB fordert weiterhin die Erhöhung des Mehrarbeitszuschlages bei Teilzeitarbeit von derzeit 25 auf 50 Prozent.
Abgewendet: Aufweichung des Kündigungsschutzes
Am 11. Mai 2023 wurde im Sozialausschuss des Parlaments über eine Regierungsvorlage abgestimmt, die Verschlechterungen für Arbeiter:innen bei Kündigungsfristen beinhaltete. Konkret sollte ein Passus im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) verankert werden, der kollektivvertragliche Änderungen der gesetzlichen Kündigungsfristen ermöglicht hätte. Das Vorhaben wurde nach der ÖGB-Kritik zurückgenommen.
Abgewendet: „Attraktivierung von Überstunden“
Im April 2023 machte Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) einen Vorstoß zur „Attraktivierung von Überstunden“. Er schlug vor, dass die Steuerbefreiung für Überstunden ausgeweitet werden sollte, um dem Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken. Der ÖGB ist strikt dagegen, werden doch jetzt schon mehr als 47 Millionen Mehr- und Überstunden weder in Geld noch in Zeitausgleich abgegolten. Allein im Jahr 2022 entgingen dadurch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern 1,2 Milliarden Euro.
Abgewendet: Ende des Eltern-Kind-Passes
Nachdem die Ärztekammer mit der Vertragskündigung zum Eltern-Kind-Pass drohte, ging ein Aufschrei durch Österreich. Das wohl erfolgreichste Tool für die Gesundheit von Mutter und Kind sollte plötzlich kostenpflichtig werden. ÖGB-Vizepräsidentin und ÖGB-Bundesfrauenvorsitzende Korinna Schumann sagte: „Der Mutter-Kind-Pass-Streit darf nicht auf dem Rücken von Frauen und ihren Kindern ausgetragen werden. Die Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen sind auch Voraussetzung für den Bezug des Kinderbetreuungsgeldes – das bedeutet weitere finanzielle Unsicherheit für zahlreiche Jungfamilien.“ Im März 2023 wurde klar, dass der Eltern-Kind-Pass weiterhin eine Kassenleistung bleibt. Gewerkschaftlicher Druck zahlt sich aus!
Abgewendet: Ungerechte Pensionsaliquotierung
Je später jemand im Jahr in Pension geht, umso weniger Pensionsanpassung erhält man im ersten Jahr nach Pensionsantritt. Wer im November oder Dezember 2023 in Pension geht, bekommt gar keine Erhöhung. Der ÖGB kritisierte die Pensionsaliquotierung scharf. Kurz darauf gab die Bundesregierung bekannt, an einer Lösung zu arbeiten.
Die anteilige Pensionsanpassung (Aliquotierung) wird für die Jahre 2024 und 2025 nun ausgesetzt. Wer 2023 in Pension geht oder schon gegangen ist, erhält ab Jänner 2024 die volle Pensionsanpassung, egal, ob die Pension im Jänner oder im Dezember 2023 beginnt. Allerding ist diese Regelung zeitlich begrenzt. Der ÖGB fordert, diese Begrenzung aufzuheben.
Erneut abgewendet: Automatisches Pensionssplitting
Seit Jahren spricht die Bundesregierungen über die Umwandlung des freiwilligen Pensionssplittings in ein automatisches. Das Pensionssplitting hilft jedoch nur besserverdienenden Haushalten. Die ÖGB-Frauen fordern daher, stattdessen bessere Frauenpensionen durch erweiterte Anrechnung der Kindererziehungszeiten oder familienfreundlichere Arbeitsbedingungen.
ÖGB mahnt zu mehr Klimaschutz
Der Bericht des Umweltbundesamts zeigte, dass es bislang immer noch keine Trendwende bei den Emissionen gab. Daher mahnte der ÖGB zu mehr Tempo beim Klimaschutz.
Der ÖGB bekennt sich zur Klimaneutralität 2040 und hat, um diese voranzutreiben, mit dem ÖGB-Positionspapier für einen gerechten Wandel bereits ein Konzept entwickelt. Der Fokus liegt für den ÖGB darauf, einen Übergang zur CO2-Neutralität zu schaffen, der die Arbeitnehmer:innen aktiv einbezieht und niemanden zurücklässt.
Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit
„Die Arbeitsmarktlage ist so gut wie lange nicht und die Arbeitslosigkeit geht weiter zurück – das sind positive Nachrichten zu Beginn des neuen Jahres“, kommentierte Ingrid Reischl, Leitende Sekretärin des ÖGB, die Arbeitslosenzahlen zu Jahresbeginn. „Trotzdem haben wir immer noch zu viele Arbeitslose. Solange nicht alle Arbeitnehmer:innen, die einen Job wollen und machen können, einen Arbeitsplatz haben, dürfen wir uns nicht ausruhen. Das Ziel muss weiter Vollbeschäftigung sein“, so die Gewerkschafterin.
Und weiter: „Wir brauchen auch dringend mehr Personal für das AMS, um noch bessere Vermittlung zu gewährleisten. In vielen Berufen brauchen auch die Arbeitsbedingungen einen kräftigen Schub – das reicht von der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie über Arbeitszeitverkürzung bis hin zu besserer Bezahlung.“
Erhöhung des Arbeitslosengeldes
Der ÖGB fordert die Erhöhung der Nettoersatzrate des Arbeitslosengeldes von 55 auf 70 Prozent. Im Februar 2023 waren rund 390.000 Menschen arbeitssuchend. „Wir sehen, dass die Teuerung sogar wieder Fahrt aufnimmt. Das bedeutet, dass die 390.000 Menschen nicht nur keinen Job haben, sondern sie sind auch massiv armutsgefährdet. In Folge sind davon auch tausende Kinder betroffen. Der ÖGB bleibt daher bei seiner Forderung, dass das Arbeitslosengeld auf 70 Prozent Nettoersatzrate erhöht werden muss“, fordert die Leitende Sekretärin des ÖGB, Ingrid Reischl.
Fachkräftebedarf
Die Mangelberufsliste war im Jahr 2023 so lange wie noch nie zuvor. Der Fachkräftemangel bzw. Fachkräftebedarf zieht sich durch alle Branchen. Die Bundesregierung reagierte darauf mit dem Vorschlag, dass ältere Menschen in der Pension weiterarbeiten sollten. Zudem wurde die geblockte Altersteilzeit von der Bundesregierung abgeschafft. Ein weiterer Vorschlag sah weniger Sozialleistungen bei Teilzeitarbeit vor bzw. sollten Überstunden ausgeweitet werden. Der ÖGB stellte dem mehrere Modelle entgegen, wie etwa die Fachkräftemilliarde – denn 10.000 Betriebe weniger als noch vor zehn Jahren bilden heute Lehrlinge aus.
Die Leitende Sekretärin im ÖGB, Ingrid Reischl, zählte im April weitere notwendige Maßnahmen auf: „Betriebe müssen sich mehr anstrengen und attraktive Arbeitsplätze anbieten, wenn sie die besten Arbeitskräfte wollen. Das Angebot muss stimmen“, so die Gewerkschafterin. Firmen, die das erkennen, haben weniger Probleme, ihre Jobs zu besetzen. Dazu zählen bessere Arbeitsbedingungen, ordentliche Gehälter und Löhne, attraktive und planbare Arbeitszeiten, Arbeitszeitverkürzung sowie die Möglichkeit zur Vereinbarung von Familie und Beruf. Der ÖGB fordert weiter den Ausbau der Kinderbildungsplätze in Österreich und einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem 1. Geburtstag des Kindes.
Arbeitszeitverkürzung
Im April 2023 stellte die Gewerkschaftsbewegung als „Arbeitsmodell der Zukunft“ die Vier-Tage-Woche zur Diskussion. Lange Arbeitswochen würden bei vielen zu gesundheitlichen Beschwerden führen.
Mit der Vier-Tage-Woche würden Beschäftigte seltener krank und Burnouts könnten vermieden werden. Weniger Zeit am Arbeitsplatz steigert die Lebensqualität und senkt chronische Zeitnot für andere Dinge. Es bleibt mehr Zeit für Familie und Freundinnen bzw. Freunde. Laut ÖGB sind 85 Prozent der Pendler:innen mit dem Auto unterwegs. Bei einer Vier-Tage-Woche würden jährlich rund 250.000 Tonnen an CO2 eingespart.
Inflation, Teuerung, Mietpreisbremse
Ein Liter Sonnenblumenöl kostete im September 2021 noch 1,19 Euro, ein Jahr später um 167 Prozent mehr, die Haushaltsenergiepreise stiegen um fast 50 Prozent.
Die Bundesregierung reagierte mit Einmalzahlungen, der Übernahme von 80 Prozent der Stromnetzentgelte und einer Energiehilfen-Erhöhung für Betriebe. Die Energiekonzerne und ihre Aktionärinnen und Aktionäre freuten sich, die Dividenden fielen besonders hoch aus.
Der ÖGB forderte das Ende der „Miet-Preis-Spirale“, die Rücknahme der Mieterhöhungen des Jahres 2022 und eine Mietpreisbremse, radikale Eingriffe in den Energiemarkt, preissenkende Maßnahmen, eine schlagkräftige Antiteuerungskommission und das Mehrwertsteuer-Aus auf Lebensmittel und Güter des täglichen Bedarfs. Die Mietpreisbremse kam nicht, sondern eine Einmalzahlung in der Höhe von 200 Euro. Für Juli 2023 stehen die nächsten Mietpreiserhöhungen an. Die Chefökonomin des ÖGB, Helene Schuberth, errechnete, dass die Wohnkosten mittlerweile eine schwere finanzielle Belastung für Mieter:innen seien. Gleichzeitig streicht die Immobilienbranche hohe Gewinne ein. Der ÖGB fordert eine wirksame Mietpreisbremse.
Auch der Antiteuerungsgipfel am 8. Mai 2023 und das präsentierte inflationsdämpfende Maßnahmenpaket der Bundesregierung brachte nicht den erhofften Erfolg. ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian sagte: „Das reicht nicht aus. Da ist keine einzige Maßnahme dabei, die etwas wirklich verändert.“
Mitte Mai 2023 kündigte die Bundesregierung eine neue Maßnahme im Umfang von 500 Millionen Euro für finanziell schwächere Familien an. Bezieher:innen von Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Sozialhilfe oder Ausgleichszahlungen erhalten bis Ende 2024 pro Kind 60 Euro zusätzlich. Haushalten mit mehr als drei Personen werden mit dem Stromkostenergänzungszuschuss 105 Euro für jede weitere Person von der Stromrechnung abgezogen.
Die ÖGB-Vizepräsidentin Korinna Schumann sah aber noch weiteren Handlungsbedarf, wie die Erhöhung der Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld von 55 auf 70 Prozent.
Oliver Röpke neuer Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA)
Der ehemalige Leiter des EU-Büros des ÖGB in Brüssel, Oliver Röpke, wurde im April 2023 zum höchsten Vertreter der europäischen Sozialpartner gewählt. Im EWSA sind Arbeitgeber:innenverbände, Gewerkschaften und andere Interessensgruppen vertreten.
Wolfgang Katzian neuer Präsident des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB)
Beim 15. EGB-Bundeskongress von 23. bis 26. Mai 2023 wurde ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian zum EGB-Präsidenten gewählt. Diesem Dachverband gehören 93 nationale Organisationen aus 41 Ländern an und er vertritt rund 45 Millionen Arbeitnehmer:innen.
„Die Krisen nehmen zu“, sagte der neue EGB-Präsident, „unser Kampfgeist und unser Engagement aber auch. Wenn Einzelne beispielsweise glauben, das Streikrecht in Frage stellen zu können oder andere rote Linien überschreiten, dann müssen sie mit unserem Widerstand rechnen. Ich freue mich darauf, mit vielen engagierten Mitstreiterinnen und Mitstreitern für ein faires, sicheres und soziales Europa zu kämpfen.“
Podcast: EU und gewerkschaftliche Arbeit: Ein Blick hinter die Kulissen
US-Arbeitsminister Marty Walsh im ÖGB
Der US-Arbeitsminister Marty Walsh traf im Jänner 2023 ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian im ÖGB. Während seines zweitägigen Besuchs informierte er sich vor Ort über die Lehrlingsprogramme in verschiedenen Betrieben. „Die Ausweitung der dualen Lehrlingsausbildung ist entscheidend für die Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze in neuen und aufstrebenden Branchen“, meinte der US-Arbeitsminister.
International
Internationale Solidarität
Die Solidarität der Gewerkschafter:innen endet nie an Landesgrenzen. So rief der ÖGB nach dem Erdbeben in der Türkei und Syrien zu einer Spendenaktion auf. Die Spenden werden gemeinsam mit den Gewerkschaften in den betroffenen Regionen für klar definierte Projekte eingesetzt.
Auch für die Ukraine wurde weiter gespendet. Der ÖGB lieferte seit März 2022 Medikamente, Decken, Lebensmittel und mehr. Über 50 Tonnen Hilfsgüter wurden mit Unterstützung von Gewerkschaften und des EGB in die Ukraine gebracht, um die FPU (Föderation der Gewerkschaften der Ukraine) zu unterstützen, die in ihren Ferienheimen Geflüchtete versorgt. Ein weiterer Hilfstransport fand am 3. Mai 2023 den Weg nach Ushgorod. „Wir lassen die Menschen nicht im Stich“, sagt Marcus Strohmeier, Internationaler Sekretär des ÖGB.
EU-Richtlinie zur Plattformarbeit
Rund 28 Millionen Menschen in der EU arbeiten für Online-Plattformen. Für die meisten Plattformarbeiter:innen bedeutet das prekäre Arbeitsbedingungen, weil sie oft nicht angestellt sind und somit als Selbstständige oder freie Dienstnehmer:innen arbeiten. Die neue EU-Richtlinie soll Abhilfe schaffen und die Scheinselbstständigkeit beenden. Am 1. Februar 2022 stimmte das EU-Parlament für die Richtlinie.
Mercosur
Die EU verkündete im Februar 2023, dass sie das Handelsabkommen mit lateinamerikanischen Ländern bis Juli abschließen will. Österreich hat bisher das Abkommen noch nicht unterzeichnet. Der ÖGB ist dagegen und warnt vor verheerenden Auswirkungen auf die Landwirtschaft, auf Beschäftigte und auf das Klima. Die Leitende Sekretärin im ÖGB, Ingrid Reischl, dazu: „Das ist ein Freibrief für Verstöße gegen Umweltauflagen, nicht nur in Zeiten des Klimawandels ein völlig falsches Signal.“
Überarbeitung der Richtlinie für Europäische Betriebsräte (EBR)
Am 1. Februar 2023 stimmte das EU-Parlament mit großer Mehrheit für die Überarbeitung der EBR-Richtlinie. Das Ziel ist, die zahlreichen Mängel in der aktuellen Richtlinie zu beheben, die die Europäischen Betriebsrätinnen und Betriebsräte an der effektiven Ausführung ihrer Tätigkeit behindern. Vielfach finden Information und Konsultation der EBR zu spät, unvollständig oder gar nicht statt. EBR-Mitglieder werden bei Umstrukturierungen oftmals vor vollendete Tatsachen gestellt, anstatt frühzeitig eingebunden zu werden. Darüber hinaus bringen Ökologisierung und Digitalisierung gesellschaftliche, technologische und strukturelle Herausforderungen mit sich, die die Arbeitswelt massiv verändern. Um all dem begegnen zu können, ist insbesondere eine Stärkung der Durchsetzung von Rechten des Europäischen Betriebsrates notwendig.
EU-Lohntransparenzrichtlinie
Am 30. März 2023 stimmte das EU-Parlament über die Lohntransparenzrichtlinie ab, sie wurde angenommen. Die Vize-Präsidentin des EU-Parlaments und Gewerkschafterin Evelyn Regner hat die Richtlinie mitverhandelt. Sie kommentierte den Erfolg: „Mit der Lohntransparenzrichtlinie schaffen wir zunächst bessere Zahlen, Daten und Fakten, die uns endlich auf den richtigen Pfad zur Schließung der Lohn- und Pensionsschere bringen. Viel zu lang wurde mitangesehen, wie Frauen die gleiche Arbeit wie ihre männlichen Kollegen verrichten, aber dafür schlechter entlohnt werden. Im EU-weiten Durchschnitt ist das Gehalt von Frauen immer noch 12,7 Prozent geringer – in Österreich sind es knapp 18 Prozent. Das ist nicht nur unfair und demoralisierend, sondern eine echte gesellschaftliche Katastrophe.“
Veranstaltungen
Kinderbetreuungsgipfel
Am 10. Jänner 2023 hofften die Sozialpartner:innen und die Vertreter:innen der Industriellenvereinigung noch, bei dem Kinderbetreuungsgipfel den Turbo zünden zu können. Ihre Forderungen sind: Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem 1. Geburtstag, Ausbau von ganztägigen Kinderbetreuungseinrichtungen, Förderung der Ausbildung von Elementarpädagoginnen und Elementarpädagogen. Zögerlich, aber doch wurden in einigen Bundesländern Aktionen gesetzt. In der Steiermark gibt es mehr Urlaub und eine Prämie, um die Arbeit in Kinderbetreuungseinrichtungen attraktiver zu machen. In Kärnten wurde im Kinderbildungs- und Kindergärtenplätzegesetz festgelegt, dass es kleinere Kindergruppen, höhere Gehälter und bessere Öffnungszeiten geben soll. In Salzburg sind die Kindergärten ab 1. April vormittags kostenlos. Es fehlt aber noch das bundesweit einheitliche Rahmenrecht.
Am 28. Jänner 2023 feierte die ÖGJ und der ÖGB 50 Jahre Jugendvertrauensrätegesetz@ÖGJ
50 Jahre Jugendvertrauensrat
Im Jänner 2023 feierte die Österreichische Gewerkschaftsjugend (ÖGJ) und der ÖGB 50 Jahre Jugendvertrauensrätegesetz: Mitbestimmung und Demokratie als Kernkompetenz. Am 1. Jänner 1973 trat das Gesetz in Kraft. Einer der ersten gewählten Jugendvertrauensräte war ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian. Heute vertreten mehr als 3.250 Jugendvertrauensrät:innen die Anliegen der Jugendlichen in den Betrieben.
Internationaler Frauentag
ÖGB-Vizepräsidentin und ÖGB-Bundesfrauenvorsitzende Korinna Schumann hatte zum Internationalen Frauentag am 8. März 2023 eine klare Botschaft: „Um Frauen zu entlasten, muss die Regierung endlich in die Gänge kommen!“ Dazu braucht es bessere Arbeitsbedingungen, finanzielle Absicherung, bessere Aufteilung der Care-Arbeit und ein Entlastungspaket für Frauen.
Podcast: Weltfrauentag – Gebt uns Gleichberechtigung statt Blumen!
Aus der ÖGB-Verlags-Fachbuchhandlung wird die FAKTory
Am 28. März 2023 öffnete die alte ÖGB-Verlags-Fachbuchhandlung in der Universitätsstraße 9, 1010 Wien die Türen als FAKTory wieder. Dahinter stehen die Arbeiterkammer und der ÖGB-Verlag. Aus der Buchhandlung wurde ein Treffpunkt für Lesefreudige, aber auch eine AK-Beratungsstelle und ein Veranstaltungszentrum.
Gewaltschutztagung im Catamaran
Am 29. März 2023 luden die Arbeiterkammer Wien, der Weiße Ring und die Gewerkschaften vida und GPA zu einer Gewaltschutztagung. Weltweit nimmt Gewalt am Arbeitsplatz zu. Gründe dafür sind steigender Wettbewerb, aggressivere Gesellschaften und die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Gewalt hat viele Gesichter. Besonders betroffen sind Beschäftigte im Dienstleistungs- und Verkehrssektor. Bei der Tagung berieten 200 Teilnehmende die vielen Möglichkeit zu Gewaltschutz im Job.
Podiumsdiskussion zu ökologischem Umbau
Am 20. April 2023 diskutierten Vertreter:innen der Arbeiterkammer, des ÖGB, von Fridays for Future und der Universität Wien über Strategien für den sozialen und ökologischen Umbau. Rund 150 Teilnehmende diskutierten, wie der Umbau gelingen könnte.
Workers Memorial Day
Jedes Jahr gedenken die Gewerkschaften am 28. April den auf Arbeitsstätten verunglückten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Der Workers Memorial Day geht zurück auf eine Initiative der kanadischen Gewerkschaft für Angestellte im öffentlichen Dienst (Canadian Union of Public Employees), die 1984 erstmals den bei der Arbeit verletzten und verstorbenen Kolleginnen und Kollegen gedachte.
1. Mai 2023
Der 1. Mai 2023 stand im Zeichen der Rekordinflation. ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian sagte, dass die Krisengewinner:innen sich nicht einfach so aus der Verantwortung stehlen können. Viele Unternehmen nutzen den Dauer-Krisen-Modus und erhöhen völlig ungerechtfertigt ihre Preise. Dem muss die Regierung endlich einen Riegel vorschieben – und zwar mit einer Antiteuerungskommission.
Tag der betrieblichen Mitbestimmung
Zum zweiten Mal feierten Betriebsrätinnen und Betriebsräte am 7. Mai 2023 den „Tag der betrieblichen Mitbestimmung“. Rund 70.000 Belegschaftsvertreter:innen kümmern sich täglich um die Anliegen ihrer Kolleginnen und Kollegen. Sie sind die starke Stimme im Betrieb. Willi Mernyi, Leitender Sekretär des ÖGB, sagt dazu: „Ein Betriebsrat kann mehr durchsetzen als eine Einzelperson. Der Betriebsrat ist die starke Stimme, sorgt für mehr Gerechtigkeit und hat wertvolle Informationen für die Menschen. Wir wissen, dass Betriebsräte am häufigsten gegründet werden, wenn es im Unternehmen nicht so rund läuft.“
Tag der Pflege
Die Gewerkschaften riefen anlässlich des Tags der Pflege unter dem Motto „Wir sind sauer“ zu Demonstrationen auf oder hielten Pressekonferenzen ab. Sie präsentierten lange Forderungslisten und verlangen einen Spitalsgipfel. Das Ziel ist, die Misere im Gesundheits- und Pflegebereich endlich zu beseitigen.
ÖGB-Aktionswoche
Die ÖGB-Aktionswoche fand zwischen 22. und 26. Mai 2023 in ganz Österreich statt. In diesen Tagen gingen Gewerkschafter:innen auf die Straße und informierten Menschen über aktuelle Themen, wie zum Beispiel die anhaltende Teuerungswelle, informierten über ÖGB-Positionen und gewannen neue Mitglieder.
ÖGB-Konferenzen
24. ÖGB-Landesfrauenkonferenz Oberösterreich
Unter dem Motto „Eine faire Zukunft braucht mehr Frauen“ fand am 8. März 2023 die 24. Landesfrauenkonferenz in Oberösterreich statt. Die Themen waren Teuerung, fehlende Kinderbildung, Altenbetreuung, Gewalt bei der Arbeit und Entlastung für Frauen. Das Hauptreferat hielt ÖGB-Vizepräsidentin und ÖGB-Bundesfrauenvorsitzende Korinna Schumann. Als neue Frauenvorsitzende in Oberösterreich wurde Christine Hietzinger gewählt.
24. ÖGB-Landeskonferenz Oberösterreich
Die 24. ÖGB-Landeskonferenz unter dem Motto „Solidarisch in schwierigen Zeiten“ fand am 13. April 2023 in Linz statt. Die Hauptthemen waren Teuerung, Verteilungsgerechtigkeit, Globalisierung, Arbeitszeit sowie Klima- und Industriepolitik. „Zusammenhalt und Solidarität, die gewerkschaftlichen Grundwerte, sind heute wichtiger denn je“, betont ÖGB-Oberösterreich-Vorsitzender Andreas Stangl. „Dass wir mit unseren Themen richtig liegen, zeigt der Aufwärtstrend bei den ÖGB-Mitgliedern.“ Der ÖGB Oberösterreich zählte mit Ende 2022 genau 243.874 Mitglieder. Rund 18.000 neue Mitglieder sind dem ÖGB Oberösterreich im vergangenen Jahr beigetreten.
19. ÖGB-Bundesfrauenkongress „Frauen machen Zukunft“
Die ÖGB-Frauen konnten beim 19. ÖGB-Bundesfrauenkongress am 18. und 19. April 2023 auf fünf erfolgreiche Jahre zurückblicken. Sie haben etwa den Rechtsanspruch auf das Papamonat, die 30-Prozent-Quote von Frauen in Aufsichtsräten und die Erhöhung des Schulgeldes erreicht. Die ÖGB-Vizepräsidentin und ÖGB-Bundesfrauenvorsitzende Korinna Schumann legte das Arbeitsprogramm für die nächsten Jahre vor. Sie sagte, dass es gleichberechtigte Mitbestimmung von Frauen in allen Entscheidungs- und Beratungsstrukturen rund um den Klimawandel und um die Digitalisierung geben muss. Auch auf den gleichberechtigten Zugang zu umfassenden Informationen, Weiterbildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten sei zu achten, besonders auch für Kolleginnen und Kollegen in Teilzeit, in Karenz und für gering Qualifizierte: „Ressourcen sollen gerecht verteilt werden, um allen eine echte Chance zu bieten. Neben Qualifizierungsangeboten für Frauen müssen auch Betriebskulturen verändert werden, um Frauen in technischen Berufen und Green Jobs zu halten.“
Pressekonferenzen
Elementarpädagogik
Am 4. Mai 2023 präsentierten die Arbeiterkammer und der ÖGB ein neues Modell zur Aus- und Weiterbildung in der Elementarpädagogik. Die Regelungen in der Elementarpädagogik sind nach wie vor ein Fleckerlteppich an Kompetenzen und Maßnahmen. Außerdem müssen endlich die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten verbessert und der Personalmangel behoben werden. Das AK/ÖGB-Modell zeigt, wie durch Qualifizierung aus Assistentinnen und Assistenten Pädagoginnen und Pädagogen werden können.
Neben der Ausbildung muss auch der Beruf attraktiver gemacht werden. Dazu gehören etwa eine angemessene Bezahlung und gute Arbeitszeiten. Nur wenn der Fachkräftebedarf gedeckt werden kann, ist es möglich, dass Kinder eine qualitativ hochwertige Bildung erhalten.
Ein Jahr Pflegereform
AK-Präsidentin Renate Anderl und ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian luden am 5. Mai 2023 zur Pressekonferenz „1 Jahr Pflegereform – leere Versprechen, schlechte Umsetzung“. Die Gewerkschaftsbewegung und die Arbeiterkammer kamen schon vor einem Jahr zum Urteil, dass es sich um keine Reform, sondern nur ein loses Bündel von Maßnahmen handelt. Was sich seitdem getan hat, ist überschaubar. Es fehlt nach wie vor an grundlegenden Verbesserungen.
Podcast: 1 Jahr Pflegereform – leere Versprechungen, schlechte Umsetzung