Innenpolitik
ORF-Sommergespräche im ÖGB-Check
Millionärssteuer, Pensionen, Gesundheitsversorgung – welche Partei steht wofür? Der ÖGB analysiert die Aussagen der Parteichefs und -chefinnen zu den wichtigsten Themen
Auch in diesem Sommer interviewt der ORF im Rahmen der „Sommergespräche“ die Vorsitzenden aller Parlamentsparteien.
Wenige Wochen vor der Nationalratswahl kommen dabei aktuelle Themen zur Sprache und die Positionen der Parteien werden abgefragt. Der ÖGB nimmt Woche für Woche jene Aussagen unter die Lupe, die für Arbeitnehmer:innen besonders relevant sind.
Karl Nehammer, ÖVP
Im fünften und letzten ORF-Sommergespräch empfing Martin Thür am 2. September ÖVP-Chef und -Spitzenkandidat Karl Nehammer am Traunsee. Aufhorchen ließ Karl Nehammer beim Thema Budgetsanierung und dem Vorhaben, die Steuern auf Überstunden zu streichen.
„Deshalb wollen wir die Besteuerung von Überstunden abschaffen und einen Vollzeitbonus einführen.”
Nehammer betont, dass es kein Sparpaket brauche – stattdessen aber Anreize für Investitionen in Österreich. Er pochte auf einen größeren Kuchen zur Verteilung, der nur durch mehr Wirtschaftswachstum größer gemacht werden könne. Essenziell hierfür seien zwei Prozent Wachstum pro Jahr. Der ÖVP-Chef sieht hier Lohnnebenkostensenkungen und eine Steuerbefreiung auf Überstunden als Mittel.
Als Österreichischer Gewerkschaftsbund stellen wir uns klar gegen eine Streichung der Besteuerung von Überstunden, auch weil diese klar zu Lasten von Frauen gehen würde. Stattdessen braucht es eine Arbeitszeitverkürzung. Davon abgesehen werden in Österreich jährlich rund 50 Millionen Überstunden nicht ausbezahlt. Anstatt die Steuer auf Überstunden zu kürzen, müssen erst einmal die bereits geleisteten Überstunden bezahlt werden.
Eine Überstundenbegünstigung wäre auch ein klarer Vorteil für Vollzeitbeschäftigte und damit für Männer. Teilzeitbeschäftigte, und das sind vorwiegend Frauen, wären damit doppelt benachteiligt. Denn für ihre Mehrarbeit gelten laut Arbeitszeitgesetz niedrigere Zuschläge von 25 Prozent statt 50 Prozent wie bei Vollzeit. Außerdem bekommen Teilzeitbeschäftigte erst nach drei Monaten Zuschläge für geleistete Überstunden, weil für sie dieser Durchrechnungszeitraum gilt.
Der ÖGB stellt sich außerdem klar gegen eine Senkung der Lohnnebenkosten. Lohnnebenkosten sind nämlich eigentlich Lohnnebenleistungen. Kürzt man hier, kürzt man also automatisch an den Leistungen – spürbar etwa beim notwendigen Facharztbesuch, der erst nach Monaten Wartezeit möglich ist.
„Österreich gehört zu den reichsten Ländern der Welt, das basiert auf dem Fleiß der arbeitenden Menschen. Dank derer können wir Menschen, die es schwerer haben, die „wollen, aber nicht können, helfen. Menschen, die Betreuungs- und Pflegeverpflichtungen haben, erbringen große Leistungen.“
Von Thür auf Nehammers „Burger-Video“ angesprochen, betonte letzterer, dass man danach trachten müsse, dass möglichst viel in Vollzeit gearbeitet wird, denn mit den Steuerleistungen werde der solidarische Wohlfahrtsstaat ermöglicht. Eine Steigerung sei mit dem Vollzeitbonus und einer Änderung der oberen Steuerklassen möglich, weil es sich für manche sonst nicht auszahle aufzustocken.
Was Karl Nehammer nicht sagt, ist, dass 80.000 Frauen in Österreich gerne Vollzeit arbeiten würden, es aber aufgrund fehlender Kinderbetreuungsmöglichkeiten nicht können. Nur eine flächendeckende und kostenfreie Kinderbetreuung würde das ändern. Der ÖGB fordert einen Rechtsanspruch auf beitragsfreie Kinderbildung ab dem ersten Geburtstag des Kindes. Auch der Österreichische Gewerkschaftsbund spricht sich für mehr Vollzeitarbeit aus, denn nur so kann Altersarmut bei Frauen verhindert werden.
„Wir haben den Lohnverhandler:innen angeboten, dass wir durch die Abschaffung der kalten Progression und eine steuerfreie Prämie von 3.000 Euro Rahmenbedingungen schaffen, damit die Verhandlungen maßvoll laufen können.“
Nehammer führt an, dass die Regierung sich für eine Kombination an Maßnahmen eingesetzt hat, einerseits die Strompreisbremse und den Mietpreisdeckel, andererseits aber die Möglichkeit von steuerfreien Prämien, damit die Menschen mehr Geld zur Verfügung hätten.
Eines vorweg: In Österreich werden die Kollektivverträge seit mehr als 100 Jahren zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeber-Vertreter:innen verhandelt, und das ist gut so. Daran ändern auch Zurufe der Politik nichts. Davon abgesehen fordert der ÖGB seit Anbeginn des Krieges in der Ukraine ein Eingreifen in die Preise durch die Regierung. Die von Nehammer angeführten steuerfreien Prämien im Rahmen von KV-Verhandlungen würden nämlich dazu führen, dass den Beschäftigten auf Jahre gerechnet viele Tausend Euro an Lohnerhöhung entgehen würden. Der ÖGB hat Rezepte für all die Krisen der vergangenen Jahre auf den Tisch gelegt. Keine der Einmalzahlungen, die von der Bundesregierung im Gießkannenprinzip verteilt wurden, hat eine nachhaltige Wirkung gehabt. Vielmehr führten sie zu einer Umverteilung von unten nach oben. Nur gute Kollektivvertragsabschlüsse, gewährleistet durch die Gewerkschaften, leisten nachhaltige Lohngerechtigkeit.
Andreas Babler, SPÖ
Im vierten ORF-Sommergespräch empfing Martin Thür am 26. August SPÖ-Chef und Spitzenkandidat Andreas Babler am Traunsee. Spannende Aussagen gab es von Andreas Babler etwa zu Vermögenssteuern, Milliardengeschenken an Superreiche oder zur Bedeutung des AMS für die Bevölkerung.
„Fünf einzelne Familien haben so viel Vermögen wie die Hälfte der Bevölkerung im unteren Bereich.“
Unter anderem damit, dass in Österreich fünf Familien so viel Vermögen haben wie 4,2 Millionen Menschen zusammen, begründet Babler die Notwendigkeit von Vermögens- und Erbschaftssteuern. Österreich gehöre, so Babler, im OECD-Schnitt zu den Ländern mit der niedrigsten Vermögensbesteuerung und der höchsten Besteuerung des Faktors Arbeit – Zahlen, die wiederholt dazu geführt haben, dass Österreich selbst von Organisationen wie eben der OECD oder dem IWF die Einführung von Erbschafts- und Millionärssteuern empfohlen wurden. Was mit diesem Geld passieren soll, ist Babler auch klar: „Wir wollen ja Dinge finanzieren damit. Wir wollen, dass der Faktor Arbeit entlastet wird, wir wollen das Gesundheitssystem wieder aufrichten“, erklärt der SPÖ-Chef im ORF-Sommergespräch. Auch Bildung und entsprechende Teilhabe – gerade auch von Kindern und Jugendlichen – wird immer wieder als wichtiger Punkt erwähnt, wo dieses Geld sinnvoll eingesetzt werden sollte.
Auch der Österreichische Gewerkschaftsbund fordert eine gerechte Besteuerung der Reichsten. Im ÖGB-Programm wird konkret gefordert: „Einführung einer Millionärssteuer auf private Nettovermögen über einer Million Euro sowie Einführung von Erbschafts- und Schenkungssteuern auf große Vermögensübertragungen.“ Rund fünf Milliarden Euro könnten allein durch diese Maßnahmen ins Budget gebracht und in den Sozialstaat investiert werden. Das wäre fair und das wäre ein genauso sinnvoller wie notwendiger Beitrag der Superreichen – deren Vermögen durch die Arbeit anderer entstehen – zum Wohle der gesamten Gesellschaft. Nicht zuletzt profitiert auch der Wirtschaftsstandort von einem gesunden Sozialstaat und von gut abgesicherten Arbeitnehmer:innen.
„Wir machen den umgekehrten Weg: Wir nehmen diese letzten Geschenke zurück. Das sind fünf Milliarden Euro in einer Legislaturperiode.“
Das sagt Andreas Babler über die Körperschaftsteuer (KÖSt), die von ÖVP und Grünen von 25 auf 23 Prozent gesenkt wurde. Und weiter: Dies sei ein Geschenk an die „größten und superreichsten Unternehmen“ gewesen. Und ÖVP und FPÖ wollten „wahnsinnigerweise das Budget noch mehr ruinieren, wenn ich in die Wirtschaftsprogramme schaue“, erklärt Babler angesichts der von beiden Parteien angestrebten weiteren Senkungen der KÖSt.
Die Position des ÖGB dazu ist klar: „Die Körperschaftssteuersenkung von 25 auf 23 Prozent muss zurückgenommen und der Steuersatz angehoben werden.“ Denn außer den Eigentümern und Aktionären hat von einer KÖSt-Senkung überhaupt niemand etwas – weder der Standort noch die Arbeitnehmer:innen, die dieses Geld überhaupt erst erwirtschaften.
„Die schnellste, effektivste Möglichkeit in Beschäftigung zu kommen, ist dem AMS Ressourcen zu geben.“
Steigende Arbeitslosigkeit, hoher Fachkräftebedarf und hohe Inflation zeigen deutlich: Das AMS wird gebraucht und muss unbedingt die entsprechenden Mittel zur Verfügung haben. Dass das AMS-Budget angesichts der aktuellen Situation um fast 100 Millionen Euro gekürzt wird, ist auch aus Sicht des Österreichischen Gewerkschaftsbundes nicht nachvollziehbar.
Der ÖGB spricht sich deutlich für eine Rücknahme der Kürzungen aus und fordert das Gegenteil: nämlich eine Aufstockung der Mittel im Sinne der Menschen und des Wirtschaftsstandorts, mehr Personal und bessere Qualifizierung vor der Vermittlung. Funktionieren wird das aber nur, wenn das AMS auch die entsprechenden Mittel zur Verfügung hat.
Herbert Kickl, FPÖ
Im dritten ORF-Sommergespräch am 19. August stellte sich FPÖ-Parteiobmann Herbert Kickl den Fragen von Martin Thür. Gewerkschaftsrelevante Aussagen kamen von Kickl hinsichtlich Fachkräftemangel, Senkung der Lohnnebenkosten, Steuern und Gesundheitskasse.
Kickl sagt: „Mit uns gibt es keine neuen Steuern.“ Er werde damit nicht den Wirtschaftsstandort weiter schädigen.
Was der ÖGB dazu sagt: Steuern sind per se nichts Schlechtes. Im Gegenteil: Wir alle leisten sie, um unser Zusammenleben zu organisieren. Finanziert werden davon die Gesundheitsversorgung, die Bildung, die Schulen, der öffentliche Verkehr, der Straßenbau, die Müllabfuhr und vieles mehr. Alle profitieren davon, aber nicht alle leisten einen gerechten Anteil.
In Österreich tragen die, die am meisten Vermögen haben, nämlich am wenigsten zur Finanzierung des Gemeinwesens bei. Die Verteilung der Steuerlast ist also höchst ungerecht: Arbeitnehmer:innen, Konsument:innen und Pensionist:innen leisten rund 80 Prozent des Steueraufkommens. Von vermögenden Menschen hingegen kommt nur ein verschwindend geringer Beitrag von 1,5 Prozent. Um dieses Ungleichgewicht zu verbessern, fordert der ÖGB die Einführung einer „Millionärssteuer", also einer Vermögenssteuer auf Vermögen ab einer Million Euro.
Je nach Modell würde eine Millionärssteuer etwa fünf Milliarden Euro pro Jahr bringen und dadurch Investitionen in den Sozialstaat, die Bekämpfung der Klimakrise oder den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit ermöglichen. Und als Bonus würde eine gerechte Besteuerung der Reichsten zum Schließen der Schere zwischen Arm und Reich beitragen.
Kickl sagt: Der Grund für den Fachkräftemangel in Österreich seien die Lohnnebenkosten.
Was der ÖGB dazu sagt: Die neoliberale und arbeitnehmer:innenfeindliche Forderung nach einer Senkung der Lohnnebenkosten bedeutet in Wirklichkeit, dass Sozialstaatsbeiträge gekürzt werden sollen.
Dabei wird versucht, eine Lohnnebenkostensenkung als Win-win-Situation für Arbeitgeber und Arbeitnehmer:innen zu verkaufen. Mit dem Argument, dass Arbeitnehmer:innen damit mehr Netto vom Brutto übrigbleiben würde. Doch so ist das nicht. In Wahrheit werden mit einer Senkung der Lohnnebenkosten die Arbeitgeberbeiträge gesenkt. In anderen Worten: Wer davon profitieren würde, sind die Unternehmer. Für die Beschäftigten würde sich eine solche Kürzung hingegen negativ auswirken, denn dem Sozialstaat und damit den Arbeitnehmer:innen würde damit dringend benötigtes Geld fehlen.
Mit den Lohnnebenkosten werden nämlich unter anderem die Sozialversicherung, die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, die Kommunalsteuer, die Beiträge zum Familienlastenausgleichsfonds, die Familienbeihilfe, das Kinderbetreuungsgeld, die Schüler:innen- und Lehrlingsfreifahrten, die Schulbuchaktionen oder der Wohnförderungsbeitrag finanziert. Mit dem Fachkräftebedarf hat das Ganze also in Wahrheit nichts zu tun – denn für Unternehmer, die Fachkräfte finden wollen, gibt es ein bewährtes Rezept: bessere Arbeitsbedingungen schaffen.
Kickl zur Zusammenlegung der Krankenkassen: Dass sich die von ÖVP und FPÖ versprochene „Patientenmilliarde” letztlich als Marketing-Gag herausstellte und das ganze Projekt am Ende Mehrkosten statt Einsparungen brachte, daran sei laut Kickl die Nachfolgeregierung schuld. Diese habe die Strukturreform nicht weiterverfolgt, nachdem die türkis-blaue Bundesregierung aufgrund der Ibiza-Affäre geplatzt war.
Was der ÖGB dazu sagt: Das Ziel der Sozialversicherungsreform und die Zusammenlegung der Krankenkassen waren nie bessere Leistungen und Gesundheitsversorgung, sondern die Stärkung der Wirtschaftsinteressen innerhalb der ÖGK. Mit der Fusion verschob die türkis-blaue Bundesregierung die Entscheidungsmacht von einer Zweidrittelmehrheit der Arbeitnehmer:innen in ihrer eigenen Krankenkasse hin zu 50 Prozent für die Vertreter:innen der Wirtschaft. Arbeitgebervertreter haben seither die Macht, jede Entscheidung in der Selbstverwaltung zu blockieren – dabei sind Arbeitgeber selbst gar nicht in der ÖGK oder der PVA versichert.
Dass es die „Patientenmilliarde“ nicht geben kann, haben Kritiker:innen der Reform von Beginn an festgehalten. Anders als Kickl behauptet, hat das mit der vorzeitigen Beendigung der Koalition oder der Nachfolgeregierung, die die Reform nicht forciert hätte, nichts zu tun.
Der ÖGB hat in seiner damaligen Stellungnahme vor einer Mehrbelastung im dreistelligen Millionenbereich gewarnt. Der Rechnungshof hat diese Ansicht mittlerweile bestätigt: Anstelle der vermeintlichen „Patientenmilliarde“ wurde die Versichertengemeinschaft mit 215 Millionen Euro Fusionskosten belastet. Hinzu kommt ein Geldmittelentzug durch das Reformgesetz bei der ÖGK - dieser fehlen laut ÖGK-Arbeitnehmer:innen-Obmann Andreas Huss bis 2028 bis zu 1,21 Milliarden Euro. Zu „mehr Kassenärzten”, wie sie damals von ÖVP und FPÖ vollmundig versprochen wurden, konnte es durch die Fusion also gar nie kommen.
Werner Kogler, GRÜNE
Im zweiten ORF-Sommergespräch am 12. August war Vizekanzler Werner Kogler an der Reihe, der in seinen Antworten insgesamt erstaunlich unkonkret blieb, leider auch beim wichtigen Thema Gesundheitsversorgung.
Fehlende Kassenarztstellen: „Wir sind dahinter.“
Was der ÖGB dazu sagt: Es braucht viel mehr Engagement, um die Gesundheitsversorgung zu verbessern
Wir wissen aus allen Umfragen, dass immer mehr Menschen in Österreich sich wegen der Gesundheitsversorgung Sorgen machen – die Wartezeiten auch auf dringend notwendige Untersuchungen und Operationen werden länger und länger. Nach Angaben der Ärztekammer wartet man aktuell beispielsweise fünfmal länger auf einen Augenarzttermin bei einem Kassenarzt als vor zehn Jahren. Auch bei Kinderärzten verschlechtert sich die Situation zusehends.
Werner Kogler sagt dazu lediglich, er könne das nicht überprüfen und das wäre nicht in allen Regionen ein Problem; und er verweist auf die Ankündigung der Bundesregierung zu Jahresbeginn 2024, 200 zusätzliche Kassenärzte zu schaffen. Außerdem habe die Bundesregierung Gruppenpraxen auf Schiene gebracht.
Kosmetische Eingriffe sind zu wenig
Fazit ist aber: Der Plan, die medizinische Versorgung für alle zu verbessern und vor allem leistbar zu machen, ist nicht aufgegangen. Gruppenpraxen gibt es seit weit mehr als zehn Jahren. Was diese Bundesregierung gemacht hat, beschränkt sich darauf, das Primärversorgungsgesetz leicht abzuändern und im Rahmen des Finanzausgleichs Verbesserungen zu schaffen, was die Chance erhöht, Primärversorgungseinrichtungen – und damit Gruppenpraxen – zu etablieren.
Will man die Gesundheitsversorgung in Österreich aber wirklich verbessern, reichen kosmetische Eingriffe nicht aus. Auch die Politik muss zur Kenntnis nehmen, dass sich speziell in der niedergelassenen Versorgung in den vergangenen Jahren vermehrt Defizite gezeigt haben.
Privatmedizin zurückdrängen
Die Teuerung wirkt nämlich auch in den Gesundheitsbereich massiv ein. Sowohl Arzneimittel, Heilbehelfe und Medizinprodukte aber auch die medizinische und therapeutische Versorgung sind von Preissteigerungen betroffen. Das trifft viele Menschen, durch bestehende Lücken in der Versorgung können Hürden entstehen, gewisse Leistungen in Anspruch zu nehmen.
Um diesen Entwicklungen entgegenwirken zu können, braucht es eine Reihe von Maßnahmen, die dazu führen, dass die Privatmedizin zurückgedrängt wird. Es muss gewährleistet sein, dass Gesundheitsförderung und Prävention für alle kostenfrei möglich ist – speziell hier hat sich in den vergangenen Jahren zu wenig getan. Dabei war das sogar als erklärtes Ziel dieser Bundesregierung im Regierungsprogramm verankert: „Wir wollen, dass Österreicherinnen und Österreicher länger gesundheitlich uneingeschränkt leben können … .
Kostenbeteiligungen begrenzen
Dafür braucht es neben mehr Prävention, Rehabilitation und Stärkung der Gesundheitskompetenz der/des Einzelnen vor allem mehr qualifiziertes Personal im Gesundheitswesen. Das wäre zu erreichen durch bessere Arbeitsbedingungen, hier werden nach Ansicht des ÖGB zu wenige Schritte gesetzt.
Wichtig aus ÖGB-Sicht ist es außerdem, dass die privaten Kosten bzw. Kostenbeteiligungen für gesundheitliche Leistungen begrenzt werden müssen. Das kann durch die Einführung einer Kostenbeteiligungsobergrenze für alle von Versicherten bezahlten Selbstbehalte und Behandlungsbeiträge gewährleistet werden. Im Gegenzug müssen der Sozialversicherung mehr Geld für Leistungen zur Verfügung gestellt werden. Wie? Zum Beispiel, indem der Mittelentzug durch die Reform der Sozialversicherung zurückgenommen wird und der ÖGK die Fusionskosten ersetzt werden.
Für uns steht jedenfalls fest: Die gesundheitliche Versorgung ist zu wichtig, um sie schönzureden. Das ist nicht nur ein guter Rat an den Parteivorsitzenden der Grünen; die beste leistbare Gesundheitsversorgung für die Menschen in Österreich zu schaffen, wird auch eine zentrale Herausforderung für die nächste Bundesregierung.
Den Auftakt machte am 5. August Beate Meinl-Reisinger von den NEOS.
Beate Meinl-Reisinger, NEOS
„Mit Vermögenssteuern richtet man gar nichts.“
Was der ÖGB dazu sagt: Dass man mit „Vermögenssteuern nichts richtet“, ist natürlich Humbug.
Diese Einnahmen könnten für eine Pflegereform genauso verwendet werden wie für die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und Armut. Investitionen in den Sozialstaat, zur Bekämpfung. Die Steuereinnahmen des Staates sind eine wesentliche Grundlage für die Finanzierung des Sozialstaates, eine moderne Infrastruktur und Zukunftsinvestitionen. Wir alle profitieren vom Sozialstaat, von den Schulen, der Infrastruktur, den Krankenhäusern, der Müllabfuhr, etc. All das wird über Steuern finanziert.
Aktuell ist die Steuerlast in Österreich aber äußerst ungerecht verteilt. Es heißt immer: „Leistung muss sich lohnen“. Und das stimmt. Während die Arbeitnehmer:innen in Österreich fast 80 Prozent des Steueraufkommens finanzieren, beteiligen sich Superreiche und Millionenerben kaum. Denn leistungsloses Einkommen aus Erbschaften und Vermögen wird in Österreich kaum besteuert.
Es ist daher höchste Zeit für die Einführung einer Millionärssteuer, wie sie der ÖGB schon seit langem fordert. Und anders als die NEOS unterstützt auch die große Mehrheit der Österreicher:innen diese Forderung, wie eine aktuelle Umfrage der Gewerkschaft GPA beweist: Drei Viertel der Bevölkerung in Österreich sprechen sich demnach für die Einführung einer Millionärssteuer aus.
Beate Meinl-Reisinger sagt: „Direkte Preiseingriffe sind absolut unklug. Wenn der Staat beginnt, in die Schokoladepreise einzugreifen, wird das ein böses Ende nehmen. Wir brauchen deutlich mehr Wettbewerb.“
Was der ÖGB dazu sagt: Gerade in Zeiten explodierender Teuerung dürfen die Menschen nicht dem unkontrollierten Preiswucher der Unternehmen ausgesetzt sein. Und es geht hier um deutlich mehr als um Schokoladepreise.
In Zeiten extremer Inflation ist Preisregulierung wichtig. Der ÖGB fordert daher eine Anti-Teuerungskommission, die die Preise der Konzerne kontrolliert, einen Stopp bei den Mieterhöhungen und ein Aus bei der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel.
Unternehmen erhöhen ihre Preise oft viel mehr, als ihre Kosten - zum Beispiel bei der Energie - gestiegen sind. So machen etliche Unternehmen, vor allem aber Energie- und Lebensmittelkonzerne, saftige Profite – auf Kosten der Arbeitnehmer:innen und Konsumentinnen.
Und ja, es stimmt, wir brauchen mehr Wettbewerb: Um dem Fachkräftebedarf entgegenzuwirken, sollten sich Unternehmen tatsächlich einen Wettbewerb liefern – um die besten Arbeitsbedingungen und faire Löhne und Gehälter.
Beate Meinl-Reisinger sagt: „Die private Pensionsvorsorge soll gestärkt werden, durch ein Vorsorgekonto, auf das jede:r pro Jahr 3.000 Euro steuerfrei einzahlen kann. Nur so gibt es die Chance auf eine hohe Rendite und höhere Pension. Das ist eine ideale Ergänzung. Höhere Pensionen durch den Kapitalmarkt gehen gut.“
Was der ÖGB dazu sagt: Diese Aussage ist Teil des altbekannten neoliberalen Spins, dass unser Pensionssystem nicht sicher sei. Der Staat solle sich etwas zurückziehen und die Menschen sollen mehr auf die private Pensionsvorsorge setzen.
Die Wahrheit ist, dass die privaten Pensionen eben nicht sicher sind. Niemand kann vorhersagen, ob sich die Wirtschaft und die Aktienmärkte so gut entwickeln werden, dass nach dreißig oder vierzig Jahren genug Geld vorhanden sein wird, um davon Pensionen auszuzahlen. Das Geld, das in private Pensionen investiert wird, ist also hohen Risken ausgesetzt. Für gesetzliche Pensionen gibt es diese Risken nicht.
Im Vorfeld der Nationalratswahl hat der ÖGB allen bundesweit antretenden Parteien gewerkschaftsrelevante Fragen gestellt – die Antworten der Parteien hier im Überblick!
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