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Indexierung der Familienbeihilfe in Österreich laut EuGH rechtswidrig

Die Indexierung der Familienbeihilfe in Österreich ist nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshof (EuGH) rechtswidrig. Die Anpassung der Höhe von Familienleistungen, Kinderabsetzbeträgen und anderen familiären Steuervorteilen für EU-Bürger, die in Österreich arbeiten, deren Kinder aber im Ausland leben, verstoße gegen Unionsrecht, kommen die Luxemburger Richter in dem am 16. Juni 2022 veröffentlichten Urteil zum Schluss. Am 30. Juni wurde eine Korrektur im Familienausschuss des Nationalrates beschlossen. 

EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich

Der ÖGB hat bereits zu Beginn auf die drohende EU-Rechtwidrigkeit des Gesetzes hingewiesen. Wenige Tage nach dem Inkrafttreten hat die EU-Kommission bereits ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Im Jahr 1986 hat der Europäische Gerichtshof bereits in einem ähnlichen Fall entschieden, dass der „Gleichheitsgrundsatz“ verletzt wurde.

Laut EU-Recht haben ArbeitnehmerInnen, die die Arbeitnehmerfreizügigkeit nützen – also als EU-BürgerInnen in einem anderen EU-Mitgliedstaat arbeiten – Anspruch auf die gleichen Familienleistungen wie inländische ArbeitnehmerInnen, auch wenn die eigenen Kinder in einem anderen Land leben.

Der ÖGB rechnete also auch im Fall der Indexierung der Familienbeihilfe mit einer Aufhebung durch den Europäischen Gerichtshof. Am 16. Juni 2022 hat der EuGH diese nun für rechtswidrig erklärt. Österreich drohen nun Nachzahlungen in Millionenhöhe.

Man sei "für alle etwaigen Rechtsfolgen durch das Urteil des Gerichtshofs vorbereitet", hieß es zuletzt aus dem Familienministerium. Laut einer parlamentarischen Anfragebeantwortung im Mai 2022 habe Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) bereits Rückstellungen von 220 Millionen Euro für mögliche Nachzahlungen gebildet.

Massive Einsparungen blieben aus

Die Indexierung der Familienbeihilfe war ein Prestigeprojekt der ersten türkis-blauen Regierung. Familienleistungen und Kinderabsetzbeträge für in Österreich arbeitende EU-Bürger wurden an die Lebenserhaltungskosten in dem Land, in dem die Kinder leben, angepasst. Während Berechtigte etwa durch die Indexierung für Kinder in Irland mehr bekommen, gibt es für Kinder in Rumänien nicht einmal die Hälfte von dem, was für ein Kind in Österreich ausgezahlt wird.

Mit der Indexierung der Familienbeihilfe wollte die türkis-blaue Bundesregierung 114 Millionen Euro einsparen. Der Standard berichtete bereits 2020, dass die Einsparungen allerdings viel zu hoch angesetzt waren. Im Endeffekt wurden nur 62 Millionen Euro eingespart, das entspricht einer Differenz von 52 Millionen Euro beziehungsweise 45 Prozent. Der ÖGB hat von Beginn an vor der Europarechtswidrigkeit der Indexierung und unrealistischen Berechnungen gewarnt.

Kürzung trifft in erster Linie Arbeitskräfte aus Osteuropa

Seit 1. Jänner 2019 wird die Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder an die jeweiligen Lebenserhaltungskosten des Landes angepasst – auch wenn die Eltern in Österreich arbeiten und in das österreichische Sozialsystem einzahlen. In der Regel bedeutet dies eine Kürzung für Arbeitskräfte und Kinder aus Mittel- und Osteuropa, wo das Lohnniveau deutlich niedriger ist. Die Eltern arbeiten in Österreich häufig in prekären Beschäftigungsverhältnissen mit niedriger Bezahlung wie beispielsweise in der 24-Stunden-Betreuung oder als ErntehelferInnen.

Viele EU-BürgerInnen, die in Österreich arbeiten und in gleicher Weise Sozialbeiträge und Steuern entrichten wie lokale ArbeitnehmerInnen, erhalten niedrigere Familienleistungen – aus dem einzigen Grund, dass ihre Kinder in einem anderen Mitgliedstaat wohnen.