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Preisexplosion

„Preise runter!“ Starkes Zeichen der Vorarlberger:innen

Der Zulauf bei der vom ÖGB-Vorarlberg organisierten Demonstration gegen die Preisexplosion war trotz widrigster Wetterbedingungen groß. Rund 500 Menschen folgten dem Aufruf der Gewerkschaft, um ein starkes Zeichen zu setzen, dass die Bundesregierung endlich etwas gegen die rasant steigenden Preise tun muss. „Immer mehr Menschen können sich das Leben nicht mehr leisten und müssen sich finanziell massiv einschränken. Darum müssen die Preise runter“, forderte ÖGB-Landesvorsitzender Reinhard Stemmer. Die Maßnahmen von Landes- und Bundesregierung wie Erhöhung von Beihilfen, Valorisierung von Sozialleistungen und Abschaffung der ‚kalten Progression‘ seien zu begrüßen, allerdings seien diese schon seit Jahren überfällig. Bei den Kollektivvertragsverhandlungen erwartet sich die Gewerkschaft eine ordentliche Reallohnerhöhung. Unterstützung kam von der Armutskonferenz, der Caritas und der AK-Vorarlberg.

ÖGB fordert nachhaltige Maßnahmen

„Wenn heizen, tanken und Lebensmittel zum Luxus werden, dann läuft etwas gewaltig – aber gewaltig schief“, rief Stemmer mit starken Worten den rund 500 Demonstrant:innen entgegen. „Die Preise müssen runter! Das muss endlich außer Frage gestellt werden – und darum sind wir heute hier!“ Die Teuerung kostet einen durchschnittlichen Haushalt bis zu 3.000 Euro mehr im Jahr. „Und das ist einfach zu viel! Es reicht! Die Bundesregierung ist gefordert, Maßnahmen zu setzen, die preissenkend wirken.“ Etwa durch eine befristete Senkung der Steuern auf Treibstoffe, durch einen Preisdeckel für Wärmeenergie und durch eine Anti-Teuerungs-Kommission, um Preistreiberei zu verhindern, „damit sich niemand auf unsere Kosten die Taschen vollstopft“. Mit Einmalzahlungen würden die Preise nicht sinken. „Das ist höchstens ein Tropfen auf den heißen Stein!“ Stattdessen brauche es strukturelle Maßnahmen wie die Anhebung von Kilometergeld, Ausgleichszulage und Sozialhilfe. Durch Entlastung im Bereich Mobilität würden zudem vor allem auch Lehrlinge profitieren, betont ÖGJ-Landesjugendvorsitzende Sophia Berkmann.

Die Maßnahmen der Bundesregierung könnten „nur ein erster Schritt sein“, hält Stemmer fest. „Die Abschaffung der ‚kalten Progression‘ ist schon seit Jahren überfällig. Ebenso die Erhöhung von Beihilfen und Sozialleistungen. Diese Maßnahmen hätten die Menschen schon vor der Preisexplosion gebraucht!“ Existenzsichernde Maßnahmen wie eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes oder der Notstandshilfe würden weiter fehlen. Den Arbeitgebervertreter:innen stellt Stemmer die Rute ins Fenster: „Die Unternehmensvertreter:innen dürfen ja nicht glauben, dass sich die Arbeitnehmer:innen die Abgeltung der ‚kalten Progression‘ durch niedrigere Lohnabschlüsse selber zahlen werden müssen. Wir Gewerkschafter:innen bestehen bei den KV-Verhandlungen auf ordentliche Reallohnzuwächse." Dass es zudem immer noch Branchen gebe, in denen der Grundlohn unter der Armutsgefährdungsschwelle liegt, sei „eine Schande“. Deshalb wird auch ein Mindestlohn von 2.000 Euro in allen Branchen gefordert. ÖGJ-Landesvorsitzende Berkmann fordert in diesem Zusammenhang mindestens 1.000 Euro für Lehrlinge.

„Frauen sind besonders betroffen – mehr als die Hälfte der Vorarlberger Frauen arbeitet Teilzeit. Mit der Teuerung fehlt es nun noch massiver an einem Einkommen, von dem man auch leben kann“, hält Iris Seewald, stv. ÖGB-Landesvorsitzende und ÖGB-Landesfrauenvorsitzende fest. Immer noch haben Frauen in Vorarlberg über 24 Prozent weniger Einkommen als Männer. Gleichzeitig ist der Warenkorb für den täglichen Bedarf um 18 Prozent teurer geworden. „Frauen sind doppelt geprellt, wenn sich nicht endlich was ändert.“ Frauen leisten immer noch den Hauptteil der Sorgearbeit – jetzt kommt ein hoher Berg finanzieller Sorgen dazu. „Einmalhilfen sind hier nicht genug. Wir brauchen endlich höhere Löhne und genügend Kinderbildungseinrichtungen, um Beruf und Familie gut vereinbaren zu können.“

Caritas und Armutskonferenz machen auf große Not aufmerksam

Die Teuerung trifft Menschen mit weniger Ressourcen am härtesten. „Gerade für Haushalte, die mit kleinen Budgets über die Runden kommen müssen, die keine Ersparnisse haben und einen Großteil der Ausgaben im Bereich Miete, Betriebskosten und Ernährung haben, ist die Teuerung eine enorme Herausforderung. Und das sind bei Weitem nicht mehr nur die ‚klassischen‘ armen Haushalte, die auf öffentliche Transferleistungen angewiesen sind. Die Teuerung geht zunehmend an die Substanz der Mittelstands-Haushalte“, betonte Michael Natter, Fachbereichsleiter Sozial-Beratung/-Begleitung. „Die gestiegenen Kosten können nicht oder nicht mehr durch Einsparungen in anderen Lebensbereichen kompensiert werden, da auch dort die Ausgaben steigen, das ist ein Teufelskreis.“ Die Maßnahmen von Bund und Land seien wichtig und richtig. „Aber weniger Gießkanne und Einmalzahlungen, sondern mehr strukturelle, nachhaltigere sozialpolitische Veränderungen sind angesagt. Eine gerechtere Umverteilung ist das Gebot der Stunde.“

Michael Diettrich, Sprecher der Armutskonferenz, verwies auf eine OECD Studie, wonach die unteren 40 Prozent der Bevölkerung in den letzten 30 Jahren von der Wohlstandsentwicklung abgekoppelt wurden. "Das sind die, die jeden Cent dreimal umdrehen müssen. Die aktuellen Teuerungswellen sind für diese Menschen Gift.“ Die Bundesregierung dürfe demnach nicht nur die untersten 10 Prozent der Menschen mit geringen Einkommen unterstützen, sondern auch die untere Mittelschicht. "Wir sitzen alle im selben Boot!" Die Situation lasse sich sicher nicht "mit Einmalzahlungen nach dem Gießkannenprinzip ausgleichen". Diettrich plädiert außerdem für starke Lohn- und Gehaltszuwächse bei den anstehenden Verhandlungen - vor allem in den unteren Einkommensgruppen. Außerdem brauche es höhere Mindestlöhne. Er widerspricht zudem den Warnungen von Unternehmer:innenseite vor einer Lohn-Preis-Spirale. "Es gibt derzeit nirgends in Europa Lohnentwicklungen oder Lohnforderungen, die auch nur im entferntesten inflationär wirken könnten."

AK-Präsident fordert höhere Löhne und Gehälter

Die Teuerung setzt den Menschen enorm zu, deshalb müssen die Preise runter. „Mindestens so wichtig ist aber, dass Löhne und Gehälter deutlich steigen, denn immer weniger Menschen finden mit ihrem Einkommen ein Auskommen. Wer Vollzeit arbeitet muss auch davon leben können“, ist AK-Präsident Hubert Hämmerle überzeugt. Und wenn die Wirtschaft fordert, dass bei den Lohnverhandlungen die Förderungen des Bundes an die Arbeitnehmer:innen berücksichtigt werden müssen und Zurückhaltung zu üben sei, ist das für den AK-Präsidenten mehr als zynisch. „Die Unternehmer verlangen laufend Förderungen und sie werden zum Teil sogar überfördert. Üben sie deswegen Zurückhaltung, wenn ihre Gewinne immer weiter steigen – natürlich nicht“, kritisiert Hämmerle. Was uns aktuell droht sei keine Lohn-Preis-Spirale, sondern vielmehr eine Gewinn-Preis-Spirale. Die „Gierflation“ sei das Übel, das den Menschen derzeit massiv zusetzt.

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