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Umfrage unter Arbeitslosen

Acht von zehn Jobsuchenden sind unfreiwillig arbeitslos geworden

ÖGB fordert Erhöhung des Arbeitslosengelds und bezahlte Ausbildungen zur Umschulung von Fachkräften

Drei von vier Arbeitslosen wurden gekündigt, von 100 Arbeitslosen wurden nur vier auf eigenen Wunsch im Zuge einer einvernehmlichen Kündigung arbeitslos, nur acht von 100 sind freiwillig aus der Beschäftigung ausgeschieden. 

Doch die Arbeitslosigkeit trifft nicht alle gleich: Eine aktuelle SORA-Studie im Auftrag des Momentum Instituts zeigt, dass 42 Prozent aller ManagerInnen auf Jobsuche selbst kündigten – auf der anderen Seite sind 84 Prozent der arbeitslosen ProduktionsarbeiterInnen und 88 Prozent der ArbeiterInnen im Dienstleistungsbereich gekündigt worden.

Quelle: Moment, Grafik: ÖGB

Menschen, die vor dem Jobverlust schon wenig verdienten, trifft die Arbeitslosigkeit besonders hart: 63 Prozent der befragten Arbeitslosen verdienten im letzten Job weniger als 1.400 Euro netto pro Monat.  

Arbeitslosengeld von 9 von 10 Arbeitslosen unter Armutsgrenze

Mehr als die Hälfte der Arbeitslosen sind armutsgefährdet. Rund neun von zehn Menschen auf Jobsuche erhalten weniger als 1.200 Euro monatlich. Damit liegt das Arbeitslosengeld unter der Armutsgrenze, die für einen Ein-Personen-Haushalt bei 1.328 Euro liegt. 97 Prozent der Befragten einer aktuellen Studie muss mit unter 1.400 Euro netto im Monat auskommen. Je nach Familien- und Wohnsituation leben zwischen 51 Prozent und 66 Prozent aller Arbeitslosen in einem armutsgefährdeten Haushalt. 

Foto: JackF - stock.adobe.com; Quelle: Moment; Grafik: ÖGB

Das armutsgefährdende Einkommen während der Jobsuche rührt daher, dass Arbeitslose in Österreich nur 55 Prozent des vorherigen Nettoeinkommens bekommen – im internationalen Vergleich ein besonders niedriger Wert. 

In vielen Fällen versagt das Arbeitslosengeld in seiner Funktion der Existenzsicherung, schlussfolgert daher das Momentum-Institut. Die Umfrage ergibt, dass ein Großteil aller Arbeitslosen zusätzlich zum Arbeitslosengeld eigene Ersparnisse aufbrauchen muss oder auf Gelegenheitsarbeiten angewiesen sind. JedeR Vierte muss sich sogar Geld ausborgen, weil er oder sie kein Auskommen findet. 

Foto: Ralf Geithe - stock.adobe.com; Quelle: Moment; Grafik: ÖGB

Konkret bedeutet die angespannte finanzielle Situation, dass unerwartete Ausgaben für 75 Prozent der Befragten existenzbedrohend sind. Vier von zehn können sich keine neue Kleidung kaufen, 27 Prozent können es sich nicht leisten, mehrmals die Woche Fleisch oder Fisch zu essen oder die gesamte Wohnung warm zu halten. JedeR Fünfte kann sich in den kommendes sechs Monate die Miete nicht mehr leisten.

Depressive Gedanken fünf Mal so hoch wie bei Beschäftigten 

„Häufig wird suggeriert, Arbeitslosigkeit sei ein persönliches Versagen. Damit werden aber die wirtschaftlichen und politischen Ursachen für Arbeitslosigkeit weder angesprochen noch gelöst“, sagt Barbara Blaha, Leiterin des Momentum-Instituts.

69 Prozent der Arbeitslosen sagen, die Politik behandle sie als Menschen zweiter Klasse.

Die Umfrage zeigt, dass Beschäftigte die Lage von Jobsuchenden falsch einschätzen: Während die Anstrengungen von Arbeitslosen, einen Job zu finden, enorm unterschätzt werden, wird ihre finanzielle Situation deutlich überschätzt.

Das hat Folgen, vor allem für die seelische und körperliche Gesundheit. 19 Prozent der Arbeitslosen und 38 Prozent der Langzeitarbeitslosen leiden unter depressiven Gedanken. Zum Vergleich: Bei den Beschäftigten sind es nur 4 Prozent. Von der Politik fühlen sich nur vier von zehn gut vertreten. 69 Prozent der Arbeitslosen sagen, die Politik behandle sie als Menschen zweiter Klasse. Die mit der Arbeitslosigkeit verbundene Scham ist so groß, dass 60 Prozent der Befragten versuchen, ihre Arbeitslosigkeit zu verheimlichen. 

Gewerkschaft fordert Arbeitslosengeld, von dem man leben kann

Als „untragbar“ bezeichnet ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian die Situation, in der viele Arbeitslose und ihre Familien leben müssen. Eine weitere Kürzung in diesem Bereich schließt er deswegen kategorisch aus. Statt Verschärfungen beim Arbeitslosengeld, bei der Zumutbarkeitsgrenze oder bei der Zuverdienstgrenze fordert er erneut die Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf von 55 auf 70 Prozent der Berechnungsgrundlage. 

Kürzungen wird es mit uns aber sicher keine geben, denn Arbeitslose müssen vor Armut geschützt werden.

Wolfgang Katzian, ÖGB-Präsident

Eine Absicherung der Arbeitslosen im Land ist nicht nur eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, sondern schlicht das Recht von Arbeitssuchenden, die jahrelang ihren Beitrag geleistet haben. Immerhin ist das Arbeitslosengeld eine Versicherungsleistung, die sich die ArbeitnehmerInnen selbst finanzieren.

Um Arbeitslosigkeit aktiv zu bekämpfen, schlägt der ÖGB die Einrichtung von Arbeitsstiftungen vor. Hier werden Arbeitssuchende zu Fachkräften ausgebildet und während der Ausbildung finanziell abgesichert.

Zur Studie

Die SORA-Studie "Arbeitslosen-Monitor" befragte im Auftrag des Momentum-Instituts 1.844 Menschen im Alter von 15 bis 64 Jahren im Zeitraum Mai bis Juli 2021. 1.215 InterviewpartnerInnen waren zum Befragungszeitpunkt arbeitslos, davon 332 langzeitarbeitslos. Es handelt sich um die erste repräsentative Studie zur Situation von Arbeitslosen dieser Größenordnung in Österreich seit Beginn der Corona-Pandemie.

Mehr zur Studie findest du hier: