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Präsidentin des armenischen Gewerkschaftsbundes Elen Manaseryan
Die Präsidentin des armenischen Gewerkschaftsbundes, Elen Manaseryan, beim Gespräch in Jerewan ÖGB

Bergkarabach

„Armenien ist auf sich allein gestellt“

Ein Interview in Zeiten der Krise. Elen Manaseryan hat in Jerewan mit der Solidarität über Gewerkschaftsarbeit und Krieg gesprochen

„Armenien ist zurzeit auf sich allein gestellt.“ Diesen Satz hört man in Jerewan aktuell von vielen Menschen. Nach der militärischen Offensive Aserbaidschans gegen die vorwiegend von Armenieren bewohnte Region Bergkarabach vergangene Woche liegen die Nerven auch in der armenischen Hauptstadt blank. Die Sorgen und Ängste der Menschen sind in allen Krisengebieten der Welt ähnlich und überall sind auch Gewerkschaften engagiert und betroffen. Für die Solidarität hat sich die Präsidentin des armenischen Gewerkschaftsbundes, Elen Manaseryan, Zeit für ein Gespräch mit Redakteur Toumaj Faragheh in Jerewan genommen. 

Solidarität: Frau Präsidentin, danke für Ihre Zeit. Wie geht es Ihnen?

Manaseryan: Danke, dass Sie da sind und berichten. Ich und viele Armenier:innen fühlen uns angesichts der Situation ohnmächtig. Es ist aber nichts Neues für uns, ich kann gar nicht mehr zählen, so viele Konflikte hatten wir schon. Und es hat sich nichts geändert: Als ich ein Kind war, gab es den Krieg und jetzt sind meine Kinder in derselben Situation.

Wir waren leider immer alleine. Die Großmächte interessieren sich nicht für uns.

Elen Manaseryan

Zurzeit steht das Land alleine da. Sehen Sie einen Ausweg?

Wir waren leider immer alleine. Die Großmächte interessieren sich nicht für uns. Es braucht harte Sanktionen und viel mehr internationales Bewusstsein für unsere Lage. Sonst sehe ich keinen Ausweg für uns. 

Wie navigieren Sie die Gewerkschaftsarbeit durch solche unsicheren Zeiten?

Das ist tatsächlich nicht einfach. Die Menschen hier haben Angst um ihr Leben, da ist es schwer zu sagen: Wir kümmern uns um eure Rechte als Arbeitnehmer:innen. Trotzdem setzten wir wichtige Akzente. Am 7. Oktober ist der Welttag für menschenwürdige Arbeit. Wir als Gewerkschaft werden in den Regionen des Landes sein und möglichst viele Arbeitnehmer:innen über unsere Arbeit aufklären. Es wird auch einen runden Tisch mit der Regierung geben. Das alles gerät aber nun in den Hintergrund.

Wie werden Arbeitnehmer:innenrechte in Armenien von den Menschen wahrgenommen?

Wenn Menschen darüber Bescheid wissen, dann gut. Wir haben aber viele Baustellen. Vieles, wie faire Löhne und angemessene Arbeitszeiten, sind hier nicht entsprechend umgesetzt und es fehlt die Verantwortung der Arbeitgeber. Deshalb vertreten wir viele Fälle vor Gericht und unterstützen Arbeitnehmer:innen so gut wir können. 

Wie haben sich die Fälle entwickelt?

Es wird immer mehr. Die Leute wissen mehr über ihre Rechte Bescheid und wenden sich an uns. Das ist positiv. Wir haben beispielsweise für dieses Jahr bislang alle Fälle gewonnen. Das ist deshalb wichtig zu erwähnen, da wir in Armenien keine speziellen Gerichte, wie Arbeitsgerichte, haben, sondern alles über allgemeine Gerichte läuft.

Gibt es Bereiche, in denen die Gewerkschaft mehr zu kämpfen hat?

Es gibt Branchen, in denen es mehr Unterstützung braucht: Beispielsweise herrschen schlechte Arbeitsbedingungen auf den Baustellen. Das liegt daran, dass hier seit Jahrzehnten keine neuen Rahmenbedingungen gesetzt wurden. Die letzten stammen praktisch aus der Sowjetunion. Aber man muss auch sagen, dass die Arbeitsbedingungen für armenische Verhältnisse schon besser sind als noch vor fünf Jahren. Wir arbeiten hart daran und langsam sehen wir die Früchte unserer langwierigen Arbeit.

Frau Präsidentin, danke für das Gespräch. Alles Gute für Armenien.

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