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ÖGB/Sebastian Philipp

Premiere: 800 KV-VerhandlerInnen aus allen Branchen und Gewerkschaften bei Koordinationskonferenz

Arbeitszeit

Branche für Branche

KVs schützen ArbeitnehmerInnen vor dem 12-Stunden-Tag-Gesetz

„Wir werden Branche für Branche für Verbesserungen im Sinne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kämpfen. Der Kollektivvertrag (KV) ist eine gute Möglichkeit zur Gestaltung der Arbeitszeit – wir legen den Preis gemeinsam fest“, hatte ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian im September 2018 gesagt, als kurz vor dem Auftakt zur Herbstlohnrunde erstmals in der österreichischen Geschichte 800 Kollektivvertrags-VerhandlerInnen aus allen Branchen und allen Gewerkschaften zu einer Konferenz zusammengekommen waren.

Von Flexibilität müssen auch die ArbeitnehmerInnen etwas haben

Die VerhandlerInnen berieten eine lange Liste von Ausgleichsmaßnahmen, damit die ArbeitnehmerInnen den Härten des türkis-blauen 12-Stunden-Tag-Gesetzes nicht ungebremst ausgeliefert sind. Das Ergebnis: Jede Branche wird passende und notwendige Regeln durchsetzen, damit die ArbeiterInnen und Angestellten nicht durch permanentes überlanges Arbeiten ausgebeutet werden. Flexibilität muss so aussehen, dass auch die ArbeitnehmerInnen etwas davon haben.

Maßnahmen bis hin zu Streiks notwendig

Leicht waren die Verhandlungen nicht, in einigen Branchen mussten gewerkschaftliche Maßnahmen bis hin zu Streiks eingesetzt werden. Die führten letztlich zum Erfolg, und einige Ausgleichsmaßnahmen haben so ihren Weg in die Kollektivverträge gefunden: zusätzliche bezahlte Pausen bei überlanger Arbeitszeit, Extra-Zuschläge, das Recht auf die 4-Tage-Woche, oder 12-Stunden-Schichten nur mit Zustimmung des Betriebsrats.

Beispiele für erfolgreiche Lösungen in den KVs:

Mehr Geld

  • In der Metallindustrie, aber auch in den Brauereien werden künftig die 11. und 12. Stunde, sofern sie Überstunden sind, mit 100 Prozent Zuschlag bezahlt; ebenso die 51. bis zur 60. Stunde in der Woche.
  • Im Metallgewerbe gibt es höhere Zuschläge ab der dritten Überstunde sowie nach der 50. Arbeitsstunde in der Woche.
  • In der Sozialwirtschaft gibt es Zuschläge fürs Einspringen.
  • PROPAK (Pappe, Papier): Für die 11. und 12. Stunde an einem Tag (sofern es sich um die 3. oder 4. Überstunden am Tag handelt) gebührt ein Zuschlag von 100 Prozent. Ebenfalls besteht ein Anspruch auf einen Zuschlag von 100 Prozent, wenn durch die Leistung von Überstunden mehr als 50 Stunden/Woche gearbeitet wird.
  • Elektro- und Elektronikindustrie: Zur Abfederung des Arbeitszeitgesetzes betragen Zuschläge für die 11. und 12. Arbeitsstunde täglich beziehungsweise ab der 51. Arbeitsstunde wöchentlich künftig 100 Prozent.
  • Höhere Zuschläge für die 11. und 12. Stunde gibt es auch in KVs im Bereich Textil/Leder, in der Glasindustrie, in der chemischen Industrie sowie in der Energiewirtschaft.

Mehr Freizeit

  • In der Herbstlohnrunde der Metallindustrie haben die Gewerkschaften PRO-GE und GPA-djp zehn Minuten bezahlte Pause vor der 11. Arbeitsstunde durchgesetzt, zudem können Zuschläge für lange Arbeitszeiten in Freizeit umgewandelt werden.
  • Eine bezahlte Pause bei überlanger Arbeitszeit gibt es auch in zahlreichen KVs aus dem Bereich Nahrungs- und Genussmittel, aus dem Bereich Textil/Leder/Schuhe, in der chemischen Industrie sowie in der Elektro- und Elektronikindustrie.
  • EisenbahnerInnen, die bei Feuerwehr oder Rettung freiwillig engagiert sind, bekommen einen Tag Extraurlaub.
  • Für Nachtarbeit gibt es für die EisenbahnerInnen einen Zeitzuschlag und Zusatzurlaub bis zu sieben Tage.
  • Im KV für die Beschäftigten im Handel konnte das Recht auf die 4-Tage-Woche, auf Altersteilzeit sowie Bildungskarenz vereinbart werden.
  • In der Sozialwirtschaft gibt es einen zusätzlichen Urlaubstag für alle ab zwei Jahren Betriebszugehörigkeit, Anspruch auf Altersteilzeit und die Möglichkeit, Umkleidezeit als Arbeitszeit zu werten.
  • In der Energiewirtschaft (Mineralölindustrie, Stromerzeugung, …) kommen die Beschäftigten schneller zur 6. Urlaubswoche – die Anrechnung von Vordienstzeiten wurde verbessert.
  • In der Elektrizitätsversorgung gibt es außerdem neue Regelungen für Sabbaticals.

Mitbestimmung – Selbstbestimmung

  • In der Nahrungs- und Genussmittelindustrie gibt es die 11. und 12. Stunde auch in Zukunft nur, wenn der Betriebsrat zustimmt.
  • Die EisenbahnerInnen bekommen ab 2020 mehr Selbstbestimmungsrecht beim Verbrauch von Zeitausgleich.