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ÖGB/Sebastian Philipp

Alle Warnungen waren berechtigt: Der 12-Stunden-Tag hat sich durchgesetzt

Arbeitszeit

Überlanges Arbeiten in 1 von 3 Betrieben

Umfrage bei Unternehmen: 12-Stunden-Tag bittere Realität

Der generelle 12-Stunden-Tag wird nicht kommen, das sei alles nur gewerkschaftliche Gräuelpropaganda. So hieß es aus Kreisen der türkis-blauen Koalition und der Industrie, als sie 2018 das 12-Stunden-Tag-Gesetz eingeführt haben. Ein Jahr später zeigt sich: Die Warnungen des ÖGB waren mehr als gerechtfertigt, bereits in einem von drei Betrieben ist der 12-Stunden-Tag Realität. Das hat nun eine Umfrage ergeben, die von der Unternehmensberatung Deloitte Österreich, der Universität Wien und der Universität Graz durchgeführt wurde.

Beste Lösung: 12-Stunden-Tag-Gesetz wieder abschaffen!

Dass der 12-Stunden-Tag nicht noch breitflächiger eingeführt wurde, liegt an den Gewerkschaften, die über die Kollektivvertragsverhandlungen viele Verschlechterungen abgeblockt haben, die das Gesetz ermöglicht hätte. Wie die Umfrage zeigt, wäre es freilich am besten, wenn der Nationalrat das von der türkis-blauen Bundesregierung durchgepeitschte 60-Stunden-Woche-Gesetz (12-Stunden-Tag-Gesetz) überhaupt wieder abschaffen würde. Denn überlanges Arbeiten ist gesundheitsschädlich und macht es fast unmöglich, Beruf und Privatleben unter einen Hut zu bringen.

Home Office verbreitet, aber viele ArbeitnehmerInnen trauen sich nicht

Ein weiteres Ergebnis der Umfrage: Flexible Arbeitsformen wie Gleitzeit ohne Kernzeit oder Heimarbeit werden immer gängiger. „Home Office hat sich in Österreich etabliert. Vor allem die jüngeren Generationen erwarten sich diese Möglichkeit vom Arbeitgeber“, bestätigt Barbara Kellner von Deloitte. Die Expertin fügt aber hinzu: „Obwohl die Option häufiger angeboten und in Anspruch genommen wird, hat bei 85 Prozent der Unternehmen die physische Anwesenheit im Büro noch immer einen dominanten Stellenwert. Das wird zum Problem, wenn Anwesenheit mit Leistung gleichgestellt wird. Mitarbeiter trauen sich dann nicht, Home-Office-Angebote wahrzunehmen.“

Arbeitgeber als Kontrollfreaks?

Generell senden die befragten Unternehmen in puncto flexibles Arbeiten widersprüchliche Signale. Zum einen geben 75 Prozent an, ihren Beschäftigten zu vertrauen. Zum anderen setzen 39 Prozent der Unternehmen in diesem Zusammenhang auf zusätzliche Kontrollmechanismen. „Vertrauen bedeutet, Kontrolle aufzugeben. Im Hinblick auf flexibles Arbeiten versuchen aber manche Unternehmen, durch verschiedenste Maßnahmen wieder mehr Kontrolle zu erlangen“, analysiert Christian Korunka, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Wien. „Die Unternehmen müssen das Loslassen lernen und innerhalb eines klar kommunizierten Regelwerks eine gesunde Vertrauenskultur entwickeln. Nur so können sie als zeitgemäße Arbeitgeber attraktiv bleiben.