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Erntehelfer:innen in Österreich arbeiten vielfach unter miserablen Bedingungen. Die Gewerkschaft PRO-GE will das beenden.
Erntehelfer:innen in Österreich arbeiten vielfach unter miserablen Bedingungen. Die Gewerkschaft PRO-GE will das beenden. Lisbeth Kovacic

Erntearbeiter:innen

Ausbeutung hat wieder Saison

Spargel, Kirschen, Erdbeeren oder Marillen: Mit der Ernte kommen auch die Erntearbeiter:innen nach Österreich. Die Arbeitsbedingungen sind katastrophal. Eine neue Verordnung verschärft die Situation.

„Es ist schmutzige Arbeit, mitunter gefährlich und körperlich wahnsinnig anstrengend“, sagt Susanne Haslinger über die Aussaat und Ernte auf Österreichs Feldern. Die Produktionsgewerkschafterin setzt sich für die Rechte von Erntearbeiter:innen ein. Rund 15.000 Menschen, vorwiegend aus Osteuropa, schuften jährlich als Saisonkräfte in der Landwirtschaft. Um sie zu erreichen, gründete die Gewerkschaft PRO-GE 2014 die Kampagne „Sezonieri“, bei der Gewerkschafter:innen und Aktivist:innen direkt auf den Feldern informieren und muttersprachliche Beratung anbieten.

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Dirty, difficult, dangerous

Die Gewerkschafter:innen klären auch ab, ob Arbeitsausbeutung oder Fälle von Menschenhandel vorliegen. „Das volle Programm an miserablen Arbeitsbedingungen“ sieht Haslinger in der Erntearbeit versammelt. Die Arbeit sei „dirty, difficult, dangerous“ (deutsch: schmutzig, schwierig, gefährlich). Die Arbeiter:innen hantieren ungeschützt mit Düngemitteln, bücken sich Hunderte Male am Tag, sieben Tagen die Woche, 14 Stunden lang, und das für rund neun Euro die Stunde – brutto. Regelmäßig wird nicht einmal der kollektivvertragliche Mindestlohn eingehalten. Wichtig ist nur, dass die Früchte makellos im Supermarkt ankommen. Weniger Platz als Hunde Eine neue Verordnung aus dem Arbeitsministerium sorgt für noch mehr Unmenschlichkeit: Seit April 2023 dürfen drei Menschen für drei Wochen in einem Container mit 13,88 m² untergebracht werden. Pro Person stehen somit 4,6 m² zur Verfügung. Das grenzt an Sklavenhaltung, wie ein erschreckender Vergleich zeigt: Für drei Hunde ist in der Tierhalteverordnung ein Platz von 25 m² vorgeschrieben.

Bei der Gewerkschaft PRO-GE findest du Informationen und

rechtliche Unterstützung hier.

Hier geht’s direkt zu „Sezonieri“, der Kampagne für die Rechte der

Erntearbeiter:innen in Österreich: www.sezonieri.at

Unmenschlichkeit mit System

Ohne Ausbeutung würde das System nicht funktionieren – nicht zu den aktuellen Preisen und Gewinnmargen der Supermarktketten. Zwischengeschaltete Agenturen und gefälschte Buchführung machen die Kontrollen schwierig, den Behörden fehlt es an Ressourcen. Hinzu kommt Rassismus gegenüber Gastarbeiter:innen. „Die Ausbeutung wäre verhinderbar, dafür braucht es aber mehr Kontrollen“, fordert Haslinger.

Protokolle enthüllen grobe Arbeitsrechtsverletzungen

Diese Ausbeutung findet sich ganz konkret in Protokollen von Erntearbeiter:innen, die dem ÖGB exklusiv vorliegen. Die meisten von ihnen stammen aus Rumänien, Ungarn, Serbien und der Ukraine. Eine Frau, die auf einem burgendländischen Feld im Einsatz ist, berichtet: „Uns steht kein Wasser zur Verfügung, obwohl es gerade sehr heiß ist. Dabei arbeiten die meisten von uns von 7 bis 17 oder 18 Uhr - meistens ohne Pause." Ein anderer Arbeiter ergänzt: „Es gibt auch kein Urlaubsgeld, kein Krankengeld. Eine Kollegin ist schwanger geworden und wurde sofort gekündigt". Unter den Erntearbeiter:innen gibt es aber auch viele, die nicht sprechen wollen - vermutlich aus Angst vor Kündigung.