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Corona-Impfstoff: „Ziel ist es, das Virus auszurotten”

Die große Frage, die über dieser COVID-19 Pandemie schwebt, ist: Wann kommt ein Impfstoff? Denn damit würden sich neue Möglichkeiten für jene Menschen ergeben, die jetzt nicht wissen, wie es weitergehen soll. Risikogruppen könnten aufatmen, das Personal im medizinischen Bereich könnte sich besser denn je vor dem Coronavirus schützen und mehr und mehr Menschen könnten das Leben wieder in vollen Zügen genießen, was wiederum Tourismus und Wirtschaft ankurbeln würde. Das Mainzer Pharmaunternehmen Biontech präsentierte vielversprechende Daten zu seinem potenziellen Corona-Impfstoff. Bis Ende des Jahres sollen 50 Millionen Impfstoff-Dosen zur Verfügung stehen. 

Renée Gallo-Daniel ist Präsidentin des Österreichischen Verbands der Impfstoffhersteller und seit 1988 in der pharmazeutischen Industrie tätig. Im Gespräch mit oegb.at schildert sie ihre Erfahrungen rund um den bald erhofften Corona-Impfstoff.

Oegb.at: Wann ist aus Ihrer Sicht mit einem Impfstoff gegen COVID-19 in Österreich zu rechnen?

Gallo-Daniel: Soweit wir immer wieder hören, kann dies durchaus schon in den nächsten Wochen oder Monaten sein. Dazu muss ich aber den Hintergrund erklären: Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gibt es derzeit, mit Stand Anfang November, etwa 45 ImpfstoffkandidatInnen, davon sind 10 in der Studien-Phase 3, also bereits in klinischer Forschung. Zusätzlich gibt es weitere 156 ImpfstoffkandidatInnen, die derzeit noch in prä-klinischer Forschung sind, also noch nicht so weit sind.

In der EU gibt es zwei ImpfstoffkandidatInnen, welche bei der Europäischen Zulassungsbehörde (EMA) schon in einem so genannten „Rolling Review“ sind. Ein „Rolling Review“ ist ein neuer Prozess, der die Zulassung beschleunigen soll. Sehr laienhaft gesprochen, bedeutet dies: Sobald genügend Studiendaten vorliegen, kann die Zulassung vom Hersteller beantragt werden.

Wie lange würde es dann nach einer Zulassung dauern, bis es den Impfstoff tatsächlich auf den Markt geben wird?

Wie lange es dann wirklich dauern wird, bis es definitiv zur Zulassung von COVID-19 Impfstoffen kommt, wissen wir derzeit nicht. Wir können aber davon ausgehen, dass die Behörden versuchen werden, die Prozesse so weit als möglich zu beschleunigen. Wichtig ist mir aber hier zu betonen, dass die Behörden eine Zulassung nur erteilen werden, wenn alles passt. Also es müssen die Sicherheit, die Wirksamkeit und die Qualität gegeben sein.

Wer sollte aus Ihrer Sicht zuerst die Möglichkeit haben, diesen Impfstoff zu beziehen?

Wichtig ist glaube ich, dass wir alle Zugang zum Impfstoff haben sollen und werden. Wer zuerst Zugang zur Impfung haben wird, hängt von mehreren Faktoren ab. Einerseits ist abzuwarten, wie die Zulassung der Impfstoffe aussieht und für welche Altersgruppen der Impfstoff zugelassen wird. Ein weiterer Punkt ist die Impfstoffmenge, die Österreich bekommt. Laut den Informationen der EU erhält Österreich - wie auch jedes andere Land in der EU – die Mengen nach EinwohnerInnenzahl.

Für Österreich sind das zwei Prozent der gesamten EU-Impfstoffmengen. Wir können davon ausgehen, dass diese zwei Prozent der gesamten Mengen nicht auf einmal kommen, sondern in mehrere Lieferungen. Zu guter Letzt entscheidet die Gesundheitsbehörde, wer den Impfstoff zuerst bekommt. Es werden wohl Risikogruppen, ältere Menschen und medizinisches Personal sein.

Wie könnte eine Corona-Impfung konkret aussehen, wie oft muss man sich impfen lassen?

Derzeit gehen wir von einem Impfschema mit zwei Dosen aus. Ob Auffrischungsimpfungen in weiterer Folge notwendig sein werden, wissen wir jetzt noch nicht. Unser aller Ziel muss es sein, das Virus auszurotten. Dazu brauchen wir aber eine Durchimpfungsrate von 70 Prozent und mehr.

"Es werden wohl Risikogruppen, ältere Menschen und medizinisches Personal sein", antwortet Renée Gallo-Daniel, Präsidentin des Österreichischen Verbands der Impfstoffhersteller, auf die Frage, wer den Impfstoff als erstes bekommt.

Manche Menschen haben aber Bedenken und möchten lieber abwarten, bevor sie sich impfen lassen...

Das kann ich emotional verstehen, bis dato hat es ja solche Impfstoffe nicht gegeben. Es hat aber bisher auch kein Corona-Virus gegeben. Ich vertraue sehr auf die Zulassungsbehörden. Jeder Impfstoff wird von der EU-Behörde in Bezug auf Sicherheit, Wirksamkeit und der Qualität sorgfältig überprüft. Ein weiterer für mich wichtiger Punkt ist, dass in den laufenden Studien zu den Corona-Impfstoffen zehntausende ProbandInnen eingeschlossen wurden. Unser gemeinsames Ziel dabei muss sein, sich und andere durch eine Impfung zu schützen.

Können durch einen Corona-Impfstoff in anderen Impfbereichen Lücken auftreten?

Prinzipiell kann nicht davon ausgegangen werden, dass es durch die Produktion von COVID-Impfstoffen zu Impfstoffknappheit bei anderen Impfstoffen kommt. Was aber bereits jetzt sichtbar ist: Durch die COVID-19 Pandemie kommt es zu Impflücken in der Bevölkerung und zum Absinken von Durchimpfungsraten bei manchen Impfungen. Der Grund: Es konnte z. B. auf Grund von Schulschließungen keine Routineimpfungen wie beispielsweise HPV oder Masern durchgeführt werden.

Wie könnte man die Corona-Impfung finanziell abwickeln?

Wie bei einer Pressekonferenz von einem Sonderbeauftragtem für Gesundheit im Sozialministerium kommuniziert wurde, wird die Impfung den BürgerInnen nichts kosten. Der Staat wird angeblich die Kosten übernehmen.

Wie lange ist man nach der Impfung immun?

Das kann derzeit noch nicht gesagt werden, dazu braucht es Langzeitstudien und Evaluierungen, nachdem die Impfstoffe zugelassen wurden und auf den Markt sind.

Werden wir uns in Zukunft durch neu aufkommende Viren vermehrt impfen lassen müssen?

Das ist sehr schwer zu beantworten, da wir nicht wissen, welchen Viren oder Keime wir als Menschen in der Zukunft ausgesetzt sind, ob diese Krankheiten hervorrufen oder nicht und ob wir wirksame Impfstoffe dagegen haben werden.