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Europaweit kämpfen Gewerkschaften für bessere Arbeitsbedingungen für Plattformarbeiter:innen ZOI Imagery

Europa

Faire Arbeitsbedingungen für Plattformarbeiter:innen – der Kampf geht weiter

Einigung über EU-Richtlinie, die Scheinselbständigkeit verhindern soll, scheiterte vorerst im Rat

EU-Parlament und Rat hatten sich am 13. Dezember 2023 nach langem Ringen auf die Richtlinie für Plattformarbeit geeinigt, die eine wesentliche Verbesserung für die Betroffenen bringen würde: Für Plattformunternehmen sollen demnach die gleichen Regeln gelten wie für alle anderen Unternehmen.

Es fehlte nur noch die Zustimmung im Rat – daran scheiterte die Richtlinie aber nach jahrelangen Verhandlungen: Beim letzten Ministerrat des Jahres 2023 fand sich keine Mehrheit, einige Mitgliedsstaaten legten ihr Veto ein, weil der Entwurf „zu arbeitnehmer:innenfreundlich“ wäre. Österreich stimmte dem Richtlinienentwurf zu.

Warum wären faire Bedingungen für Plattformarbeiter:innen so wichtig? Rund 28 Millionen Menschen in der EU leisten Plattformarbeit, eine halbe Million in Österreich. Ihre Dienstleistungen per Mausklick, hauptsächlich bei Essenszustellungen und im Transportwesen, aber auch in der Pflege und in der Reinigung, sind für Kundinnen und Kunden praktisch, für die Beschäftigten bedeuten sie aber oft prekäre Arbeitsverhältnisse: Viele sind nicht angestellt und gelten somit als vermeintlich Selbstständige – zu ihrem Nachteil. Sie sind nicht von Kollektivverträgen erfasst, das bedeutet, dass sie sich selbst versichern müssen und vor allem weniger Lohn für mehr Arbeit bekommen. 

90 Prozent Scheinselbstständige, Verdienst unter Durchschnittslohn 

90 Prozent der auf den rund 500 digitalen Arbeitsformen in der EU Tätigen sind als Selbstständige eingeordnet. Nach Schätzungen der EU-Kommission dürfte das für 5,5 Millionen Menschen nicht so sein, eine Reihe von Gerichtsurteilen bestätigt dies. 

Die neue Richtlinie sollte für mehr Fairness sorgen: Der Gesetzesvorschlag legte fest, dass Plattformbeschäftigte grundsätzlich als Arbeitnehmer:innen mit allen geltenden Rechten anzusehen sind. Sollte ein Plattformbetreiber anderer Meinung sein, muss er das Gegenteil beweisenDiese Beweislastumkehr war eine zentrale Forderung der Gewerkschaften in Europa. Der aktuell im Rat diskutierte Text geht leider deutlich von der Einigung im Trilog weg. So werden die Indikatoren die auf ein Arbeitsverhältnis hindeuten, weiter aufgeschwächt. Damit wird die Beweislastumkehr zahnlos.

Für eine Plattform würde es außerdem laut dem vor der letzten Hürde gescheiterten Entwurf nicht länger möglich sein, Vorschriften durch den Einsatz von Vermittlern zu umgehen, beispielsweise durch die Beschäftigung durch Subfirmen. Die Mitgliedstaaten müssen nämlich – so der Text - sicherstellen, dass Beschäftigte, die für eine Plattform arbeiten und über Vermittler tätig sind, das gleiche Schutzniveau genießen wie diejenigen, die in einem direkten Vertragsverhältnis stehen. 

Außerdem wurde im Richtlinien-Vorschlag zum ersten Mal die Anwendung von Algorithmen am Arbeitsplatz auf EU-Ebene geregelt. Der abgelehnte Text verankert klar, dass niemand, der für Plattformen tätig ist, einfach von einer Maschine und einem Algorithmus gekündigt werden kann. 

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Zeit wird knapp, Richtlinie bleibt auf der Agenda

„Diese Richtlinie wäre der erste Rechtsrahmen für Arbeitnehmer:innen digitaler Plattformen“, ist auch ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian enttäuscht über das vorläufige Scheitern. Vorläufig deswegen, weil die Gewerkschaften natürlich weiterkämpfen werden: „Der ÖGB fordert wie andere Gewerkschaften Europas gemeinsam mit dem EGB seit langem faire Bedingungen für die Millionen Plattformarbeiter:innen. Wir haben jeden Verhandlungsschritt mitverfolgt, die Richtlinie bleibt natürlich auf unserer Agenda – auch wenn die Zeit knapp wird.“

Eine Einigung für mehr Fairness für Millionen Plattformarbeiter:innen nach der EU-Wahl im Juni 2024, wenn Ungarn den Ratsvorsitz übernimmt, gilt nicht als wahrscheinlich. Und die Zeit unter dem laufenden Ratsvorsitz ist knapp, weitere Verschlechterungen und Aushöhlungen des Textes sind zu befürchten.

Deswegen ergeht auch der Appell an die Mitgliedstaaten, möglichst rasch und noch während der belgischen Präsidentschaft eine Richtlinie zu verabschieden, die eine echte Besserung für die Arbeitnehmer:innen bringen wird, so Katzian: „Die Gewerkschaften werden sicher nicht locker lassen. Plattformarbeiter:innen verdienen dringend bessere Rechte!“

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