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Budget-Analyse: Die versprochene Hilfe wurde vergessen

Das von Gernot Blümel am Mittwoch präsentierte Budget war zumindest in einem Punkt eindeutig: Der Finanzminister hat den Handlungsbedarf nicht erkannt, wie ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian in seiner Reaktion unmissverständlich klargemacht hat. Beim laut Blümel “großen arbeitsmarktpolitischen Wurf” hat er nicht erwähnt, in welche Richtung er wirft – nach vorne ist es jedenfalls nicht. Die lange geforderte Erhöhung des Arbeitslosengeldes ist überhaupt nicht vorhanden und auch der versprochene Corona-Tausender ist nirgends zu finden. Wovon die Menschen in Österreich bei längerer Arbeitslosigkeit leben sollen, wird damit  nicht beantwortet.  

Budget ignoriert die Realität der Krise

Bei näherer Betrachtung des Budgets bleiben mehr Fragen als Antworten. „Der Umbruch in der Wirtschaft wird gerade in Bezug auf Klimaneutralität, öffentliche Investitionen und den scharfen Strukturwandel so sicher nicht funktionieren. Das ist im Budget schlicht und ergreifend nicht abgebildet”, kritisiert ÖGB-Volkswirt Ernst Tüchler. Die Mittel dafür fehlen. „Die Realität ist, dass Betriebe ständig ArbeitnehmerInnen entlassen müssen und letztendlich zusperren. Da hilft auch budgetäres Kalmieren nicht. Die versprochene Hilfe ist das jedenfalls nicht”, so Tüchler weiter.  

Arbeitsmarkt kommt viel zu kurz

Vor allem beim wichtigen Thema Arbeitsmarkt klaffen regelrechte Löcher. Die für die Kurzarbeit vorgesehenen 1,5 Milliarden werden jedenfalls nicht ausreichen, zumal offenbar überhaupt keine Mittel für den Zeitraum nach dem Auslaufen der Kurzarbeit 3, also nach Ende März, eingeplant sind. Die Realität wird aber nicht so aussehen, wie der Finanzminister sich das vorstellt.   

ÖGB-Volkswirt Ernst Tüchler

„Man fängt bei den ArbeitnehmerInnen an zu kürzen." 

Ernst Tüchler, ÖGB-Volkswirt

Das Problem erklärt Tüchler: „Die Wirtschaftsleistung wird nicht in dem notwendigen Ausmaß ansteigen, während die Arbeitslosigkeit hoch bleiben wird.” Zwar werde für 2021 aufgestockt, in den beiden Folgejahren sinken die Mittel aber wieder deutlich – ein Fehler. Vor allem, weil die Lohnsteuereinnahmen, also der Beitrag der ArbeitnehmerInnen, Rekordhöhen erreichen wird. Übersetzt heißt das nämlich: „Man fängt bei den ArbeitnehmerInnen an zu kürzen”, erklärt der ÖGB-Volkswirt. Finanzminister Blümels völlig deplatzierte Hayek-Liebeserklärung lässt außerdem erahnen, dass künftige Budgetanpassungen, also Kürzungen, dann bei den Pensionen, der Sozialversicherung oder der Gesundheitsversorgung stattfinden werden. Sogar laut IWF wären nötige Finanzmittel aber etwa mit Reichen- oder Digitalsteuer zu lukrieren.

Umverteilung, aber die ArbeitnehmerInnen haben davon nichts

Sehr wohl vorgesehen sind aber fragwürdige zusätzliche Maßnahmen - etwa Agrarförderungen. Diese würden die gesamte Steuerlast der Land- und Forstwirtschaft übersteigen. Die Senkung der Buchführungsgrenzen für Landwirte wird dazu führen, dass diese legal und dauerhaft kaum mehr Steuern zahlen. „Für diese Gruppe leistet die Gesellschaft künftig noch mehr als jetzt schon. Aber was hat die Allgemeinheit davon? Wo ist eine Gegenleistung dieser Gruppe für die Gesellschaft”, fragt Tüchler. „Tatsächlich ist das einfach eine Umverteilung”, hält der ÖGB-Volkswirt fest.  

Ähnlich verhält es sich beim Thema Einkommens- und Körperschaftssteuer. Der Verlustrücktrag ist eine massive Steuersenkung, die selbst die Unternehmen in ihren kühnsten Träumen nicht erwartet hatten. „Es ist de facto die Umsetzung eines Wahlversprechens. Die Corona-Krise dient dafür nur als unerwarteter Anlass. Die Erfahrung lehrt außerdem, dass dies rasch zur Dauerlösung werden könnte”, vermutet Tüchler.

Gemeinden trifft es beinhart

Ein großes Fragezeichen wirft auch das Thema Hilfspaket für die Gemeinden auf. Nicht einmal 100 Millionen wurden von der sogenannten Gemeindemilliarde bislang abgerufen. Hat eine Gemeinde nämlich zu wenig Geld, dann hat sie auf diese Mittel keine Chance. Dazu kommt noch, dass völlig unklar ist, was die Auswirkungen aus dem gewaltigen Steuerausfall und den Steuerstundungen für die Gemeinden sein werden. „Das hat Auswirkungen auf die Zuteilung beim Finanzausgleich. Das dicke Ende für die Gemeinden kommt also erst”, warnt Tüchler. Der Entgang an Steuermitteln werde größer sein, als die Mittel, die ihnen laut Finanzminister Blümel zur Verfügung gestellt werden. Eine unterschätzte Gefahr für den ÖGB-Experten: „Die Gemeinden sind zusammengenommen der wichtigste Investor im ganzen Land. Das Budget bietet aber auch bei diesem Thema keine Antworten.”

Schlachtfeld Krankenkassen

Eine Warnung hat Tüchler nach Lektüre des Budgets von Gernot Blümel auch beim Thema Gesundheit parat. Über die Höhe des coronabedingten Ausfalls bei den Sozialversicherungen wird noch diskutiert.

„Die Krankenkassen werden das Schlachtfeld der Budgetkonsolidierung."

Ernst Tüchler, ÖGB-Volkswirt

Im Budget ist dafür nichts vorgesehen – und das ist eine eindeutige Botschaft: „Die Krankenkassen werden das Schlachtfeld der Budgetkonsolidierung. Wenn man das Minus nicht ausgleicht, dann bleiben später nur Beitragserhöhungen oder Leistungskürzungen. Das ist eine relativ einfache Rechnung, für die man keine fachspezifische Ausbildung braucht”, erklärt Tüchler.