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ÖGB

ÖGB Programm

Weniger Markt, mehr Demokratie, faire Steuern

Unser Programm für die Zukunft der Wirtschaft. Von der Millionärssteuer über leistbare Energiepreise bis zum Finanzmarkt

Wirtschaft – und damit auch Arbeit – ist ein zentraler Punkt in unseren Leben. Aber wie gehen wir mit den Herausforderungen der Zukunft um? Was sind die besten Rezepte im Kampf gegen multiple Krisen? Und welche Wege führen uns in eine gerechte und lebenswertere Zukunft? Im „ÖGB-Programm 2023–2028“ haben wir unsere Analysen der aktuellen Lage, unsere Visionen für die Zukunft und unsere konkreten Forderungen festgehalten.

Warum ist das überhaupt notwendig? Die kurzsichtigen neoliberalen Politikmaßnahmen und ihr Versagen wurden etwa in der Bewältigung der Finanzkrise 2008/2009 oder der kriegsbedingten Energiekrise deutlich. Nicht zuletzt dadurch wurde klar: Nur ein aktiver Staat kann für eine gesicherte Zukunft sorgen. Wir brauchen weniger Markt und mehr demokratische Mitbestimmung. Denn klar ist auch: Digitalisierung oder das Ziel einer CO2-neutralen Wirtschaft stellen uns vor neue und große Herausforderungen. Österreich muss als Industrieland gestärkt und neu positioniert werden.

 

Neoliberal und kurzsichtig

Einfach ist der wirtschaftspolitische Rahmen nicht. Aber wir wollen den Weg in eine gute Zukunft aufzeigen. Aktuell trüben COVID und Krieg die Aussichten – sichtbarstes Zeichen: die hohe Inflation. Im Jänner 2023 erreichte sie mit 11,1 Prozent den bisherigen Höchststand. Und Schuld daran trugen nicht nur die kriegsbedingten Energiepreise. Oft wurden die Preise weit über der Inflation erhöht, die Inflation dadurch weiter befeuert. Viele Unternehmen fuhren gewaltige Gewinne ein. Die Regierung schaute dem Treiben des „freien Marktes“ zu. Erst auf Druck der Gewerkschaften wurden – wenn auch nur sehr zögerlich – Maßnahmen gesetzt. Wie groß der Fehler der Liberalisierung der Energiemärkte ist, zeigte sich wie schon während der Finanzkrise, als die Deregulierung der Märkte zu fehlenden Eingriffsmöglichkeiten führte.

Wir fordern deshalb:

  • Die zukünftige Wirtschaftspolitik muss auf einen aktiven Staat setzen. Zentrale Leistungen der Daseinsvorsorge wie zum Beispiel Wohnen, Gesundheit, Pflege, Bildung, Wasserversorgung, Abwasser- und Müllentsorgung, öffentlicher Verkehr und Energieversorgung müssen wieder von der Politik im Interesse des Gemeinwohls öffentlich gestaltet, gesteuert und erbracht werden.
  • Nicht nur in der Krise, sondern auch im Hinblick auf die Energiewende wird es notwendig sein, dass die öffentliche Hand aktiv in das Geschehen eingreift. Sowohl Preisregulierungen, zum Beispiel für den Grundbedarf an Energie, als auch öffentliche Bedarfsdeckung müssen möglich sein.
  • Ein gut ausgebauter Sozialstaat ist wirtschaftlich effizienter und soll für alle Menschen die soziale Sicherheit weiterentwickeln. Es ist sowohl der Lebensstandard bei Krankheit, Alter und Arbeitslosigkeit zu sichern als auch die Gefahr des Abrutschens in die Armut zu verhindern. Eine ausreichende Finanzierung muss bereitgestellt werden.
  • Im Sinne des 6. Weltklimaberichtes ist zukünftig ein nachhaltiger Pfad zu beschreiten, auf welchem statt Wirtschaftswachstum zunehmend das menschliche Wohlbefinden im Mittelpunkt steht. (…) Das darf nicht dem Markt überlassen werden. Dafür braucht es eine aktive soziale Gestaltung und Lenkung durch den Staat. Grundlegend dabei sind Investitionen in die Infrastruktur, die für das Arbeitsleben und das Wohlergehen der Menschen bedeutend sind.

    Alle Forderungen, weitere Details und umfassende Analysen der aktuellen Situation findest du im „ÖGB-Programm 2023–2028“

 

 

Märkte brauchen Kontrolle

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Die Liberalisierung der Energiemärkte hätte die Preise senken sollen: Das Ziel wurde weit verfehlt. Es wurde ein falscher Weg eingeschlagen. Ohne Kontrolle der entfesselten Märkte geht es nicht – das hat die Energiekrise eindrucksvoll bewiesen. Profitiert haben nur große Konzerne. Neben horrenden Preisen gingen außerdem viele Arbeitsplätze verloren, die Versorgungssicherheit leidet nachhaltig. Österreich setzte die europäischen Vorgaben zu Liberalisierung und Privatisierung sogar schneller um als verlangt – leiden müssen darunter die Arbeitnehmer:innen.

Wir fordern deshalb:

  • Die Re-Regulierung des Energiemarktes und eine fundamentale Reform des Energieversorgungssystems, wie zum Beispiel eine Entkoppelung des Strompreises vom Gaspreis für die Stromerzeugung,
  • Regeln für Börsen und das Verbot spekulativer Aktivitäten auf den Energiemärkten,
  • Die Sicherstellung der Energieversorgung für Haushalte und Unternehmen zu leistbaren Preisen bei gleichzeitiger Nutzung von Energiesparpotenzialen und
  • dass Energieunternehmen zur Bereitstellung eines bestimmten Anteils an Energie zur Grundversorgung verpflichtet werden müssen. Für die Grundversorgung sind die Preise festzusetzen (Regulierungsbeirat).

 

Alle Forderungen, weitere Details und umfassende Analysen der aktuellen Situation findest du im „ÖGB-Programm 2023–2028“

Es ist Aufgabe des Staates, die Energieversorgung der Bevölkerung zu leistbaren Preisen sicherzustellen – zum Beispiel durch einen Energiepreisdeckel. Wir wollen ein Energiesystem für die Zukunft, das die Herausforderungen auch mit Blick auf die Energiewende bewältigen kann und für die Menschen da ist. Ein liberalisierter Markt ist dafür ungeeignet. 

 

Weniger Steuern auf Arbeit, mehr auf Kapital und Vermögen

Weg vom Kapital, hin zum Faktor Arbeit – das ist leider der Weg, auf dem sich Steuerbeträge in den letzten Jahrzehnten verschoben haben. Heute leisten Arbeitnehmer:innen mehr als 80 Prozent des Steuer- und Abgabenaufkommens, während Vermögen für magere 1,5 Prozent aufkommen und die Körperschaftssteuer sich von 55 Prozent im Jahr 1970 auf 25 Prozent im Jahr 2023 mehr als halbiert hat – und eine weitere Kürzung steht bevor. Das oberste Prozent besitzt mehr als die Hälfte des Gesamtvermögens in Österreich. Der EU gehen durch Steuerbetrug und Steuertricks von Konzernen und Reichen jährlich mehr als 800 Milliarden Euro verloren. Dieses Geld fehlt uns zum Beispiel in der Finanzierung etwa von Gesundheit, Pflege, Schulen oder Kinderbildungseinrichtungen.

Während immer mehr Menschen Probleme haben, ihre Rechnungen zu bezahlen, schreiben Konzerne Rekordgewinne. Wir müssen die Finanzierung des Sozialstaats langfristig sichern. Arbeitseinkommen sollen weniger, Kapital und Vermögen stärker besteuert und Übergewinne der Konzerne in Krisenzeiten abgeschöpft werden.

Wir fordern deshalb:

  • Die Rücknahme der Körperschaftsteuersenkung von 25 Prozent auf 23 Prozent und die Anhebung des Steuersatzes,
  • Die Einführung einer Millionärssteuer auf private Nettovermögen über einer Million Euro sowie die Einführung von Erbschafts- und Schenkungssteuern auf große Vermögensübertragungen sowie eine Reform der Besteuerung von Stiftungen,
  • die Einführung einer Finanztransaktionssteuer,
  • eine wirksamere Abschöpfung von krisenbedingten Übergewinnen,
  • einen Solidaritätszuschlag für Einkommen über einer Million Euro,
  • die Einführung einer Wertschöpfungsabgabe,
  • die Schaffung ökologischer Alternativen durch Ausweitung der öffentlichen Klimainvestitionen und -förderungen, zum Beispiel für die Anschaffung klimafreundlicher Heizungssysteme,
  • einen fairen sozialen Ausgleich der Mehrkosten bei Öko-Steuern für kleinere und mittlere Einkommen (Reform der Pendlerpauschale – Umwandlung in einen einkommensunabhängigen Absetzbetrag),
  • die Ökologisierung der Pendlerpauschale durch einen Öffi-Bonus und
  • die Beendigung steuerlicher Bevorzugung des Flug- und Seeverkehrs auf internationaler Ebene sowie EU-weite Mindeststeuern auf Kerosin und Schiffsdiesel.

 

Alle Forderungen, weitere Details und umfassende Analysen der aktuellen Situation findest du im „ÖGB-Programm 2023–2028“

Außerdem muss die Ökologisierung des Steuersystems in Zeiten der Klimakrise vorangetrieben werden. Ohne ökologische Alternativen kann eine CO2-Bepreisung keine Lenkungswirkung entfalten. Massive ökologische Investitionen und höhere Förderungen für Haushalte und Unternehmen sind nötig – auch durch die öffentliche Hand: Vom Heizungstausch über den Ausbau des öffentlichen Verkehrs bis zur Umstellung von Produktionsprozessen. 

 

Staat muss Rolle als Eigentümer wahrnehmen

Wir fordern deshalb:

  • Eine Flexibilisierung des EU-Beihilfenrechts zur Erreichung der Klimaziele sowie den Erhalt von Industriestandorten und Arbeitsplätzen in Europa,
  • Öffentliches Eigentum statt Standortschließungen, zum Beispiel durch einen staatlichen Beteiligungsfonds,
  • Investitionen in Schlüsseltechnologien und Zukunftstechnologien sowie den Aufbau und Ausbau lokaler Wertschöpfungsketten,
  • Staatliche Mittel zur Förderung der Beschäftigung sowie der Aus- und Weiterbildung für vom Strukturwandel betroffene Unternehmen (zum Beispiel Klima, Digitales),
  • Die Sicherstellung von umfassenden Investitionskontrollen: Im Ernstfall muss die öffentliche Hand einen Ausverkauf von strategisch wichtigen Unternehmen, kritischer Infrastruktur und Technologien jederzeit effektiv unterbinden können,
  • Eine effizientere Förderung von Forschung, Technologie und Innovation sowie
  • den Ausbau der betrieblichen Beteiligung und Mitbestimmung.

 

Alle Forderungen, weitere Details und umfassende Analysen der aktuellen Situation findest du im „ÖGB-Programm 2023–2028“

Österreichische Unternehmen sollen Vorreiter sein in der digital-ökologischen Transformation. Dazu gehört neben einer Ökologisierung des Steuersystems auch ein aktiv handelnder Staat. Gute Arbeit und gute Arbeitsbedingungen, soziale Absicherung und Stärkung der betrieblichen Mitbestimmung sind wesentlich. Nicht zuletzt die Pandemie hat einmal mehr die Vorteile staatlicher Unternehmensbeteiligungen verdeutlicht. Wir verlangen vom öffentlichen Eigentümer ein klares Bekenntnis zum Erhalt bzw. Ausbau seiner Rolle als strategischer Mehrheits- oder Alleineigentümer der wichtigsten Unternehmen unseres Landes. Um Beschäftigung zu erhalten, ist das Vorantreiben neuer Technologien in zukunftsorientierten Feldern unerlässlich. Unternehmen, die für europäische Wertschöpfungsketten zentral sind, dürfen nicht unter die Kontrolle von Drittstaaten fallen. 

 

Daseinsvorsorge für alle sichern

Für ein Funktionieren der Daseinsvorsorge fordern wir:

  • Keine weiteren Liberalisierungen und/oder Privatisierungen: Öffentliche Infrastruktur und öffentliche Leistungen sind in der Hand von Gemeinden, Ländern oder Staaten zu belassen,
  • Überprüfung bereits stattgefundener Liberalisierungen bzw. Privatisierungen und Rückführung in die öffentliche Hand, wo dies notwendig ist, um eine leistbare Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen,
  • der Grundsatz der weitreichenden Selbstbestimmung der Mitgliedsstaaten, Bundesländer und Gemeinden im Bereich der Daseinsvorsorge muss im EU-Recht verankert werden.

 

Alle Forderungen, weitere Details und umfassende Analysen der aktuellen Situation findest du im „ÖGB-Programm 2023–2028“

Wasserversorgung, Gesundheit und Pflege, Bildung oder öffentlicher Verkehr – all das und vieles mehr zählt zur Daseinsvorsorge und hat einen gemeinsamen Nenner: das Gemeinwohl. Was allen dienen soll, darf aber nicht von Profitinteressen zerstört werden. Liberalisierungen und Privatisierungen von wichtigen Dienstleistungen führen zu sinkender Qualität und (oft horrend) steigenden Kosten; eine flächendeckende Versorgung gibt es dann oft nicht mehr. Beispiele dafür gibt es mehr als genug – etwa in Großbritannien oder Frankreich. Ähnliches hat in Österreich in diesem erschreckenden Ausmaß noch nicht stattgefunden und das muss auch so bleiben: Die Daseinsvorsorge muss erhalten und ausgebaut werden und gute Arbeitsbedingungen bei der Erbringung öffentlicher Dienstleistungen müssen gesichert werden. 

 

Spekulation ohne Kontrolle: „Schattenbanken“ als Gefahr

Zwar wurden die Eigenmittelanforderungen des Bankensystems im Zuge der Finanzkrise erhöht, die Re-Regulierung insgesamt blieb aber schwach – und die Folgen sehen wir täglich. Die Risiken haben sich ins „Schattenbanksystem“ verlagert; eine große Gefahr für die Stabilität des globalen Finanzsystems, denn diese Aktivitäten finden außerhalb des Bankensystems und damit auch außerhalb der dort üblichen Kontrolle statt. Güter des täglichen Bedarfs dürfen keine Spekulationsobjekte sein, sind das aber längst geworden. Preise orientieren sich oft ausschließlich an internationalen Börsen. Einen Zusammenhang zu den Herstellungskosten gibt es nicht mehr. In der Energiekrise oder bei den Kosten für Agrarstoffe wurde uns das einmal mehr vor Augen geführt. Aber: Die internationale Politik steht diesen Spekulationsgeschäften weitgehend hilflos gegenüber und unternimmt zu wenig.

Für einen sinnvoll gestalteten Finanzmarkt fordern wir:

  • Die Kernfunktion des Finanzsektors ist ins Zentrum der Regulierungsmaßnahmen zu stellen, das heißt die Finanzierung langfristiger realwirtschaftlicher Investitionen von Unternehmen, Haushalten und der öffentlichen Hand,
  • eine Bankenstrukturreform: Trennung von Investmentbanken sowie Kommerzbanken und Sparinstituten, um die traditionellen Einlagen der Sparer:innen vom Investmentbank-Risiko zu entkoppeln, und
  •  Risiken, die von den Finanzmärkten auf die Gesamtwirtschaft ausgehen, müssen durch eine umfassende Regulierung der Finanzmärkte ausgeschlossen werden.

 

Alle Forderungen, weitere Details und umfassende Analysen der aktuellen Situation findest du im „ÖGB-Programm 2023–2028“

Das Finanzsystem soll der Finanzierung realwirtschaftlicher Investitionen dienen. Das war das Ziel, das nach der Finanzkrise formuliert wurde. Es ist in weite Ferne gerückt. 

 

Das beim 20. Bundeskongress beschlossene „ÖGB-Programm 2023–2028“ ist die Basis unserer Arbeit in den nächsten Jahren. Aufbauend auf den Analysen unserer Experten und Expertinnen ist es unser Programm für die Zukunft – nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht. Von Klima und Transformation über soziale Sicherheit, Pflege, Armut, Bildung, Arbeit, Demokratie oder auch internationalen Themen beziehen wir klar Stellung und sagen auch, wie der Weg zum Ziel aussieht, auf dem niemand zurückbleibt und an dessen Ende ein gutes Leben für alle steht.