80 Jahre ÖGB
„Zusammen sind wir stärker“
Zwei Personalvertreterinnen über ihr Engagement und warum es auch heute wichtig ist, Gewerkschaftsmitglied zu sein
Der ÖGB feiert heuer seinen 80. Geburtstag. Seit acht Jahrzehnten setzt er sich für faire Arbeitsbedingungen, gerechte Löhne und soziale Sicherheit ein. Aus diesem Anlass haben wir mit zwei engagierten Personalvertreterinnen gesprochen: Petra Bauer und Kerstin Koskarti erzählen, warum gewerkschaftliches Engagement heute wichtiger denn je ist – und was sie persönlich motiviert.
Ihr seid schon lange bei der A1 Telekom Austria beschäftigt. Wie kam es dazu, dass ihr euch gewerkschaftlich engagiert?
Petra Bauer: Ich bin seit zwölf Jahren bei der A1 Telekom Austria tätig und dort schon lange in der Personalvertretung aktiv. Angefangen hat alles 2013, als ich am Serviceline-Telefon gearbeitet habe. Damals wurde ich für die Gewerkschaft geworben – und ich bin bis heute dabei. Mittlerweile bin ich Vorsitzende der Bezirksgruppe Wien, Niederösterreich und Burgenland.
Kerstin Koskarti: Ich war über 20 Jahre lang Personalvertreterin und Gewerkschafterin, ebenfalls bei der A1 Telekom Austria. Ursprünglich komme ich aus dem Controlling, aber dort war das Thema Personalvertretung eher unterrepräsentiert. Ich wurde angesprochen, ob ich mitarbeiten möchte – und das habe ich gemacht.
Was war damals eure Motivation, euch aktiv zu engagieren?
Kerstin: Die Geburt meines Sohnes war ein Wendepunkt. Damals habe ich zum ersten Mal erlebt, wie wichtig die Unterstützung durch die Gewerkschaft und den Betriebsrat sein kann – und das wollte ich weitergeben.
Petra: Bei mir war es ein Kollege, der mich früh zur Gewerkschaft geholt hat. Als ich gefragt wurde, war für mich sofort klar: Ich will Mitglied werden. Das war selbstverständlich.
Als Personalvertreterin hört, sieht und erlebt man täglich viel. Welche Herausforderungen erleben Beschäftigte aktuell - speziell auch in eurer Branche?
Petra: Ganz klar: der Jobabbau ist bei uns aktuell ein großes Thema. Viele Arbeitsplätze werden abgebaut oder ins Ausland verlagert. Das spüren wir bei der A1 Telekom stark.
Kerstin: Ja, stimmt. Es gibt aber auch Bereiche wie etwa die Flugsicherung, wo ein massiver Fachkräftemangel herrscht. Man sieht also: Die Herausforderungen sind sehr unterschiedlich – je nach Branche und Unternehmen.
Angesichts dieser Entwicklungen: Warum lohnt es sich auch heute noch, Mitglied in einer Gewerkschaft zu sein?
Petra: Weil es um Solidarität geht. Und: Je mehr Mitglieder, desto stärker sind die Gewerkschaften zum Beispiel bei Kollektivvertragsverhandlungen und können bessere Ergebnisse erzielen – beim Thema Gehalt, Arbeitsbedingungen und vielem mehr.
Kerstin: Viele wissen gar nicht, dass vermeintliche Selbstverständlichkeiten wie das Urlaubs- und Weihnachtsgeld von den Gewerkschaften hart erkämpft wurden. Oder dass Mutterschutz und Lohnfortzahlung bei Krankheit nicht selbstverständlich sind. Das alles gäbe es ohne die Gewerkschaft nicht.
Petra: Genau, viele Leistungen, die heute selbstverständlich erscheinen, hat die Gewerkschaft durchgesetzt. Das könnte auch ganz schnell wieder wegfallen, wenn es keine starken Gewerkschaften gibt.
Warum ist Gewerkschaftsarbeit gerade auch für Frauen so wichtig?
Petra: Weil Frauen oft besonders benachteiligt sind – ob beim Wiedereinstieg nach der Karenz oder bei Themen wie Teilzeit oder Doppelbelastung aufgrund der familiären Situation. Gewerkschaften setzen sich speziell auch für Frauenrechte ein.
Kerstin: Die Pandemie hat da zum Beispiel viel zurückgeworfen. Viele Frauen waren plötzlich für alles allein zuständig: die Arbeit, den Haushalt, die Kinderbetreuung. Da braucht es eine starke Interessenvertretung – gerade für Frauen.
Über welche gewerkschaftliche Errungenschaft freut ihr euch besonders?
Kerstin: Für mich ganz klar, die Mutterschutzregelungen und die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Ohne den Einsatz der Gewerkschaften gäbe es diese Dinge nicht.
Petra: Und wie auch schon erwähnt – das Urlaubs- und Weihnachtsgeld.
Und welche gewerkschaftliche Forderung liegt euch besonders am Herzen?
Petra: Die sechste Urlaubswoche – ganz klar. Sogar ich merke jetzt, mehr Erholung würde mir guttun. Ich bin über 50, arbeite im Büro, merke aber: Die Belastung ist groß, mehr Erholung wäre wichtig.
Kerstin: Absolut. Die sechste Urlaubswoche sollte flächendeckend für alle möglich sein – das ist eine wichtige Gerechtigkeitsfrage.
Der ÖGB feiert heuer sein 80 Jahre Jubiläum. Was wünscht ihr ihm für die Zukunft?
Kerstin: Viele weitere Jahrzehnte voller Engagement, Leidenschaft und Kampfbereitschaft – immer und persönlich an der Seite der Arbeitnehmer:innen. Denn auch wenn die Digitalisierung weiter voranschreitet – der direkte Draht zu den Menschen ist und bleibt das Wichtigste.
Petra: Wir sind nah dran an den Kolleginnen und Kollegen – das ist unser Vorteil und das muss er auch bleiben. Ich wünsche dem ÖGB viele neue Mitglieder und, dass er so weitermacht wie bisher – mit viel Unterstützung und Herzblut.
Zum Schluss: Was würdet ihr Menschen sagen, die noch zögern, Gewerkschaftsmitglied zu werden?
Petra: Werde Mitglied. Denn nur gemeinsam sind wir stark. Und: Wer profitiert, sollte auch solidarisch sein.
Kerstin: Genau – sei kein Trittbrettfahrer. Viele profitieren von den Erfolgen der Gewerkschaft, ohne Mitglied zu sein. Dabei ist gerade heute wichtig, zusammenzuhalten.