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Hintergrund © Celt Studio – stock.adobe.com, J. Stroj © Elisabeth Mandl

Gastkommentar

Reden wir zuerst über gesundes Arbeiten

Pensionsreform? Warum Wertschätzung und Prävention mehr bringen als populistische Pensionsdebatten.

Dieser Artikel ist unter dem Titel „Reden wir zuerst über gesundes Arbeiten“ am 26. Juli 2025 im Kurier erschienen.

Seit Wochen brodelt die politische Diskussion rund um unser Pensionssystem – und in diesem Juli erreichte sie ihren bisherigen Höhepunkt. Vor allem prominente Stimmen aus der Wirtschaft überbieten sich derzeit gegenseitig mit Forderungen nach Verschärfungen für hart arbeitende Beschäftigte. Dabei ist im Pensionsbereich ohnehin einiges in Bewegung: Die Bundesregierung legte kürzlich die Einführung der Teilpension vor – eine neue Maßnahme, bei der man weiterhin arbeitet, aber weniger, und zugleich bereits einen Teil der Pension bezieht. Sie soll jenen Beschäftigten helfen, die noch arbeiten möchten, dies jedoch nicht mehr im bisherigen Ausmaß können. 

Und genau dieses „können“ ist das entscheidende Stichwort – denn ohne Gesundheit, oder besser gesagt ohne gesunde Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, wird jede Pensionsdebatte hinfällig. Was es braucht, ist ein verstärkter Fokus der österreichischen Unternehmen auf alter(n)sgerechtes Arbeiten und ja, das „n“ macht einen Unterschied. Altersgerechte Maßnahmen richten sich in erster Linie an ältere Beschäftigte und ihre spezifischen Bedürfnisse. Alternsgerechtes Arbeiten hingegen nimmt die gesamte Erwerbskarriere in den Blick und setzt viel früher an – also lange bevor man als „alt“ gilt. Es handelt sich um einen präventiven Ansatz, der physische oder psychische Beschwerden frühzeitig verhindert. 

 

Kleine Schritte 

 

Oft sind es schon kleine, leicht umsetzbare Schritte, mit denen Betriebe die Arbeitsfähigkeit ihrer Beschäftigten erhalten können: etwa Hilfen beim Heben und Tragen, eine bessere Beleuchtung oder ergonomisch angepasste Arbeitsgeräte – immer individuell je nach Arbeitsplatz. Dabei gilt: Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer selbst sind häufig die besten Expertinnen und Experten für die gesunde Gestaltung ihres Arbeitsplatzes. Partizipative Ansätze, gemeinsam mit dem Betriebsrat erarbeitet, zahlen sich aus – auch für die Unternehmen. 

Wollen wir Beschäftigte tatsächlich länger im Erwerbsleben halten, dann müssen wir ihnen auch die Möglichkeit geben. 30 Prozent der mittleren und großen Betriebe in Österreich beschäftigen keine einzige ältere Person ab 60. Es gilt, Vorurteile loszuwerden und mehr Wertschätzung in unsere Arbeitskultur zu bringen. Statt ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer pauschal als „teuer“ abzustempeln, lohnt sich ein Blick auf ihre Stärken: Jahrzehntelange Berufserfahrung, die einen souveräneren Umgang mit Krisen oder schwierigen Situationen ermöglicht, steigende soziale oder kognitive Fähigkeiten – und nicht zuletzt eine oft größere Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber. 

 

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Das Wichtigste auf einen Blick

Alternsgerechtes Arbeiten 

 

Wir brauchen keine populistischen Ansagen über „Arbeiten bis 70“ oder vermeintlich gut gemeinte Vergleiche mit Dänemark. Denn dort werden Unternehmen in die Pflicht genommen – was hierzulande nicht der Fall ist. Wir brauchen Rahmenbedingungen, die gesundes Arbeiten bis zur Pension für alle möglich machen. Wir brauchen eine Verankerung von alternsgerechtem Arbeiten in allen Betrieben. 

Und ältere Beschäftigte – sowie jene, die es einmal werden – verdienen vor allem eines: mehr Wertschätzung für ihre Arbeitsleistung. 

Zur Autorin:

Julia Stroj ist Expertin im Referat für Gesundheits- und Sozialversicherungspolitik im ÖGB.