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Gastkommentar Profil Teilzeit Helene Schuberth
Frauen reduzieren nicht nur ihre Erwerbsarbeitszeit, sondern leisten zusätzlich viele Stunden an unbezahlter Pflege- und Sorgearbeit. Und im Ergebnis arbeiten Frauen sogar länger als Männer. Elisabeth Mandl

Arbeitszeit

Teilzeit steuern?

Die Teilzeitdebatte ist vor allem ein Angriff auf Frauen. Vier von fünf Teilzeitbeschäftigten sind weiblich.

Dieser Artikel ist unter dem Titel „Teilzeit steuern?“ am 01. September 2025 im profil erschienen.

Frauen reduzieren nicht nur ihre Erwerbsarbeitszeit, sondern leisten zusätzlich viele Stunden an unbezahlter Pflege- und Sorgearbeit. Und im Ergebnis arbeiten Frauen sogar länger als Männer.

Wirtschaftsliberale Politikerinnen und Ökonomen fokussieren sich (momentan noch) vor allem auf die „freiwillig“ Teilzeitbeschäftigten. Diese werden vom Wirtschaftsminister abwärts als „Lifestyle“-Sozialstaatsgefährderinnen bezeichnet.

Als Allheilmittel zur Eindämmung der Teilzeit wird eine Reform des Steuer- und Abgabensystems präsentiert. Doch diese Vorschläge sind verteilungspolitisch und verfassungsrechtlich bedenklich, in der Praxis kaum umsetzbar – und dienen vor allem dazu, Gutverdiener steuerlich zu entlasten. Die eigentlichen Ursachen von Teilzeit werden dabei völlig ausgeblendet.

Wer Teilzeit einschränken will, muss die strukturellen Gründe angehen: den Mangel an leistbarer Kinderbetreuung, fehlende Pflegeangebote oder altersgerechte Arbeitsplätze. Stattdessen werden Reformideen diskutiert, die das Steuer- und Sozialversicherungssystem massiv umbauen würden.

Mit einem einheitlichen Steuersatz („Flat Tax“) für das gesamte Einkommen soll ein Grundprinzip unseres Steuersystems über Bord geworfen werden, nämlich dass Menschen mit höherem Einkommen auch mehr zur Finanzierung von Sozialstaat, Infrastruktur oder Bildung beitragen können. Ein niedriger Steuersatz würde ein massives Loch in die Staatseinnahmen reißen, ein hoher hingegen die meisten Teilzeitkräfte um vieles schlechterstellen – und übrigens auch viele Vollzeitbeschäftigte: Denn Vollzeit bedeutet nicht automatisch ein hohes Einkommen. Das ist auch der springende Punkt bei Änderungen im Steuersystem: Denn betroffen sind immer alle Beschäftigten, nicht nur jene in Teilzeit.

Steuervermeidung

Auch der Vorschlag einer Besteuerung auf Stundenlohnbasis ist nicht durchdacht: Zwei Personen mit dem gleichen Monatseinkommen, aber unterschiedlichen Stundenlöhnen würden dann unterschiedlich besteuert, nur weil eine Person weniger arbeitet als die andere. Diese Regelung würde auch Tür und Tor zur Steuervermeidung öffnen, wenn Beschäftigte oder Arbeitgeber die Zahl der gemeldeten Arbeitsstunden fiktiv erhöhen.

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Das Wichtigste auf einen Blick

Zuletzt würde auch ein Teilzeit-Malus im Sozialversicherungssystem eine enorme Ungleichbehandlung darstellen. Ein Mindestabgabenbeitrag auf Vollzeitbasis wäre eine hohe Belastung für jene, die nur wenige Stunden arbeiten können, und ein Angriff auf das solidarische Versicherungsprinzip. Denn auch Menschen mit niedrigem (Teilzeit-)Einkommen müssen die gleichen Leistungen erhalten. Wenn an diesem Prinzip einmal gerüttelt wird, könnten Angriffe auf Arbeitslose, Pensionistinnen, Kranke oder Menschen mit Behinderung folgen.

 

Durch die Möglichkeit, Teilzeit zu arbeiten, hat sich die Zahl unselbstständig beschäftigter Frauen in den letzten 50 Jahren mehr als verdoppelt. 

Helene Schubert, ÖGB

 

All diese Vorschläge würden das Arbeitsvolumen nicht erhöhen, sondern eher verringern. Ein Blick zurück zeigt: Durch die Möglichkeit, Teilzeit zu arbeiten, hat sich die Zahl unselbstständig beschäftigter Frauen in den letzten 50 Jahren mehr als verdoppelt. Wer Teilzeitkräfte steuerlich oder sozialversicherungsrechtlich benachteiligt, riskiert, viele von ihnen wieder aus dem Arbeitsmarkt zu drängen. Hinzu kommt ein Widerspruch: Wenn sich Vollzeit angeblich nicht lohne, warum arbeiten dann zwei Drittel der Beschäftigten Vollzeit? Wären die steuerlichen Anreize so stark, müssten die Vollzeitkräfte eigentlich reihenweise ihre Arbeitszeit reduzieren.

Als erster Schritt sollte für die Zehntausenden von Unternehmen unfreiwillig in Teilzeit gehaltenen Beschäftigten ein Recht auf Mehrarbeit eingeführt werden. Steuerliche Strafen für Teilzeitkräfte sind nicht nur unsozial, sondern auch kontraproduktiv. In einem liberalen, demokratischen Land muss es zudem legitim bleiben, freiwillig Teilzeit zu arbeiten – ohne sich vor einer „Teilzeitberechtigungsprüfungskommission“ (©Jörg Flecker) rechtfertigen zu müssen.