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Kevin Grieve/ Unsplash

Muss ich ständig erreichbar sein?

Die Digitalisierung der Arbeitswelt bringt viele Vorteile mit sich, verändert aber auch den Arbeitsalltag. Immer mehr ArbeitnehmerInnen nutzen in ihren Jobs flexible Arbeitsmodelle und damit die Möglichkeit, per Laptop oder Smartphone an jedem Ort und zu jeder Zeit mobil zu arbeiten. Die Beschäftigten erhoffen sich, so ihre Zeit besser einteilen und an ihre Bedürfnisse anpassen zu können. In der Praxis verschwimmen jedoch dadurch die Grenzen von Privat- und Berufsleben.

Ständige Erreichbarkeit erhöht die Arbeitsintensität

In der mobilen Arbeitswelt wird von den MitarbeiterInnen oft erwartet, ständig erreichbar zu sein. In einer Umfrage der Arbeiterkammer gaben im Jahr 2016 40 Prozent aller Befragten an, auch in der Freizeit ihre beruflichen E-Mails zu checken – 67 Prozent waren außerhalb der Arbeitszeit gelegentlich erreichbar. Rund ein Drittel aller Beschäftigten gab an, auch in der Freizeit zu arbeiten – selbst, wenn sie krank oder im Urlaub sind. Die Beschäftigten haben immer weniger Möglichkeiten, sich Auszeiten zu nehmen und komplett abzuschalten, um ihre Batterien wieder aufzuladen.

Von der ÖGB-Facebook-Community wird die ständige Erreichbarkeit mehrheitlich abgelehnt – ganze 91 Prozent sprechen sich dagegen aus. Hubert F. etwa meint: „Ich war es immer, aber seit ein paar Monaten ist das Diensthandy nach Dienstende ausgeschaltet und der Laptop auch aus – und im Urlaub auch“, und Dietmar V. ergänzt: „Nein, nur in der Arbeitszeit“. 

Was sagt das Dienstrecht zur ständigen Erreichbarkeit?

Prinzipiell darf man sein Diensthandy ausschalten, wenn man den Arbeitsplatz verlässt, und muss nicht mehr für die Chefin oder den Chef erreichbar sein. Ein Diensthandy allein stellt keine Verpflichtung für Erreichbarkeit dar, denn die sogenannte Rufbereitschaft muss ausdrücklich mit dem Arbeitgeber vereinbart werden. Je nach Kollektivvertrag darf die Rufbereitschaft an bis zu zehn Tagen pro Monat außerhalb der Arbeitszeit zum Einsatz kommen bzw. unter bestimmten Umständen auf 30 Tage innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten ausgedehnt werden.

Werden ArbeitnehmerInnen ohne Vereinbarung in ihrer Freizeit zu Arbeitsleitungen herangezogen, handelt es sich um eine angeordnete Überstunde, die zu bezahlen ist. In diesem Fall haben ArbeitnehmerInnen laut Arbeitszeitgesetz auch das Recht, die Überstundenarbeit abzulehnen, wenn „berücksichtigungswürdige Interessen der Überstundenarbeit entgegenstehen“.

Jede Arbeitsstunde muss abgegolten werden

Immer mehr ArbeitnehmerInnen werden zusätzlich in All-In-Verträge gedrängt, die eigentlich für Führungs- und Managementpositionen gedacht sind. Diese Vereinbarungen werden oft als Freibrief gesehen, um Arbeitszeitgrenzen zu überschreiten oder ArbeitnehmerInnen um ihre Überstundenentlohnung zu bringen. Dazu kommt der unter der schwarz-blauen Bundesregierung eingeführte 12-Stunden-Tag, der die ArbeitnehmerInnen zusätzlich unter Druck setzt.

Fakt ist: Jede in der Freizeit geleistete Arbeitsstunde muss abgegolten werden. Gerade bei mobilen Arbeitsformen sollten ArbeitnehmerInnen die Arbeitszeit detailliert aufzeichnen.

Beträchtliche gesundheitliche Auswirkungen

Meistens handelt es sich bei mobilen Arbeitsplätzen um Couches, Kaffeehaustische oder Züge und nicht um ergonomisch ausgerichtete Schreibtische. Dazu kommt mangelnde Beleuchtung oder Umgebungslärm. Das kann zu Kopfschmerzen oder Verspannungen führen und chronische Rückenleiden verursachen.

Der Druck, ständig erreichbar und auf dem laufenden sein zu müssen sowie die meist überlangen Arbeitszeiten sorgen zusätzlich für psychischen Stress. Krankenstände aufgrund psychischer Erkrankungen wie Burnout steigen massiv an. Das schadet nicht nur den einzelnen ArbeitnehmerInnen, sondern verursacht hohe Kosten und belastet somit gesamtwirtschaftlich das Sozialversicherungssystem.

Der Arbeitgeber hat darüber hinaus laut ArbeitnehmerInnenschutzgesetz die ausdrückliche Pflicht, für den Schutz der Beschäftigten zu sorgen. Die Arbeit darf keinen psychischen oder physischen Schaden bei den ArbeitnehmerInnen verursachen.