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ÖGB/ Mazohl

ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian bezeichnet das 750 Mrd. Euro-Investitionsprogramm als "wichtige Weichenstellung für die Zukunft der EU"

Mehr Arbeitslosengeld statt Almosen

oegb.at: Warum lässt der ÖGB nicht locker mit der Forderung, das Arbeitslosengeld zu erhöhen?

Wolfgang Katzian: Weil der Handlungsbedarf mit der Corona-Krise gestiegen ist. Diese Forderung steht schon länger auf der Agenda der Gewerkschaften, aber jetzt wird sie von Tag zu Tag wichtiger – mehr als 560.000 Menschen in Österreich waren im März ohne Arbeit, das ist die höchste Zahl seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, und ein Ende des Anstiegs ist noch nicht in Sicht. Ein trauriger Rekord, der den Handlungsbedarf verdeutlicht.

Die Betroffenen brauchen mehr Geld, wir dürfen sie mit ihren oft existenziellen Sorgen nicht allein lassen. Die derzeit aktuelle Nettoersatzrate von 55 Prozent des letzten Einkommens ist zu wenig, wir hinken auch im internationalen Vergleich hinterher. Deswegen fordern wir die Erhöhung auf 70 Prozent.

Wie viel Geld bekommen Arbeitslose in anderen Ländern Europas?

Das ist unterschiedlich, aber wir liegen in diesem internationalen Vergleich wirklich weit hinten: Spitzenreiter ist Belgien, wo Arbeitslose 90 Prozent ihres letzten Einkommens bekommen. In Lettland sind es 80 Prozent, in Italien 73 Prozent, in Frankreich 64 Prozent und bei unseren Nachbarn in Deutschland sind es 60 Prozent des letzten Lohns oder Gehalts.

Wie bewerten Sie den Fonds der Regierung für arbeitslose Menschen mit Familien?

Der Familienhärtefonds ist begrüßenswert, weil natürlich Familien und ganz besonders AlleinerzieherInnen jede Unterstützung brauchen, um jetzt über die Runden zu kommen. Aber der Fonds ist eine einmalige Soforthilfe in besonderen Notlagen und kann damit nicht ersetzen, was es dringend braucht: eine Aufstockung des Arbeitslosengeldes für alle Betroffenen, ohne dass sie darum wie beim Familienhärtefonds ansuchen müssen. Mehr Arbeitslosengeld statt Almosen.

Was macht Sie zuversichtlich, dass die Regierung einlenkt?

Abgesehen davon, dass die Regierung nicht jede unserer Forderungen sofort erfüllt: die absolute Dringlichkeit. Die Angst der Menschen steigt, in vielen Fällen geht es wirklich um Existenzen. Außerdem wird die Ablehnung einer gesamtwirtschaftlich sinnvollen Maßnahme auf Dauer ja auch schwieriger – mehr Geld bedeutet schließlich mehr Kaufkraft. Eine bessere finanzielle Absicherung von Arbeitslosen und ihren Familien bringt langfristig also auch der Wirtschaft etwas. 

Wir sind hartnäckig, Eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes ist mehr denn je unser Ziel! Ergänzend dazu könnte man schnelle positive Effekte auch durch eine Erhöhung des Familienzuschlags erreichen, der derzeit 0,97 Euro pro Tag und Berechtigtem beträgt. Mit uns kann man über vieles reden, das den Betroffenen das bringt, was sie brauchen: eine verlässliche, konstante Unterstützung, ohne dass sie dafür zu Bittstellern werden müssen.