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Der ÖGB fordert eine Beweislastumkehr. Damit müssen Unternehmer nachweisen, dass kein Arbeitsvertrag vorliegt.

Kampf gegen Scheinselbständigkeit

Der ÖGB fordert eine Beweislastumkehr. Damit müssen Unternehmer nachweisen, dass kein Arbeitsvertrag vorliegt.

Keine Anstellung, keine soziale Absicherung, kein fixes Entgelt, kein bezahlter Urlaub. Menschen, die Fahrdienste erledigen oder Essen zuliefern, haben es oftmals nicht leicht. Kalifornien wird das nun ändern und will Uber, Lyft und Co dazu verpflichten, ihre VertragsarbeiterInnen anzustellen. Die Gesetzesvorlage besagt, dass ArbeitnehmerInnen als Angestellte eines Unternehmens im Sinne des staatlichen Lohngesetzes einzustufen sind, wenn der Arbeitgeber Kontrolle über ihre Arbeit und ihre Leistung ausübt oder sie integraler Bestandteil seines Geschäfts sind. Wie die rechtliche Situation in Österreich aussieht und ob dieses Gesetz auch Europa und Österreich unter Druck bringt, hat oegb.at bei Martin Risak, Universitätsprofessor an der Uni Wien und Karin Zimmermann, Expertin für Gig-Economy und Crowdwork im ÖGB nachgefragt.

oegb.at: Was ist Gig-Economy eigentlich?

Zimmermann: Gigwork ist angelehnt an MusikerInnen, die nur pro Gig/Auftrag bezahlt werden. Eine Plattform vermittelt hier meist kleinere Aufträge an unabhängige Selbstständige, Freiberufler oder freie DienstnehmerInnen. Das sind zum Beispiel Transportdienstleistungen, Essenzustellungen oder Reinigungstätigkeiten. Gigworker erhalten die Arbeitsaufträge über die Plattformen, kommen aber auch direkt in Kontakt mit den AuftraggeberInnen bzw. denKundInnen. Da Gigworker meist nur für eine Plattform und zu deren Bedingungen arbeiten, ist die Abhängigkeit groß.

Was sieht die kalifornische Gesetzesvorlage „Assembly Bill 5“ konkret für die Gig-Economy vor?

Risak: Sie ist eine Maßnahme, die das Ziel hat, Scheinselbstständigkeit zu bekämpfen. Im Kern wird eine gesetzliche Vermutung aufgestellt, dass jemand, der gegen Entgelt für eine andere Person arbeitet, als ArbeitnehmerIn und nicht als SelbständigeR anzusehen ist. Außer der/die VertragspartnerIn weist nach, dass folgende drei Voraussetzungen erfüllt sind: 1. keine Kontrolle über den Arbeitsprozess sowohl auf Grund des Vertrages als auch faktisch; 2. die arbeitende Person erbringt Arbeitsleistungen außerhalb des üblichen Geschäftes der/des VertragspartnerIn; 3. die arbeitende Person übt eine Tätigkeit aus, die üblicherweise als SelbständigeR erbracht wird. Damit müssen die VertragspartnerInnen nachweisen, dass kein Arbeitsvertrag vorliegt, was den Nachweis eines Arbeitsverhältnisses massiv erleichtert.

Wie ist die Situation derzeit in Österreich, was sind die arbeitsrechtlichen Probleme?

Risak: Auch in Österreich gibt es das Problem der Scheinselbständigkeit, das heißt dass Personen als Selbstständige behandelt werden, die eigentlich auf Grund eines Arbeitsvertrages arbeiten. Dann müssen die Arbeitenden ihren ArbeitnehmerInnen-Status nachweisen, was insbesondere in der Plattformwirtschaft sehr schwierig ist, da die Betroffenen keinen Einblick in die tatsächliche Arbeitsorganisation haben.

Was bedeutet dieses Gesetz in Kalifornien für Österreich und Europa?

Zimmermann: Es zeigt auf jeden Fall, dass man rechtliche Schritte setzen kann und dass jetzt der Moment ist, etwas voranzutreiben. Es liegt nicht daran, dass man nichts tun kann, sondern rein am politischen Willen. Dennoch muss man erstmal beobachten, wie das Gesetz genau umgesetzt wird und ob und wie sich Uber und Co aus diesen Vorgaben herausschummeln wollen. Denn Uber, Lyft und Doordash haben bereits ein Referendum vorbereitet, um Ausnahmen für ihre Unternehmen zu erwirken. 

Was muss aus arbeitsrechtlicher Sicht in Österreich passieren?

Risak: Es wurde schon in der Vergangenheit vorgeschlagen – ähnlich der Lösung in Kalifornien – eine gesetzliche Vermutung für ein Arbeitsverhältnis zur Plattform aufzustellen. Es läge dann an der Plattform zu beweisen, dass kein Arbeitsverhältnis vorliegt oder dass jemand anderes VertragspartnerIn ist. Das würde es Betroffenen massiv erleichtern, ihren ArbeitnehmerInnen-Status einzuklagen und es auch weniger attraktiv erscheinen lassen, Personen in die Scheinselbständigkeit zu drängen.

Was fordert der ÖGB im Bereich der Gig-Economy?

Zimmermann: Der ÖGB fordert schon lange eine Beweislastumkehr, wie Martin Risak oben beschrieben hat. Das bedeutet ganz einfach, dass alle Personen, die Tätigkeiten für Uber, lieferservice.at, mjam oder ähnliche Unternehmen erledigen, automatisch Angestellte sind. Treffen die Fakten eines Arbeitsverhältnisses nicht zu, müssen die Unternehmen das selbst beweisen. Dadurch kann und soll Scheinselbständigkeit wirksam bekämpft und eingedämmt werden.