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Salzburg

Es braucht mehr Geld für die Pflege!

Interview mit Zentralbetriebsrätin in den Salzburger Landeskliniken Sabine Gabath.

Sabine Gabath ist Zentralbetriebsrätin in den Salzburger Landeskliniken und schon seit ihren Jugendjahren in der Pflege tätig. Im Interview erzählt sie uns von den Problemen und Versäumnissen, die in der Pflege durch COVID-19 sichtbar werden und stellt konkrete Forderungen an die Bundesregierung.

 

Sabine Gabath benutzt im Interview die weibliche Form. Männer sind mitgemeint.

 

Durch die COVID-19 Pandemie werden gerade die Probleme deutlich sichtbar, die viele Arbeitnehmerinnen im Pflegebereich schon seit Jahren aufzeigen. Auch du kämpfst seit langer Zeit für Verbesserungen im Pflegebereich. Was läuft hier deiner Meinung nach falsch?

 

Jahrelang wurden Maßnahmen gesetzt, um die Kosten im Gesundheitsbereich zu senken. Anstatt die Erfordernisse im Gesundheitsbereich zu analysieren und die Finanzierung entsprechend zu gewährleisten, hat man lediglich versucht, die Kosten zu senken. Gerade in Bereichen wie der Pflege ist das ein großes Problem, wenn man nur die Zahlen im Blick hat.

 

Der Pflegeberuf ist ja grundsätzlich ein sehr schöner Beruf, weil er ein Dienst am Menschen ist und man das Menschliche immer in den Mittelpunkt rücken muss. Vor allem die Einsparungen beim Pflegepersonal in den österreichischen Krankenhäusern sind problematisch, nicht nur für die Arbeitnehmerinnen im Pflegebereich, sondern auch für die Patientinnen.

 

Parallel zu den Einsparungen hat sich die Medizin weiterentwickelt. Die Aufenthaltsdauer der Patientinnen wurde dadurch drastisch reduziert. Für die Patientinnen ist dieser Umstand insofern positiv, weil sie kürzer im Krankenhaus verweilen und viele Operationen mittlerweile auch ambulant möglich sind.

 

Gleichzeitig stieg aber auch der Verwaltungsaufwand. Die Dokumentation obliegt dabei der Pflege, weshalb dem Pflegepersonal noch weniger Zeit bleibt, um sich um die Patientinnen zu kümmern. Darunter leiden sowohl die Pflegekräfte als auch die Patientinnen. Hinzu kommt, dass einige Bereiche aus Kostengründen ausgelagert wurden.

 

Welche Bereiche betrifft das?

 

Berufsgruppen wie Patientenservice und Reinigungsfirmen wurden ausgelagert, um die Pflege zu entlasten und Kosten zu senken. Diese Firmen arbeiten aber oft rein profitorientiert und manche stellen ihre Mitarbeiterinnen meist unter der Kollektivvertragsgrenze an. Sie halten sich teilweise auch nicht an rechtliche Grundlagen. Da somit nicht alle Leistungen wie erforderlich erledigt werden, v.a. wenn es um frische Wäsche und Essen geht, übernehmen die Pflegekräfte diese Tätigkeiten wieder.

 

Der Personalschlüssel passt damit überhaupt nicht mehr zu den Erfordernissen, weil viele diplomierte Pflegefachstellen der Pflege entzogen wurden, um sie „günstigeren Hilfsfirmen“ zu übertragen. Es fehlt von vorne bis hinten am Personal. Ein Mangel, der gerade jetzt in der COVID-19 Pandemie sichtbar wird, auf den wir aber schon all die Jahre davor aufmerksam gemacht haben.

 

Was kann man tun, um dem Personalmangel entgegen zu wirken?

 

Es braucht einen realistischen Personalschlüssel, damit auch genügend Pflegekräfte eingestellt werden können. Hinzu kommt, dass man Investitionen in die Ausbildung tätigen muss. In den letzten Jahren wurde nur mehr die Bachelorausbildung forciert, die Angebote zur Ausbildung als Pflegefachassistenz sind viel zu gering. Gleichzeitig müssen aber auch die Rahmenbedingungen verbessert werden, denn viele ausgebildete Pflegekräfte haben den Beruf verlassen, weil sie diese Belastung nicht mehr aushalten.

 

Durch die Registrierung der Gesundheitsberufe müsste eigentlich klar ersichtlich sein, dass bald der Pflegenotstand erreicht ist, auch ohne COVID-19. Leider wurde die Auswertung der Registrierungsberufe bislang nicht veröffentlicht. Das Thema wird jetzt durch COVID-19 ein bisschen ins Zentrum gerückt, aber es fehlt an Maßnahmen zur Problembewältigung und es ist zu befürchten, dass nach der Pandemie das Problem wieder totgeschwiegen wird. Das österreichische Motto „des moch ma scho“ kann hier zur echten Katastrophe werden, wenn nicht schnell gehandelt wird.

 

Was wünscht du dir von der Bundesregierung?

 

Die Bundesregierung soll endlich die Registrierungsdaten der Gesundheitsberufe offenlegen. Gleichzeitig sollen Investitionen in die Ausbildung der Pflegefachassistenz getätigt werden, damit an den Krankenpflegeschulen mehr Plätze geschaffen werden. Dazu braucht es aber auch Investitionen in die Infrastruktur, also finanzielle Mittel für Unterrichtsräume und Krankenpflegepädagoginnen. Gerade jetzt gibt es viele, auch junge Menschen, die gerne in diesen Beruf einsteigen möchten.

 

Die Arbeitszeit muss deutlich reduziert werden. Wir arbeiten derzeit 39,5 Stunden pro Woche und das im Schicht- und Wechseldienst. Das kann man als junger Mensch noch leichter verkraften aber je älter man wird und je länger man das macht, desto schlimmer sind die Auswirkungen auf die eigene Gesundheit. Dieser Arbeitsalltag erhöht die Gefahr einer Krebs-, Herz- oder Nierenerkrankung um 40 Prozent.

 

Durch die Reduktion der Arbeitszeit und die Schaffung längerer Phasen der Erholung, könnten auch die älteren Kolleginnen gesünder bleiben und es würden weniger den Beruf verlassen. Es braucht außerdem eine bessere Wertschätzung und Einstellung gegenüber den Pflegekräften und ihrer Leistung.

 

Was genau stellst du dir hier vor?

 

Der Beruf der Gesundheits- und Krankenpflege muss endlich auf Augenhöhe, also auf dieselbe Stufe wie die Ärztekammern und Apothekenkammern gestellt werden. Dafür braucht es z.B. gerade im ländlichen Raum mehr Gesundheitszentren, wo man nicht nur den Arzt, sondern auch die Krankenpflegerinnen aufsuchen kann, wenn man medizinische Hilfe braucht. Viele medizinische Dienstleistungen obliegen ja ohnehin den Pflegekräften und nicht den Ärztinnen, z.B. wenn es darum geht, einen Verband zu wechseln oder sich einen medizinischen Rat zu holen. In anderen Ländern, wie z.B. Schweden, den Niederlanden oder den USA hat man damit schon sehr gute Erfahrungen gemacht. Warum also nicht auch in Österreich?

 

Ich sehe auch keinen Grund, dass jene Pflegekräfte, die in der Hauskranken- oder Altenpflege arbeiten immer zum Arzt gehen müssen, wenn es um die Bestellung von Verbandsmaterial oder Medikamente, die dauerhaft eingenommen werden müssen, geht.

 

Derzeit ist es ja auch so, dass die Pflegekräfte es sind, die erkennen, wenn es Probleme mit Medikamenten oder Gesundheits-Werten geht. Die melden das dann dem Arzt, der sich dann um die Bestellung kümmert. Diesen Prozess könnte man vereinfachen und damit würde den Pflegekräften auch wieder mehr Zeit bleiben, sich mit den Patientinnen zu beschäftigen, statt in dieser Zeit wieder zum Arzt zu gehen.

 

Es wäre auch wesentlich sinnvoller, wenn Pflegekräfte die Pflegeeinstufung und Pflegegutachten machen würden, denn sie wissen wesentlich besser, wie hoch der Pflege-Bedarf wirklich ist. Hier entscheiden Ärzte über die Tätigkeiten der Pflege. Sowas wäre ja umgekehrt auch undenkbar.