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Oberösterreich

Endlich die nächsten Schritte in der Pflege setzen!

Gewerkschaften und Beschäftigte zeigen Lösungen auf

Die Corona-Situation in Österreich und speziell in Oberösterreich bleibt weiter angespannt. In den oberösterreichischen Krankenhäusern sind mehr als 70 Prozent der Covid-Intensivbetten (mehr als 130) belegt, in fast 100 Alten- und Pflegeheimen sind mehr als 400 MitarbeiterInnen und mehr als 500 BewohnerInnen mit dem Corona-Virus infiziert. „Auch wenn die Regierung in dieser Woche viele Lockdown-Maßnahmen zurückgenommen hat, ist die Lage weiterhin kritisch – für die PatientInnen und BewohnerInnen, aber insbesondere auch für die Beschäftigten in den Gesundheits- und Pflegeberufen“, sagt Helmut Woisetschläger, Landesvorsitzender der Gewerkschaft vida Oberösterreich. Nach einer kurzen Verschnaufpause im Sommer sind sie seit zweieinhalb Monaten mit teils dramatisch hohen täglichen Infektions- und Hospitalisierungszahlen konfrontiert.

Für die Kolleginnen und Kollegen, die in ihrem Arbeitsalltag täglich die Auswirkungen dieser Krise spüren, ist die Situation ungemein belastend. Sie arbeiten sowohl in den Heimen als auch in den Spitälern „am Anschlag“. Neben dieser physischen Belastung kommt auch eine hohe psychische Belastung dazu, die sich in der aktuellen Covid-Krise noch einmal verschärft hat.

Personalmangel ist lange bekannt

„Wir sind in diese Krise mit einem Personalmangel von etwa 20 Prozent im Normalbetrieb gegangen. Jetzt kommen in den Spitälern covidbedingte Ausfälle von im Schnitt fünf bis sieben Prozent hinzu. In vielen Heimen ist die Zahl der Ausfälle sogar noch viel höher“, sagt Woisetschläger. Die Arbeiterkammer Oberösterreich hat vor eineinhalb Jahren eine Krankenhaus-Studie veröffentlicht, nach der allein in den oberösterreichischen Spitälern 2500 Beschäftigte fehlen. Die Politik allerdings ist untätig geblieben, das Gesundheitssystem auszubauen. Im Gegenteil: Mit der Fortführung der Spitalsreform wurden weiterhin Bettenkapazitäten abgebaut – gegenüber dem Jahr 2000 sind es mehr als 1100 weniger. Bis 2025 sollen es noch einmal 130 weniger werden.

Was hat diese Situation bewirkt? Derzeit gibt es MitarbeiterInnen, die bis zu 1000 Überstunden angesammelt haben. Die Politik hat verschuldet, dass diese KollegInnen völlig am Limit sind. Und die Lage wird sich auch bei einem Rückgang der Corona-Infektionszahlen nicht unmittelbar verbessern. Durch die Covid-Krise sind viele Operationen nach hinten verschoben worden, die irgendwann nachgeholt werden müssen. „Für die Beschäftigten heißt das: Es gibt kein Verschnaufen, es wird in absehbarer Zeit keine Normalität eintreten, sondern es geht mit Vollgas weiter. Durch diese hohen Belastungen besteht akute Gefahr, dass MitarbeiterInnen ausbrennen, vielleicht sogar dauerhaft ausfallen“, warnt Woisetschläger.

Ständiges Vollgas geht an die Substanz

„Dieses ständige Vollgas halten die MitarbeiterInnen auf Dauer nicht aus. Wir sehen es bereits jetzt, dass viele kurz davor sind, aufzugeben. Die Arbeitsbedingungen müssen besser werden, um die KollegInnen in den Berufen halten und neue MitarbeiterInnen finden zu können“, sagt Erwin Deicker, Betriebsratsvorsitzender des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder in Linz. „Die Belastung ist in allen Bereichen hoch – besonders natürlich auf den Covid-Stationen, wo die KollegInnen den ganzen Tag Schutzausrüstung tragen müssen. Nach einer halben Stunde ist man waschlnass, ich kann nur jeden Politiker einladen, das einmal zu versuchen. Vielleicht hilft das, um zu verstehen, unter welchen Bedingungen die KollegInnen Tag für Tag arbeiten müssen“, so Deicker weiter.

Auch in den Pflegeheimen stehen die KollegInnen an der Belastungsgrenze. „Die MitarbeiterInnen sind fertig. Schon vor Corona waren wir mit Personalmangel konfrontiert, nun kommen natürlich vermehrt Krankenstände und Quarantäne dazu. Die KollegInnen wissen nicht, wie es weitergehen soll“, schildert Cornelia Gebetsroither, als Personalvertreterin zuständig für das Alten- und Pflegeheim in Lenzing. Die Corona-Krise macht die Arbeit für das Personal auch aufwändiger. „Die KollegInnen sind oftmals der einzige Sozialkontakt, den die BewohnerInnen haben. Das bedeutet, dass die Betreuung viel intensiver sein muss. In zwei Wochen ist Weihnachten und da ist es für alle Beteiligten eine besondere psychische Belastung, dafür zu sorgen, dass in einer Extremsituation so etwas wie Normalität vermittelt werden kann“, sagt Gebetsroither.

Vorhandenes Potential heben – 1250 Arbeitslose mit Ausbildungen

Der schon vor der Krise vorhandenen Arbeitsverdichtung, die sich nun verschärft hat, muss so rasch wie möglich entgegengewirkt werden. Die erste Maßnahme dazu ist eine Anpassung der Personalberechnungsmethode. Im Klartext heißt das: mehr Personal für die Spitäler und Heime.

In diesem Zusammenhang wird immer das Argument vorgetragen, es gäbe das Personal schlichtweg nicht. Das ist falsch. In Oberösterreich sind derzeit ca. 1250 Menschen, die eine Ausbildung im Gesundheits- und Pflegebereich absolviert haben, arbeitslos gemeldet. Mit diesem Potential könnte schon kurzfristig eine Entlastung für die Heime und die Spitäler geschaffen werden. „Um möglichst viele von einer Rückkehr überzeugen zu können, muss sich allerdings schleunigst an den Arbeitsbedingungen etwas ändern. Nur so kann man glaubhaft vermitteln, dass die negativen Erfahrungen, die viele gemacht haben, der Vergangenheit angehören“, sagt younion-Landessekretär Mario Kalod.

Entlastung durch zusätzliches Hilfspersonal

In allen Bereichen muss zusätzliches Hilfspersonal aufgenommen werden. Gerade in den Alten- und Pflegeheimen, aber auch in den Spitälern ist es nach wie vor an der Tagesordnung, dass etwa Reinigungs- oder hauswirtschaftliche Tätigkeiten von im Gesundheits- und Pflegebereich ausgebildeten KollegInnen erledigt werden müssen. „Sie müssen entlastet werden – auch das kann angesichts von mehr als 40.000 arbeitslosen Menschen in Oberösterreich kurzfristig umgesetzt werden“, sagt Kalod.

Spätestens mit dem Heben dieser Potentiale muss auch eine Pausengestaltung ermöglicht werden, die eine echte Erholung für die Beschäftigten bietet. Das kann sowohl eine Maskenpause als auch eine bezahlte Mittagspause sein – und zwar verpflichtend für alle Bereiche, nicht nur abhängig vom guten Willen der Vorgesetzten.

Einstieg erleichtern

Um den Einstieg auch für Hilfskräfte attraktiv zu gestalten, soll ein klarer Plan zu einer möglichen Aufqualifizierung erstellt werden. Hilfskräften soll die Möglichkeit geboten werden, eine Ausbildung im Pflegebereich zu absolvieren. Sind diese bereits im Heim- oder Spitalsbetrieb integriert, können sie sich bereits ein klares Bild ihrer künftigen Aufgaben machen.

Die Sorge, abseits der Krise später ein Überangebot an Pflegekräften vorzufinden, ist völlig unbegründet. „Erstens steht die Baby-Boomer-Generation kurz vor der Pension und zweitens wird die demographische Entwicklung künftig den Bedarf steigern lassen. Ein hohes Angebot an ausgebildeten Pflegekräften ist aber auch die Grundlage dafür, dass mittelfristig eine Arbeitszeitverkürzung realisiert werden kann“, sagt Kalod.

Im Bereich der Ausbildung muss das System der Stipendien dringend überarbeitet werden. Derzeit stehen viele, die sich gerne im Gesundheits- und Pflegebereich ausbilden lassen wollen, vor dem Problem, dass sie sich eine Ausbildung gar nicht leisten können. „Die viel zu geringen Stipendien lassen die Aufrechterhaltung des Lebensstandards gerade für UmsteigerInnen nicht zu und machen eine Ausbildung unmöglich“, so der younion-Landessekretär.

Gespräche über Zulagen gefordert

Neben diesen dringenden Erfordernissen muss auch die Wertschätzung für die Kolleginnen und Kollegen für die bisher schon erbrachten Leistungen steigen. Grundsätzlich begrüßen die Gewerkschaften die Auszahlung einer Corona-Zulage durch das Land Oberösterreich, da es sich dabei auch um eine gewerkschaftliche Forderung handelt, die nun offenbar umgesetzt werden soll. Noch völlig unklar ist allerdings der Modus, wer diese Zulagen in welcher Höhe erhalten soll. „Hier laden wir die Landesregierung dazu ein, mit uns in Gespräche zu treten“, sagt Woisetschläger in Richtung Landeshauptmann Thomas Stelzer.

Teststrategie ausbauen

Unmittelbar erreicht werden kann auch eine Erhöhung der Sicherheit für die Kolleginnen und Kollegen, BewohnerInnen und PatientInnen sowie eine Eindämmung der Corona-Ausbreitung in den Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen. Beim Betreten von Krankenhäusern oder Heimen sollen Schnelltests zur Verfügung gestellt werden, um zumindest mit einer hohen Wahrscheinlichkeit ein weiteres „Einschleppen“ des Virus verhindern zu können. Wenn es logistisch möglich ist, an einem Wochenende für alle Menschen in ganz Oberösterreich Testungen zur Verfügung zu stellen, muss auch das möglich sein. Uns sind die Worte „Koste es, was es wolle“ noch zu gut im Ohr.