Pension
Pertele: Wir müssen über die Pensionslücke reden!
Interview mit ÖGB-Landespensionist:innen-Vorsitzender Christine Pertele
Am 4. August haben Männer in Salzburg bereits so viel Pension erhalten, wie Frauen bis Jahresende bekommen. Die Pensionslücke beträgt in Salzburg 40,8 Prozent. Wir haben mit Christine Pertele, ÖGB-Landespensionist:innen-Vorsitzende in Salzburg, über die Gründe dafür gesprochen und nachgefragt, was sich für Frauen ändern muss.
Was sind die Ursachen dafür, dass Frauen immer noch deutlich weniger Pension erhalten als Männer?
Der Slogan: „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ hat sich leider als Mogelpackung erwiesen. Es muss heißen: „Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit“, denn für viele Frauen beginnt die Benachteiligung bereits beim Einstieg in den Beruf. In Wirtschaftszweigen, in denen vor allem Männer arbeiten, sind meist schon die Lehrlingsentschädigungen und die Einstiegsgehälter höher, als in typisch weiblichen Berufen. Der Zylinderkopf zählt mehr als der Menschenkopf. Das betrifft nicht nur die Löhne, sondern auch die Höhe der Zulagen und die Chancen, besser bezahlte Positionen zu erreichen.
Ein weiterer Grund sind Teilzeitarbeit sowie Auszeiten wegen Kinderbetreuung oder Care-Arbeit.
Ein weiterer Grund sind Teilzeitarbeit sowie Auszeiten wegen Kinderbetreuung oder Care-Arbeit. Fast drei Viertel der pflegenden Angehörigen sind Frauen. Die Übernahme solcher Tätigkeiten beginnt oft schon im Schulalter. Da kommt dann noch dazu, dass sich Mädchen und Frauen während ihrer Pflegetätigkeiten weniger mit ihren beruflichen Perspektiven beschäftigen können und auf Aufstiegsmöglichkeiten verzichten müssen. Das niedrigere Pensionsantrittsalter wird ebenfalls gern als Grund genannt. Aber nur zwei von drei Frauen schaffen es, direkt aus ihrem Beruf in Pension zu gehen, bei den Arbeiterinnen sogar nur jede Zweite. Die Frauen scheiden entweder wegen gesundheitlicher Probleme durch die mehrfache Arbeitsbelastung aus dem Erwerbsleben aus oder weil viele Unternehmen keine Jobs für Ältere anbieten. Der Multiplikator-Effekt tut ein Übriges, um mit der „Lebensdurchrechnung“ als Bemessungsgrundlage, die Altersarmut von Frauen zu verschärfen.
Was muss sich ändern, damit die Pensionslücke geschlossen wird?
Die Antwort liegt auf der Hand: Lohntransparenz und gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit. Es darf keine typischen Frauenberufe mit schlechterer Bezahlung als in vergleichbaren Männerberufen mehr geben. Ein negatives Beispiel ist das Tourismusland Salzburg. Die Durchschnittspension von Frauen ist hier um 1.050 Euro geringer als die von Männern. ChatGPT erlaubt einen Einblick die geschlechterspezifische Aufteilung der Berufe: Während Frauen häufig in schlecht bezahlten Service- und Pflegeberufen anzutreffen sind, sind Männer oft in Führungs- und technischen Positionen vertreten. Ich hoffe, dass die EU-Lohntransparenzrichtlinie, die bis Juni 2026 in nationales Recht umgesetzt werden muss, dazu beiträgt, das geschlechterspezifische Lohngefälle zu verringern.
Ein weiterer wichtiger Punkt sind Kinderbetreuung und Care-Arbeit. Hier sind Politik und Wirtschaft gefordert. Die bisher gesetzten Maßnahmen, um Kinderbetreuung nicht ausschließlich weiblich zu gestalten, reichen nicht aus – vor allem nicht, solange Väter meist mehr verdienen als Mütter. Väterkarenz oder Elternteilzeit muss man sich leisten können. Ein flächendeckendes Angebot für Kinderbildung, -betreuung und Pflege fehlt häufig ganz oder ist nur mit ungenügenden Öffnungszeiten verfügbar. Eine faire Anrechnung von Kindererziehungszeiten sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Das gilt auch bei einem Umstieg von Vollzeit auf Teilzeitarbeit, welcher aus diesen Gründen nötig wurde.
Um Frauen vor Altersarmut zu bewahren, wäre es angebracht, Berufsbilder im Hinblick auf Schwerarbeit zu überprüfen.
Derzeit wird darüber diskutiert, das Pensionsantrittsalter anzuheben. Was sagst du dazu und wie würde sich das auf die Pension der Frauen auswirken?
Das gesetzliche Pensionsantrittsalter der Frauen wird seit 1. Jänner 2024 bereits schrittweise angehoben und steigt bis 2033 auf 65 Jahre an. Das könnte zu einem geringfügigen Anstieg der Frauenpensionen führen. Aber nur dann, wenn Frauen Arbeitsbedingungen vorfinden, die alters- und alternsgerecht so gestaltet sind, dass sie bis zur Pension gesund in ihrem Beruf bleiben und Vollzeit arbeiten können. Außerdem müssen Unternehmen bereit sein, Frauen bis zum gesetzlichen Pensionsantrittsalter zu beschäftigen. Hier könnte der Bonus/Malus Vorschlag von Finanzminister Marterbauer einen Anstoß geben.
Um Frauen vor Altersarmut zu bewahren, wäre es angebracht, Berufsbilder im Hinblick auf Schwerarbeit zu überprüfen, damit Frauen tatsächlich bis zum jeweils vorgesehenen Pensionsantrittsalter arbeiten können. Man weiß aus der Medizin, dass es geschlechtsspezifische Unterschiede in der Reaktion des Körpers von Frauen und Männern auf Belastungen und Krankheiten gibt. Ein erster Anstoß könnte die Anerkennung der Pflege als Schwerarbeit gewesen sein, die nach 45 Arbeitsjahren einen Pensionsantritt erlaubt. Die dafür nötigen Kriterien sind allerdings derzeit noch unbefriedigend.
Das Parlament hat auf Vorschlag der Regierung eine Teilpension beschlossen. Ist das aus deiner Sicht eine gute Entscheidung?
Nachdem ÖVP, Grüne und NEOS seinerzeit im Sozialausschuss beschlossen hatten, die Förderung für die sehr beliebte, geblockte Altersteilzeit auslaufen zu lassen, ist die neue Teilpension, für die es weiterhin eine reduzierte staatliche Förderung geben wird, sicher eine gute Alternative. Sie soll dazu beitragen, die Anhebung des Pensionsantrittsalters auf 67 zu verhindern. Es ist das erste Mal, dass Arbeit und Pension kombiniert werden können. Das Modell ist flexibel, sowohl vom Antrittsalter als auch von der gewünschten Arbeitszeit. Je nach dem gewünschten Modell kann die Arbeitszeit um 25%, um 50% oder um 75% reduziert werden. Für diesen Teil wird das Pensionskonto geschlossen und die Pension entsprechend ausbezahlt. Mit dem verbliebenen Anteil an Arbeitszeit bleibt man offiziell beschäftigt, zahlt weiterhin Pensionsversicherung und erhöht somit die künftige Pension. Die Teilpension kann sogar aus der Arbeitslosigkeit beantragt werden. Wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, gilt ein Anspruch auf Teilpension. Die Arbeitszeitreduktion muss allerdings mit dem Arbeitgeber vereinbart werden.