Arbeitsbedingungen
Zehn Jahre Rana Plaza
Wir sprechen im Interview mit ÖGB-Landesgeschäftsführerin Gabi Proschofski über den Einsturz des Fabrikgebäudes Rana Plaza vor zehn Jahren
Rana Plaza steht für das größte Unglück in der Geschichte der Textil- und Bekleidungsindustrie und kostete weit über 1.000 Menschen das Leben. Zehn Jahre Rana Plaza erinnert uns daran, dass es mittlerweile zehn Jahre her ist, dass in Bangladesch ein Gebäude eingestürzt ist, in dem fünf Bekleidungsfabriken beherbergt waren.
Wir haben uns darüber mit ÖGB-Landesgeschäftsführerin Gabi Proschofski unterhalten, die 32 Jahre in der Textil- und Bekleidungsbranche in Österreich gearbeitet hat. Als langjährige Betriebsratsvorsitzende hat sie live miterlebt, wie der Druck in der Branche immer weiter gestiegen ist – und sie hat ihr ganzes bisheriges Leben dafür gekämpft, dass sich die Bedingungen verbessern.
Welche Veränderungen konntest du in der Textil- und Bekleidungsindustrie beobachten?
Der Produktionsstandort Österreich war insbesondere in den 1990er und 2000er Jahren stark von Abwanderung betroffen. Eigentlich betraf das damals ganz West-Europa, denn nach und nach suchten sich Unternehmer:innen Standorte aus, an denen sie billiger produzieren konnten. Durch die zunehmende Globalisierung und das Öffnen der Grenzen, hat sich die Produktion in der Textil- und Bekleidungsbereich v.a. nach Lateinamerika und Südostasien verlagert. Nicht umsonst wird China oftmals „Fabrik der Welt“ genannt. Die Bekleidungsindustrie ist mittlerweile v.a. in Ländern wie Bangladesh beheimatet. Die Arbeits- und Lebensbedingungen sind dort oft menschenunwürdig aber für Unternehmer halt billig. Hier wird der Profit auf Kosten der Menschlichkeit maximiert und diesen Druck haben wir in der Branche ganz massiv zu spüren bekommen.
Inwiefern?
Abbau von Arbeitsplätzen und ein ständiger Kampf um faire Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen – das hat mich meine ganze Betriebsrats-Tätigkeit über begleitet und auch dann noch, als ich meiner Berufung gefolgt bin und im ÖGB zu arbeiten begann. Eigentlich bis heute. Durch die Abwanderung in Billiglohnländer wurden immer mehr Arbeitsplätze bei uns abgebaut. In der Textil- und Bekleidungsbranche wurden sehr viele Sozialpläne verhandelt. Zugleich war die Textil- und Bekleidungsbranche als klassischer Frauenberuf in Österreich immer eher schlecht bezahlt. Daher hat mich auch der Kampf für eine faire Entlohnung mein ganzes Leben lang begleitet.
Als ich dann zum ÖGB gekommen bin, habe ich mich intensiver mit den Hintergründen und Zusammenhängen auseinandergesetzt. Ich durfte in den Salzburger Modeschulen über die Arbeitsbedingungen in der Textil- und Bekleidungsbranche referieren und konnte auch Arbeiter:innen aus den südlichen Ländern kennenlernen, die mir erzählt haben, wie der Alltag bei ihnen aussieht.
Wie hast du den Fabrikeinsturz in Bangladesh damals erlebt?
Ich kann mich wirklich noch sehr gut daran erinnern, weil ich damals fassungslos die Berichte über den Fabrikeinsturz mitverfolgt habe. In all den Jahren, in denen ich mitansehen musste, wie immer mehr Firmen in Billiglohnländer abgewandert sind, war ich sehr wütend. Wütend, weil die Qualität unserer Arbeit nicht wertgeschätzt wurde. Weil der Profit wichtiger war als wir Arbeiter:innen und unsere Tätigkeit. Wir haben unsere Arbeit ja gerne und gut gemacht. Aber es hat keinen interessiert. Und dann sah ich im Fernsehen, wie es den Menschen nun geht, die unsere Arbeitsplätze bekommen haben. Die Frauen und Mädchen, die hier bis zu 16 Stunden täglich arbeiten, ohne Klopausen, ohne Sicherheitsstandards in der Fabrik. Und dann erhalten sie so wenig Geld, dass sie sich nicht mal das Notwendigste, geschweige denn einen Arzt leisten können. Einfach schrecklich.
In all den Jahren, in denen ich mitansehen musste, wie immer mehr Firmen in Billiglohnländer abgewandert sind, war ich sehr wütend. Wütend, weil die Qualität unserer Arbeit nicht wertgeschätzt wurde.
Was kann oder muss man, deiner Meinung nach, tun?
Zum einen kann jede und jeder von uns einen Beitrag durch unser Konsumverhalten leisten. Internationale Kampagnen wie die Clean Clothes Kampagne bieten Infos, worauf wir bei unseren Einkäufen achten müssen.
Außerdem müssen endlich die Lieferketten besser kontrolliert und Unternehmen für Menschrechtsverletzung zur Verantwortung gezogen werden. Dafür kämpfen die Gewerkschaften vor allem auf europäischer Ebene. Und das Wichtigste, was man machen kann bzw. sogar machen muss: Nicht aufgeben.