Alarmstufe Rot bei psychischen Belastungen
Arbeitsplatz als Krankmacher
„Immer mehr Beschäftigte stehen unter massivem psychischen Druck. Die Ursachen liegen häufig in der Arbeitswelt: Überlastung, Personalmangel und permanenter Leistungsdruck bringen viele Menschen an ihre Grenzen“, schlägt Tirols geschäftsführende ÖGB-Vorsitzende Sonja Föger-Kalchschmied im Rahmen eines Pressegesprächs Alarm. Sie betont: „Psychische Gesundheit ist kein Nice-to-have – sie ist die Basis für ein funktionierendes Arbeitsleben!“,
Die Zahlen sind alarmierend: Laut Befragung im Rahmen der Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung der Statistik Austria fühlen sich 60 % der Erwerbstätigen psychischen Risiken am Arbeitsplatz ausgesetzt, 38,3 % leiden unter starkem Zeitdruck oder Überlastung. Rund ein Drittel kämpft mit schwierigen zwischenmenschlichen Situationen. 4,1 % sind von Gewalt bedroht, 3,2 % erleben Mobbing.
Krankenstandstage aufgrund psychischer Belastungen verfünffacht
„Zeitdruck, Überstunden und Personalmangel sind längst keine Ausnahme, sondern Alltag – und dieser Alltag macht krank!“, warnt Föger-Kalchschmied. Die Folgen sind für die Betroffenen und auch die Volkswirtschaft verheerend: Über 40 % der Invaliditätspensionen sind auf psychische Erkrankungen zurückzuführen. Krankenstandstage aufgrund psychischer Belastungen haben sich seit Mitte der 1990er-Jahre mehr als verfünffacht. Die Kosten für die Volkswirtschaft liegen bei 3,3 Milliarden Euro jährlich. „Diese Zahlen zeigen: Es geht hier nicht um Einzelschicksale, sondern um ein strukturelles Problem, das uns alle betrifft – sozial wie wirtschaftlich“, zeigt Föger-Kalchschmied auf.
Arbeitgeber in der Pflicht
ÖGB-Landesgeschäftsführer Benjamin Praxmarer sieht hier die Arbeitgeberseite in der Verantwortung und erinnert an die gesetzlich verankerten Verpflichtungen: „Die Evaluierung psychischer Belastungen ist Pflicht, kein optionaler Goodwill. Wer psychische Gesundheit ernst nimmt, muss Prävention, Betreuung und Sicherheit im Betrieb zusammendenken. Letztendlich profitieren wir alle – auch die Unternehmen – von gesunden und leistungsfähigen Beschäftigten.“ Er fordert unter anderem Arbeitspsycholog:innen verpflichtend als dritte Präventivkraft in allen Betrieben, den gezielten Ausbau von Gesundheitsförderung im Betrieb mit besonderem Augenmerk auf psychischer Gesundheit, mehr Betriebsräte, Schutz vor Gewalt am Arbeitsplatz durch verpflichtende Deeskalations- und Führungskräftetrainings sowie eine einheitliche psychosoziale Versorgung auf Kassenkosten.
Der ÖGB selbst ist bei Bedarf eine entsprechende Anlaufstelle: In allen Tiroler Bezirken bietet der ÖGB in Kooperation mit geschulten Therapeut:innen kostenlose und anonyme Erstberatung bei Mobbing und Burn Out an.
Faire Finanzierung durch Superreiche
"Wer den Ausbau der Gesundheitsversorung fordert, muss auch sagen, wer das bezahlt – und da ist für uns klar, dass endlich auch die Superreichen ihren Beitrag für die Allgemeinheit leisten müssen!“, untermauert Bernd Leidlmair, ÖGB-Regionalvorsitzender Innsbruck und Umgebung, die Forderung nach einer Umgestaltung des Steuersystems. Er betont: „Es geht nicht um den vielzitierten ‚Häuslbauer‘, sondern um die Superreichen in unserem Land! Dieser enorme Reichtum, diese massive Schieflage schadet uns!“ Das Steuersystem sei massiv aus der Balance geraten: Während Arbeitnehmer:innen rund 80 % aller Steuern tragen, liegt der Anteil vermögensbezogener Steuern in Österreich bei nur 1,5 % – weit unter dem OECD-Schnitt. „Das reichste Prozent besitzt mehr in unserem Land als die unteren 90 Prozent zusammen – und zahlt dafür fast nichts. Das ist eine Schieflage, die längst nicht mehr zu rechtfertigen ist. Es ist absurd, dass die zwei reichsten Familien Österreichs mehr Geld als die 50% der Österreicher:innen mit geringeren Einkommen“, so Leidlmair. Eine Millionärssteuer würde vier bis fünf Milliarden Euro pro Jahr in die Staatskassa spülen. „Damit könnte man unsere Gesundheitsversorgung auf gute Beine stellen. Wer Milliarden erbt, noch dazu ohne eigene Leistung, sollte auch einen fairen Beitrag leisten – denn psychische Gesundheit darf keine Frage des Geldbeutels sein“, betont Leidlmair abschließend.