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ÖGB-Vorsitzender Philip Wohlgemuth

Tirol

Philip Wohlgemuth im Interview zur Kurzarbeit III

Philip Wohlgemuth ist seit 2017 Vorsitzender des ÖGB Tirol und seit 2018 Abgeordneter zum Tiroler Landtag. In den vergangenen Jahren hat sich der Tiroler Gewerkschafter mit unermüdlichem Einsatz für die Tiroler Beschäftigten und seinem konsequenten Aufzeigen von Problemstellungen während der Corona-Krise einen Namen gemacht.

 

Lieber Philip, die Sozialpartner haben sich in Windeseile auf Anpassungen bei der Kurzarbeit geeinigt. Kannst du uns da einen Überblick geben?

Philip Wohlgemuth: Die Sozialpartner haben wirklich quasi über Nacht auf den angekündigten Lockdown-light und die Schließungen in Hotellerie und Gastronomie reagiert und einmal mehr ihre Flexibilität unter Beweis gestellt. Am Samstag wurden die Änderungen publik, am Sonntag wurde verhandelt, am Montag lag das angepasste Konzept für die Kurzarbeit III auf dem Tisch.

Die Änderungen im Wesentlichen: Die Arbeitsleistung kann komplett auf Null gefahren werden. Es ist nun möglich, dass ArbeitnehmerInnen in den Lockdown-Branchen ganz zu Hause bleiben, aber trotzdem weiterhin bis zu 90 Prozent ihres Entgelts bekommen. Unternehmer erhalten dafür einen Umsatzersatz, allerdings nur, wenn sie ihre MitarbeiterInnen nicht kündigen. Das war natürlich ein enorm wichtiger Punkt für uns – der Erhalt der Arbeitsplätze muss das Ziel sein. Die Kurzarbeit für den Monat November kann auch rückwirkend bis Freitag, 20.11.2020, beantragt werden. Für betroffene MitarbeiterInnen im Tourismus gibt es vom AMS für November netto 100 Euro, quasi eine Pauschale für entgangenes Trinkgeld.

Bei all diesen Maßnahmen geht es um bestmögliche Absicherung der ArbeitnehmerInnen. Du hast hier allerdings auch auf regionaler Ebene ein ganzes Maßnahmenpaket gefordert. Wie lauten denn deine Rezepte für die Krise?

Unsere Vorschläge im Detail zu erklären, würde hier den Rahmen sprengen, aber im Großen und Ganzen geht es einerseits um konjunkturbelebende Projekte, um Arbeitsmarkt-Initiativen, die Absicherung von jenen über 28.000 Menschen in Tirol, die derzeit händeringend einen Job suchen, und – ein Punkt, der mir persönlich ganz wichtig ist – um die Absicherung von Familien. Wir müssen mit aller Kraft verhindern, dass Kinder die Verlierer dieser Krise werden!

 

Wie schaut die Realität vieler TirolerInnen derzeit aus?

So gut wie jede/r durchlebt auch gerade seine persönliche Krise. Wir bekommen Berichte verzweifelter Eltern, die tagtäglich im familiären Spannungsfeld zwischen Home-Office und Home-Schooling agieren müssen, häufig passiert das am Küchentisch oder an ähnlich improvisierten Orten. Da liegen mittlerweile die Nerven blank. Viele haben aber auch mit massiven Existenzängsten zu kämpfen: Aufgrund von Arbeitslosigkeit oder Einkommenseinbußen wissen sie nicht mehr, wie sie ihre Fixkosten decken sollen. Ich bin überzeugt davon, dass es hier unsere Pflicht ist, den Schwächsten in unserer Gesellschaft unter die Arme zu greifen.

 

Wie genau kann denn diese Unterstützung aussehen?

Ganz wichtig wäre der Rechtsanspruch auf die Sonderbetreuungszeit. Die derzeitige Situation ist für Eltern wirklich unzumutbar, sie werden zu Bittstellern gegenüber ihren Arbeitgebern degradiert. Für mich ist klar: Wenn Kindergarten oder Schule zumacht, muss es möglich sein, dass Eltern sich zu Hause um ihre Kinder kümmern können. Eine Herzensangelegenheit ist für mich auch der Tiroler Nachhilfescheck. Bildung ist der Schlüssel zur Zukunft, da dürfen wir nicht sparen, Kinder dürfen nicht zu den VerliererInnen dieser Krise gehören, da müssen wir entschieden dagegen ankämpfen. 

In puncto Arbeitsmarkt braucht es eine vorübergehende Erhöhung des Arbeitslosengeldes, ein „Projekt 2.000“, das gezielt neue Jobs für Frauen, Ältere und Langzeitarbeitslose Jobs schafft, ein Paket für den Lehrstellenmarkt und einen leichteren Zugang zur Mindestsicherung, deren Erhöhung und den vorübergehenden Verzicht auf den Zugriff auf das Vermögen. 

Für mich ist außerdem klar: Das nächste Konjunkturpaket muss rasch kommen, um die Kaufkraft zu stärken und die Konjunktur zu beleben!

 

Du hast kürzlich mit deiner Idee für einen „Tirol-Scheck“ für Aufsehen gesorgt. Wie genau könnte das denn aussehen?

Jede/r Tiroler/in sollte einen Gutschein im Wert von bis zu 500 Euro bekommen, der im heimischen Handel oder für Tiroler Dienstleistungen eingelöst werden kann. Die tatsächliche Höhe soll sich am jeweiligen Einkommen orientieren, um hier soziale Fairness zu gewährleisten. Hintergrund ist der Gedanke, dass wir wieder für Kaufkraft in Tirol sorgen müssen. Und gerade zu Weihnachten wäre es gut, wenn der heimische Handel und nicht online-Großkonzerne vom Weihnachtsgeschäft profitieren, das würde nicht nur den Handel sondern auch deren Arbeitsplätze stärken. 

 

Warum ist es so wichtig, Mitglied bei der Gewerkschaft zu sein?

Die Sozialpartnerschaft sichert seit Jahrzenten soziale Sicherheit und sorgt für sozialen Frieden, einen Interessensausgleich und die Stärkung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Unsere Stärke sind unsere Mitglieder. Daher unterstützt jeder Beitritt zur Gewerkschaft unsere Forderungen und natürlich auch uns bei den jeweiligen Kollektivvertrags-Verhandlungen und politischen Forderungen. Daher ist es für jede/n einzelne/n Arbeitnehmer wichtig, bei der Gewerkschaft zu sein!