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42 Prozent der in Vorarlberg bei einer Umfrage befragten Lehrlinge haben schon einmal darüber nachgedacht, ihre Ausbildung abzubrechen.

Vorarlberg

Lehrlingsmonitor zeigt Mängel auf

Der dritte österreichische Lehrlingsmonitor von ÖGB, ÖGJ und AK zeigt Handlungsbedarf auf.

„Die Bundesregierung will die Lehre aufwerten – das ist schön, allerdings braucht es dafür mehr als Namensänderungen und Imagekampagnen“, betont ÖGJ-Landesvorsitzende Sophia Berkmann anlässlich der Präsentation des dritten Österreichischen Lehrlingsmonitors von ÖGB, AK und ÖGJ. 5.253 Lehrlinge aus ganz Österreich – 247 davon in Vorarlberg – sind dazu vom Institut für Berufsbildungsforschung (öibf) zu ihrer Ausbildung befragt worden. Das Ergebnis zeigt, dass es in gewissen Bereichen deutliche Verbesserungen braucht. „Der Lehrlingsmonitor soll als Grundlage für eine Aufwertung der Lehre dienen“, erklärt ÖGB-Landesvorsitzender Reinhard Stemmer. „Die Bundesregierung ist aufgefordert, das Ergebnis ernst zu nehmen.“

Viele Überstunden

42 Prozent der in Vorarlberg befragten Lehrlinge haben schon einmal darüber nachgedacht, ihre Ausbildung abzubrechen. „Das ist zwar ein leichter Rückgang gegenüber der letzten Befragung aber immer noch ein sehr bedenklicher Wert“, betont ÖGB-Landesvorsitzender Reinhard Stemmer. Ein Viertel der Befragten wird voraussichtlich auch nicht im Ausbildungsbetrieb bleiben. Die Zustimmung zum Verbleib im Lehrberuf ist mit 76 Prozent zumindest höher. Die Gründe für die Unzufriedenheit zeigt der Lehrlingsmonitor auf. 43 Prozent der befragten Lehrlinge in Vorarlberg gaben an, Überstunden zu machen. Der Durchschnitt bei allen Befragten in Österreich liegt bei 31 Prozent. Weiters gaben über Dreiviertel an, schon einmal krank zur Arbeit gegangen zu sein. Für die ÖGJ-Landesvorsitzende Sophia Berkmann gehört auch das Weiterbildungsangebot verbessert. 47 Prozent der Befragten haben keine Zusatzqualifizierungen oder eine Weiterbildung gemacht.

Unwissenheit über Lehrabschlussprüfung (LAP)

45 Prozent der in Vorarlberg befragten Lehrlinge zweifeln zudem daran, ob sie ausreichend auf die Lehrabschlussprüfung vorbereitet sind. „In einer AHS wäre es undenkbar, dass SchülerInnen nicht wissen, was zur Matura kommt oder wie sie abläuft“, betont Berkmann. „Genau hier muss die Regierung ansetzen, wenn sie es mit der Aufwertung der Lehre ernst meint.“ ÖGB und ÖGJ fordern eine automatische Anmeldung zur LAP durch den Betrieb, verpflichtende Kompetenzchecks zur Mitte der Lehrzeit, um den Ausbildungsstand festzustellen und die regelmäßige Überprüfung der Ausbildungsqualität. „Gesicherte Qualität gibt es zum Beispiel auch durch verpflichtende regelmäßige Weiterqualifizierung der AusbildnerInnen, einen Ausbildungsplan, eine Dokumentation der Ausbildung und regelmäßige Überprüfung des Ausbildungsfortschritts“, so Berkmann. Außerdem fordern Berkmann und Stemmer die Zertifizierung von Lehrbetrieben auf Grund von Qualitätsnormen und regelmäßige Überprüfungen, ob die Normen eingehalten werden.

Ausbildungsangebote für Jugendliche schaffen

„Wenn für die Jugendlichen Ausbildungspflicht bis 18 gilt, dann muss es auch ausreichend Ausbildungsangebote geben“, stellt Stemmer klar. „Das gilt einerseits für Betriebe, die über den Fachkräftemangel klagen.“ Andererseits richtet Stemmer auch einen Appell an die Bundesregierung, die überbetriebliche Lehrausbildung in der derzeitigen Qualität beizubehalten. „Nur der öffentlich finanzierten überbetrieblichen Ausbildung ist es zu verdanken, dass bei uns die Arbeitslosigkeit der unter 19-Jährigen niedriger ist als anderswo.“ Es sei deshalb besonders wichtig, dass Jugendliche ohne Lehrstellen in Betrieben in überbetrieblichen Ausbildungen einen Lehrabschluss machen könnten.

Fachkräftemilliarde: Betriebe fördern, die qualitativ ausbilden

Die Bundesregierung hat angekündigt die Lehrausbildung besser zu fördern und dazu das Vorarlberg-Modell prüfen zu wollen. „Das ist ein guter Ansatz. Die Betriebe zu belohnen, die ausbilden und dafür jene Unternehmen zahlen zu lassen, die es eben nicht tun. Aber nicht nach dem Gießkannenprinzip“, warnt Stemmer. „Wir fordern einen Ausbildungsfonds – eine Fachkräftemilliarde – in den Firmen einzahlen, die nicht ausbilden, obwohl sie es könnten. Betriebe, die qualitativ hochwertig ausbilden, sollen aus diesem Topf Förderungen erhalten.“ Finanziert werden soll der Fonds durch ein Prozent der Jahresbruttolohnsumme durch die Unternehmen.

3. Österreichischer Lehrlingsmonitor – Ergebnisse der Befragung von 247 Vorarlberger Lehrlingen:

34 Prozent der befragten Lehrlinge gaben an, dass ihr Lehrberuf bei der Berufswahl ihr Wunschberuf war.

43 Prozent haben freiwillige und nicht-freiwillige Überstunden geleistet.

78 Prozent gingen schon krank zur Arbeit.

12 Prozent haben keine Arbeitszeitaufzeichnungen oder wissen davon nichts.

42 Prozent haben schon daran gedacht, ihre Ausbildung abzubrechen.

45 Prozent fühlen sich wenig oder nicht gut auf die Lehrabschlussprüfung vorbereitet.

47 Prozent haben keine Zusatzqualifikationen erworben oder einen Kurs/eine Weiterbildung gemacht.

29 Prozent bleiben voraussichtlich nicht in ihrem Ausbildungsbetrieb.

76 Prozent wollen aber im Lehrberuf bleiben.

Die Ausbildungszufriedenheit wurde mit 2,0 bewertet (zuvor 2,1)

(1=Sehr bis 5=nicht zufrieden)

Bereits zum dritten Mal hat das Österreichische Institut für Berufsbildungsforschung (öibf) im Auftrag von ÖGB und AK 5.253 Lehrlinge aus ganz Österreich zu ihrer Ausbildung befragt. 2015 wurde der Lehrlingsmonitor zum ersten Mal durchgeführt. Alle Ergebnisse sind unter www.lehrlingsmonitor.at abrufbar.