Arbeitszeit
Arbeitszeit fair verteilen statt Teilzeit bestrafen
In der aktuellen Debatte um Teilzeitbeschäftigung häufen sich Forderungen nach finanziellen Nachteilen für Teilzeitkräfte – etwa durch höhere Sozialabgaben oder eingeschränkten Leistungszugang. Für den ÖGB Vorarlberg ist das der falsche Weg. Landesvorsitzender Reinhard Stemmer warnt vor einer sozialen Schieflage: „Wer Teilzeitkräfte pauschal unter Druck setzt, schiebt die Verantwortung auf die Falschen. Viele Menschen arbeiten nicht freiwillig Teilzeit, sondern weil es an ganztägiger Betreuung, passenden Jobangeboten oder gesundheitlicher Belastbarkeit fehlt.“ Stemmer spricht sich für einen neuen Ansatz in der Diskussion aus: „Der Weg zu mehr Vollzeitarbeit führt nicht über Zwang und Sanktionen, sondern über eine gesamtgesellschaftliche Reduktion der Arbeitszeit.“
Gerade in einer Zeit steigender Arbeitslosigkeit wirke die wirtschaftspolitische Forderung nach mehr Vollzeitstellen wie ein Widerspruch in sich. „Die Realität ist: Viele würden gerne mehr arbeiten, finden aber keine geeigneten Vollzeitstellen. Gleichzeitig klagt die Wirtschaft über fehlende Fachkräfte, ohne die strukturellen Barrieren anzupacken – das passt nicht zusammen“, so Stemmer. Außerdem arbeiten viele Menschen nicht freiwillig Teilzeit, sondern weil es an leistbarer Kinderbetreuung und an Pflegeangeboten mangelt. Die zentrale Frage lautet daher: Wo genau sollen all diese Vollzeitstellen herkommen – und für wen sind sie tatsächlich zugänglich? Besonders Frauen stemmen unbezahlte Sorgearbeit und sind strukturell in Teilzeit gedrängt. „Wer ernsthaft will, dass mehr Menschen Vollzeit arbeiten, muss zuerst die Voraussetzungen dafür schaffen.“ Stemmer: „Der Weg zu mehr Vollzeitarbeit führt nicht über Zwang und Sanktionen, sondern über bessere Bedingungen und bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Leben.“
Statt Teilzeit zu bestrafen, fordert der ÖGB Vorarlberg eine gerechte Verteilung von Erwerbsarbeit. Die Lösung liege in einer allgemeinen Arbeitszeitverkürzung: „Wenn alle ein Stück kürzer arbeiten, profitieren alle – Teilzeitkräfte, Vollzeitbeschäftigte und Arbeitslose. Das entlastet Menschen, fördert Gesundheit und schafft Platz für jene, die bisher keinen Job gefunden haben.“ Arbeitszeitverkürzung sei dabei kein utopisches Konzept, sondern ein realistischer Weg in eine zukunftsfähige Arbeitswelt. Pilotprojekte zeigen, dass kürzere Arbeitszeiten die Produktivität steigern, Krankenstände reduzieren und die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit verbessern. „Wenn alle weniger, aber fairer verteilt arbeiten, entstehen neue Spielräume – für jene, die heute unfreiwillig in Teilzeit sind, ebenso wie für Arbeitslose, die endlich wieder Perspektiven bräuchten.“
Ein bloßes „Weg von Teilzeit“-Dogma ignoriert die Realitäten und Bedürfnisse der Menschen – und verkennt, dass mehr Druck auf Erwerbstätige und Arbeitslose nicht zu einem besseren Arbeitsmarkt führt, sondern zu mehr Ungleichheit. „Wer den Fachkräftemangel zudem ernsthaft lösen will, muss Arbeit neu denken – nicht mehr, sondern besser.“ Der Fokus muss auf sozial gerechter Arbeitszeitpolitik liegen. Der ÖGB Vorarlberg spricht sich daher klar gegen eine Bestrafung von Teilzeitmodellen aus – und für eine Arbeitszeitpolitik, die an den realen Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen ansetzt.