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Vortrag

Wege aus der Krise

Wege aus der Krise – Barbara Juen beim ÖGB Vorarlberg

Wie wir Krisen erleben und was uns hilft, wieder Boden unter die Füße zu bekommen – darüber sprach Univ.-Prof. Barbara Juen, Chef-Psychologin des Roten Kreuzes und Expertin für Krisen- und Notfallpsychologie an der Universität Innsbruck, bei einem Vortrag im Hotel Martinspark in Dornbirn. Auf Einladung des ÖGB Vorarlberg kamen über 60 Interessierte, um mehr über Wege aus der Krise, innere Stärke und gemeinschaftliche Resilienz zu erfahren.

Begrüßt wurde die Referentin von ÖGB-Landesfrauenvorsitzender Iris Seewald, die betonte, wie wichtig es ist, psychische Gesundheit als Teil sozialer Gerechtigkeit zu begreifen.

Krisen gehören zum Leben – aber sie müssen nicht zerstören

Krisen entstehen, wenn das Gleichgewicht zwischen uns und unserer Umwelt aus den Fugen gerät – durch Krankheit, Jobverlust, Überforderung oder Schicksalsschläge. „Eine Krise ist nicht nur eine Bedrohung, sondern auch eine Entwicklungschance“, erklärte Juen. Entscheidend sei, wie gut wir mit Belastungen umgehen können und welche Unterstützung wir haben.

Nicht jedes schwere Ereignis führt zu einer psychischen Störung. Viele Menschen schaffen es, mit der Zeit zu lernen, zu wachsen und stärker daraus hervorzugehen. „Wachstum nach einer Krise ist möglich – wenn Menschen Sicherheit, Verbundenheit und Sinn erfahren“, so Juen.

Was hilft im Ernstfall?

Wer in einer akuten Krise steckt, braucht vor allem eines: Sicherheit, Information und Unterstützung. Die Psychologin verwies auf die „Psychologische Erste Hilfe“, ein einfaches Prinzip der Weltgesundheitsorganisation (WHO): Hinschauen, Zuhören, Verbinden. Das heißt: Reaktionen erkennen, aufmerksam zuhören, Hilfe vermitteln und Menschen dabei unterstützen, wieder handlungsfähig zu werden. 

Auch kleine Schritte sind entscheidend: Alltagsroutinen, vertraute Orte, gute Gespräche oder kleine Rituale helfen, wieder Ruhe und Orientierung zu finden. „Manchmal braucht es einfach das Gefühl, nicht allein zu sein“, so Juen.

Resilienz kann man stärken

Resilienz – also die Fähigkeit, Krisen zu überstehen – ist keine angeborene Stärke, sondern etwas, das sich entwickeln lässt. Juen stellte dazu das sogenannte „Ich bin – Ich habe – Ich kann“-Modell vor:

·        Ich bin: innere Stärken wie Humor, Optimismus, Selbstwert oder die Fähigkeit, Gefühle zu regulieren.

·        Ich habe: äußere Ressourcen wie Freund:innen, Familie, finanzielle Sicherheit oder einen stabilen Arbeitsplatz.

·        Ich kann: Fähigkeiten, um Probleme zu lösen oder um Hilfe zu bitten.

„Je besser Menschen in diesen drei Bereichen aufgestellt sind, desto leichter können sie Krisen bewältigen“, erklärte Juen. Resilienz sei aber nicht nur eine persönliche, sondern auch eine gesellschaftliche Aufgabe. „Wir brauchen stabile soziale Netze, funktionierende Nachbarschaften und ein solidarisches Miteinander. Nur gemeinsam können wir krisenfest sein.“

Vom Leid zum Lernen – was Krisen uns lehren können

Krisen erschüttern oft unser Weltbild und den Glauben daran, dass das Leben gerecht und berechenbar ist. Sie machen uns bewusst, dass wir verletzlich sind – aber auch, dass wir wachsen können. „Ich bin viel verletzlicher, als ich dachte, aber auch viel stärker, als ich mir je vorstellen konnte“, fasst Juen diesen Prozess zusammen. Aus Krisen kann Weisheit entstehen – die Fähigkeit, Unsicherheit zu akzeptieren, Mitgefühl zu bewahren und im Unvermeidbaren Sinn zu finden.

Sinn finden – selbst im Schweren

Zum Abschluss verwies Juen auf den Psychotherapeuten Viktor Frankl, der den Sinn als zentrale Kraft des Lebens sah. Sinn lässt sich auf drei Wegen finden:

·        Durch Tun: wenn man etwas schafft oder hilft.

·        Durch Erleben: wenn man Schönheit, Begegnung und Freude bewusst wahrnimmt.

·        Durch Haltung: wenn man trotz Leid eine würdige Einstellung bewahrt.

„Nicht immer können wir die Situation ändern – aber wir können ändern, wie wir damit umgehen“, sagte Juen.

Krisen gemeinsam meistern

Barbara Juen machte deutlich, dass Krisen Teil des Lebens sind – aber niemand sie allein bewältigen sollte. „Es geht darum, Menschen zu verbinden, Ressourcen zu stärken und Sinn zu finden“, fasste sie zusammen.

Der Abend im Martinspark zeigte eindrucksvoll, dass psychische Gesundheit, soziale Sicherheit und Zusammenhalt untrennbar miteinander verbunden sind – und dass Resilienz nicht bedeutet, alles alleine schaffen zu müssen, sondern gemeinsam Wege aus der Krise zu finden.

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