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Reiner Hoffmann, Präsident des Deutschen Gewerkschaftsbundes
Reiner Hoffmann, Präsident des Deutschen Gewerkschaftsbundes Detlef Eden

Mehr Mitbestimmung und Absicherung für ArbeitnehmerInnen in Deutschland

Am 8. Dezember wird die neue deutsche Bundesregierung angelobt. Das Arbeitsprogramm der Ampelkoalition zwischen SPD, Grünen und FDP liegt schon länger vor und enthält einige ambitionierte Vorhaben für ArbeitnehmerInnen. Der Präsident des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) bewertet es als „Koalitionsvertrag mit Stärken und Schwächen“. Ein großes Plus ist die Mitgestaltung für ArbeitnehmerInnen, erklärt Hoffmann im Interview mit oegb.at: „Das Bekenntnis, dass die Transformation der Arbeitswelt und Digitalisierung nur mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wirksam gestaltet werden kann, ist richtig. Das haben wir gefordert, das muss rasch in konkrete Politik übersetzt werden.“

Unternehmen, die die Mitbestimmung durch einen Betriebsrat erschweren oder verhindern, können strafrechtlich verfolgt und empfindlich sanktioniert werden.

DGB-Präsident Reiner Hoffmann

Besserer Schutz durch Nachwirkung von Tarifverträgen

Im Gegensatz zum Kollektivvertragsweltmeister Österreich, wo 98 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse durch einen Kollektivvertrag abgesichert sind, gilt das in Deutschland nur mehr für jede/n zweite/n unselbstständig BeschäftigteN. Nur noch 50 Prozent fallen unter den Schutz von Tarifverträgen (wie Kollektivverträge in Deutschland bezeichnet werden). Dieser Reduzierung will die neue deutsche Bundesregierung durch die sogenannte Nachwirkung der Tarifverträge Einhalt gebieten. In Unternehmen, die sich aufspalten, sollen zukünftig so lange tarifvertragliche Bestimmungen gelten, bis die Beschäftigten durch neue Tarifverträge geschützt werden. 

Behinderung der Betriebsratsarbeit wird strafrechtlich verfolgt

Ein spannendes Vorhaben ist das Sichern der Mitbestimmung, das durch eine völlig neue Regelung erreicht werden soll: Die Behinderung von Betriebsratsarbeit soll in Deutschland zukünftig als Offizialdelikt eingestuft werden. „Das hört sich technisch an, bedeutet aber in der Praxis, dass Unternehmen, die die Mitbestimmung durch einen Betriebsrat erschweren oder verhindern, strafrechtlich verfolgt und empfindlich sanktioniert werden können. Das ist ein starkes Signal“, sagt Hoffmann.

Hier kannst du dir das ganze Video-Interview mit DGB-Präsident Reiner Hoffmann ansehen:

Potenzielle Strafen schrecken ab, Ausgestaltung des Gesetzes entscheidend

Das österreichische Strafrecht kennt keine gesetzlichen Bestimmungen, die die Behinderung von Betriebsratsarbeit explizit unter Strafe stellen. „Wird beispielsweise eine Betriebsratswahl behindert, so wird auf andere, allgemeine Tatbestände wie beispielsweise Nötigung zurückgegriffen“, erklärt ÖGB-Jurist Michael Trinko, der die Frage, was diese geplante deutsche Regelung bringen kann, wie folgt einschätzt: „Eine drohende Strafe kann potenzielle Täter schon davon abhalten, eine Straftat zu begehen. Es wird allerdings auf die genaue Formulierung des Gesetzestextes ankommen, ob damit Eingriffe in Betriebsratswahlen verhindert werden können.“

Eine drohende Strafe kann potenzielle Täter schon davon abhalten, eine Straftat zu begehen.

Michael Trinko, ÖGB-Jurist

Deswegen werden sich die deutschen Gewerkschaften, die mit ihren Forderungen den Koalitionspakt mitgestaltet haben, sich selbstverständlich auch einbringen, wenn es darum geht, die Projekte in Gesetze zu gießen, wie der DGB-Präsident bestätigt: „Das hat mit der großen Koalition ganz gut funktioniert. Ich gehe davon aus, dass der Anspruch einer progressiven Politik von allen Regierungsparteien ernstgemeint ist.“

Schwachstelle: Frage der Finanzierung ist offen

Das gelte vor allem in der Frage, woher die notwendigen Gelder in Milliardenhöhe, die zur Finanzierung des Koalitionspläne notwendig sind, kommen sollen. „Das ist die Schwachstelle des Koalitionsvertrags“, sagt Hoffmann: „Das geht sich nicht aus mit einer Schuldenbremse, wie wir sie im Bundeshaushalt haben, wenn man sklavisch an der schwarzen Null festhält. Da haben wir noch ein bisschen etwas zu tun, um die Bundesregierung auf den richtigen Pfad zu bringen.“

 

 

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