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Mindestlohn

Zähes Ringen um faire Löhne in der EU

24 Millionen Menschen würden von Mindestlohnrichtlinie profitieren

Die Richtlinie, die allen ArbeitnehmerInnen in der Europäischen Union Mindestlöhne sichern soll, mit denen sie an ihrem Wohnort angemessen leben können, war ein wichtiges Versprechen von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, um ihren Schwerpunkt der Armutsbekämpfung umsetzen zu können. Knapp ein halbes Jahr nach der Präsentation des Vorschlags gibt es aber viel Gegenwind für dieses zentrale Vorhaben – auch aus Österreich. 

Keine Eingriffe in Kollektivverträge

Der Vorschlag der Kommission legt weder ein gemeinsames Mindestlohnniveau fest, noch verpflichtet er die Mitgliedstaaten zur Einführung gesetzlicher Mindestlöhne: Länder, in denen weniger als 70 Prozent der ArbeitnehmerInnen tarifvertraglich abgedeckte Löhne haben, müssen demnach einen Aktionsplan vorlegen. Länder mit gesetzlichen Mindestlöhnen sollen klare Kriterien zur Festlegung des Mindestlohns anwenden. „Schöne Worte und Sonntagsreden verbessern die Situation nicht. Es braucht konkrete Schritte, um das Lohngefälle in Europa zu bekämpfen – exakte, verbindliche Maßnahmen“, befürwortet ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian daher die Initiative. Für 24 Millionen ArbeitnehmerInnen in der EU würde die Richtlinie höhere Löhne bedeuten.

Es braucht konkrete Schritte, um das Lohngefälle in Europa zu bekämpfen

Wolfgang Katzian

Vorteil auch für Österreich

Österreich ist zwar Kollektivvertrags-Weltmeister, 98 Prozent der unselbständigen Beschäftigungsverhältnisse sind durch Kollektivverträge geregelt. Trotzdem würden wir aufgrund unserer geografischen Lage von höheren Mindestlöhnen in der EU profitieren. Österreich ist ein Hotspot für Arbeitskräftemobilität mit vielen PendlerInnen aus den angrenzenden Nachbarländern.

Widerstand von Arbeitsminister Kocher

Jetzt gibt es allerdings Bestrebungen, diese Mindestlohnrichtlinie zu verhindern. Die portugiesische Ratspräsidentschaft befürwortet das Vorhaben zwar ausdrücklich, aus einigen Mitgliedsländern kommt aber Widerstand. Unter den neun europäischen MinisterInnen, die in einem Brief an die portugiesische Sozialministerin darum ersuchen, aus der Richtlinie eine Empfehlung zu machen, ist auch der österreichische Arbeitsminister Martin Kocher. 

 ÖGB fordert zum Umdenken auf

Eine Position, die der ÖGB nicht nachvollziehen kann, wie ÖGB-Präsident Katzian unlängst in der ORF-Pressestunde auf den Punkt brachte: „Eine Empfehlung ist zwar nett, aber am Ende des Tages kannst du sie einrexen und in Wirklichkeit irgendwas machen.“ In einem Schreiben an den Arbeitsminister ergeht die dringende Bitte, diese Haltung zu überdenken, die Umsetzung der Mindestlohnrichtlinie nicht zu bremsen, sondern zu unterstützen.

Eine Empfehlung ist zwar nett, aber am Ende des Tages kannst du in Wirklichkeit irgendwas machen

Wolfgang Katzian

Widerstand der Arbeitgeber

Auch unter den Arbeitgebern manifestiert sich Widerstand. Die VertreterInnen der Arbeitgeber lehnten die Richtlinie in einer Sitzung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) am 11. März ab. Ein Votum, das keine unmittelbare Auswirkung auf die weitere Entwicklung der Richtlinie hat, aber klarmacht, dass schwierige Verhandlungen bevorstehen, bis sich der Rat und das EU-Parlament einigen.

Die Richtlinie würde Europa ein Stück fairer und gerechter machen.

Wolfgang Katzian

Engagement des EGB unterstützen

Der ÖGB unterstützt den Kampf des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB) und steht, wie viele andere Gewerkschaften Europas, voll und ganz hinter der Richtlinie, wie auch der ÖGB-Präsident betont: „Sie würde das Lohndumping bremsen, sie würde Europa ein Stück fairer und gerechter machen. Wir wehren uns entschieden gegen alle Versuche, diese Richtlinie für einen europäischen Mindestlohn zu schwächen, zu verwässern oder nur eine Empfehlung daraus zu machen!“