Europa
Mehr Rechte für Europäische Betriebsräte beschlossen
Reform der Europäischen Betriebsräte-Richtlinie wurde im Europäischen Parlament verabschiedet
Am 9. Oktober wurde im Europäischen Parlament die Anpassung der Richtlinie zur Einsetzung und Arbeitsweise Europäischer Betriebsräte beschlossen. Dadurch wird die Stimme von Arbeitnehmer:innen in ganz Europa gestärkt, und wirksame Durchsetzung garantiert. Die Richtlinie bringt mehr Kontinuität, Klarheit, und Rechtssicherheit für die Arbeitnehmer:innenvertretung. Eine breite Koalition verschiedener Fraktionen im Parlament hat sich hinter dem Bericht versammelt, der vom gewerkschaftsnahem Berichterstatter Dennis Radtke (EVP) verfasst wurde. Die Abstimmung ist ein positives Signal gegen die aktuelle Deregulierungspolitik der Von der Leyen-Kommission, die das soziale Europa gefährdet.
Was ist die Richtlinie über Europäische Betriebsräte?
Schon seit 1994, also über dreißig Jahre, gibt es die Richtlinie zu Europäischen Betriebsräten, die Arbeitnehmer:innen eine Stimme in multinationalen Konzernen garantieren soll. Da Unternehmensentscheidungen oft über Ländergrenzen hinaus beschlossen werden, ist es auch notwendig, die Beschäftigten umfassend einzubinden. Anders als österreichische Betriebsräte haben diese allerdings kein Mitbestimmungsrecht, sondern nur das Recht, über länderübergreifende Themen unterrichtet und angehört zu werden. Dieses Recht ist allerdings eine wichtige Basis für die gesamte gewerkschaftliche Arbeit, und daher unerlässlich. Arbeitnehmer:innen sind die Hauptbetroffenen von transnationalen Unternehmensaktivitäten, und müssen die Möglichkeit haben, zeitnah über diese informiert zu werden und ihre Standpunkte darzulegen. Die Zahl von Europäischen Betriebsräten ist in den Jahren seit der Umsetzung der Richtlinie stetig gewachsen, zuletzt auf 1.248. Trotzdem gibt es noch viel zu tun, um eine effektive Umsetzung der Mitsprache zu garantieren, und die Arbeit der Betriebsräte zu unterstützen.
Warum braucht es die Reform?
Die aktuellste Version der Richtlinie ist von 2009 – seither hat sich nicht nur wirtschaftlich viel getan, sondern man kann auch auf Erfahrungswerte in der Durchsetzung der Rechte von Eurobetriebsräten zurückgreifen. Die Arbeitswelt befindet sich im Wandel, was sich im Verhältnis zwischen Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen widerspiegelt. Technologischer Fortschritt, KI und Digitalisierung, sowie grüne Transformation sind die prominentesten Beispiele für diese Veränderungen. Kapazitätslimits verhindern überdies ein effektives Auftreten der Europäischen Betriebsräte: beispielsweise fehlendes Training, sowie stockende Informationsflüsse zwischen verschiedenen Ebenen der Arbeitnehmer:innenvertretung sind hier zentrale Probleme. Zudem verzögern oder blockieren Unternehmen immer wieder bewusst die Arbeit oder Einrichtung von EBRs – die Reform muss auch derartige Blockaden erschweren. Umfassende Evaluierungen der Richtlinie zeigten außerdem noch gravierende Mängel auf, die Rechtsunsicherheit für die Europäischen Betriebsräte schaffen. Daher ist es notwendig, effektive Umsetzung der Maßnahmen zu garantieren. Nach einem Initiativbericht des europäischen Parlaments in 2023, einem Vorschlag der Kommission in 2024, und umfassenden Konsultationen der europäischen Sozialpartner, wurde letztlich ein wichtiger Vorschlag zur Reform präsentiert. Hier ist ein Überblick über die wichtigsten Neuerungen:
- Rechtssicherheit schaffen: wenn die Rechte von Europäischen Betriebsräten nicht respektiert werden, muss es die Möglichkeit geben, diese einzuklagen. Außerdem werden bessere Sanktionsmöglichkeiten geschaffen.
- Definitionen klären: Gewerkschaften müssen als Sachverständige akzeptiert werden, und es wird klargestellt, welche Aktivitäten als „länderübergreifend“ gelten. Überdies muss klar geregelt und gerechtfertigt sein, welche Betriebsinformationen vertraulich sind.
- Umsetzung stärken: Gründung und Involvierung der Europäischen Betriebsräte in Unternehmen werden vereinfacht. Außerdem wird die Anzahl an jährlichen Sitzungen von 1 auf 2 erhöht, und es besteht ein Anspruch auf Präsenztreffen. Es wird auch spezifiziert, zu welchen Themen es Anhörungs- und Unterrichtungsrechte geben muss, darunter Restrukturierungen im Rahmen des Wandels der Arbeitswelt.
- Geschlechtergleichheit erhöhen: Der Frauenanteil von Europäischen Betriebsräten soll auf mindestens 40% erhöht werden.
Wichtiger Schritt zur Förderung eines sozialen Europas
In Summe fördert die Reform also die wirksame Arbeit von Europäischen Betriebsräten durch Vereinheitlichung, mehr Klarheit und Rechtssicherheit, und Anpassung auf veränderte gesamtwirtschaftliche Umstände. Nachdem der Europäische Gewerkschaftsbund bereits 2017 eine Reform gefordert hat, und sich die Arbeitswelt seitdem weiterhin drastisch transformiert hat, ist die Umsetzung längst überfällig. Umso erfreulicher ist daher die überwiegende Mehrheit, mit welcher die Änderung am 09. Oktober im Europäischen Parlament in Straßburg verabschiedet wurde: 414 Stimmen standen 139 Gegenstimmen gegenüber, die meisten davon von der rechtspopulistischen Fraktion der Europäischen Patrioten, allerdings gab es auch Gegenstimmen von der konservativen Europäischen Volkspartei. Trotz der Gefährdung des sozialen Europas durch eine zunehmende Deregulierungsagenda wurde hier ein wichtiger Meilenstein zum Schutz von Arbeitnehmer:innenrechten erreicht. In den kommenden Wochen wird die reformierte Richtlinie in Kraft treten, ab dann werden die Mitgliedsstaaten zwei Jahre Zeit haben, um sie in nationaler Rechtsprechung umzusetzen. Es ist klar, dass in Zeiten des digitalen und grünen Wandels, demografischer Herausforderungen, und einer prekäre wirtschaftliche Lage, die Interessen der Beschäftigten nicht auf der Strecke bleiben dürfen. Jetzt gilt es, das Mitbestimmungsrecht weiter auszubauen, um ein Europa zu gestalten, das für die Arbeitnehmer:innen einsteht.