Europe at a Glance #13 – 11/25
Innovationsmeister Dänemark zeigt’s vor: Sozialpartnerschaft statt Stillstand
Starke Sozialpartnerschaft bringt wirtschaftliche Innovation und sozialen Ausgleich
Dänemark gilt seit Jahren als europäischer Vorreiter in Sachen Beschäftigung und Innovation. Das Fundament dieser Erfolgsgeschichte: Eine starke Sozialpartnerschaft, die den Arbeitsmarkt weitgehend autonom gestaltet. Besonders sichtbar werden deren Leistungen in den Bereichen Weiterbildung und Arbeitsmarktintegration, vor allem von Frauen und Älteren. Ein fein austariertes System sozialpartnerschaftlich entwickelter Arbeitsmarktanreize schafft die notwendigen Rahmenbedingungen.
Die Frauenerwerbsquote liegt in Dänemark deutlich höher als in Österreich. Während hierzulande noch immer rund 51 % der Frauen Teilzeit arbeiten, betrifft dies in Dänemark nur etwa 38 %. Ein Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung bis zum Schuleintritt und flexible Arbeitszeitmodelle, die durch Tarifverträge unterstützt werden, ermöglichen individuelle Lösungen für Frauen und Familien. Das Ergebnis: Ein deutlich geringerer Gender- und Pension Pay Gap als in Österreich.
Arbeit, die passt: Lebenslanges Lernen ermöglichen
Ein Herzstück des dänischen Modells sind konsequente Investitionen in lebenslanges Lernen. Über kollektivvertraglich organisierte Fonds finanzieren Unternehmen branchenspezifische Weiterbildung und Qualifizierung - inklusive Lohnersatz und Zuschüsse. Die Sozialpartner verhandeln regelmäßig Anpassungen an neue Anforderungen wie Digitalisierung, Künstliche Intelligenz oder die grüne Transformation. So kann die kollektive Arbeitskraft mit dem Strukturwandel Schritt halten.
Gerade für ältere Arbeitnehmer:innen ist dies entscheidend: Sie können ihre Kompetenzen durch praxistaugliche Weiterbildungsmodelle ausbauen und bleiben so länger im Erwerbsleben. Mit einer Beschäftigungsquote der 55–64-Jährigen von über 75 % (Österreich: 59 %) zählt Dänemark zu den europäischen Spitzenreitern. Der Erfolg beruht auf einer Kombination aus Weiterbildung, Beschäftigungsanreizen und flexiblen Arbeits(zeit)modellen. Wer nach längerer Erwerbstätigkeit arbeitslos wird, kann etwa über kommunale Programme weiterbeschäftigt werden. Tarifliche Regelungen ermöglichen es Älteren, schrittweise kürzer zu arbeiten - ohne Einbußen bei den Rentenansprüchen. So entsteht ein System, das älteren Arbeitnehmer:innen den Verbleib im Erwerbsleben erleichtert und zugleich ihre berufliche Anpassungsfähigkeit stärkt.
Österreich könnte von einigen dieser Modelle profitieren – allerdings bleiben auch in Dänemark Herausforderungen bestehen.
Länger arbeiten, später in Pension: Die Grenzen des Systems
Das Pensionsmodell in Dänemark ruht auf drei Säulen: einer staatlichen, universellen Grundpension, kollektivvertraglichen Zusatzpensionen mit hohem Arbeitgeberanteil und der freiwilligen privaten Vorsorge. Die zweite Säule ist jedoch stark von der Entwicklung der Finanzmärkte abhängig, wodurch die Höhe der späteren Rentenleistungen Schwankungen unterliegt.
Das gesetzliche Rentenalter beträgt 67 Jahre, das tatsächliche Renteneintrittsalter liegt bei rund 65 Jahren. Eine sogenannte Pensionsautomatik passt das Antrittsalter schrittweise an die steigende Lebenserwartung an – für nach 2005 Geborene liegt der vorgesehene Pensionseintritt erst bei 74 Jahren.
Dieses System stößt mittlerweile an Grenzen: Es verstärkt soziale Ungleichheiten. So sind die Auswirkungen eines späteren Rentenalters für Menschen, die körperlich hart arbeiten und weniger verdienen, besonders ungünstig. Zusätzlich belasten die demografische Entwicklung und eine sinkende Tarifabdeckung die Finanzierung, und volatile Finanzmärkte erschweren die nachhaltige Anlagesteuerung von Betriebsrenten der 2. Säule. Dänische Gewerkschaften fordern daher eine Pensionsreform, die eine Verlangsamung der Automatik und differenzierte Anpassungen des Renteneintrittsalters nach Berufsgruppen vorsieht.
Trotz dieser Herausforderungen bleibt Dänemark ein Beispiel dafür, wie wirtschaftliche Innovation und sozialer Ausgleich miteinander vereinbar sind. Die Fähigkeit, Reformen sozialpartnerschaftlich zu gestalten und laufend weiterzuentwickeln, ist ein zentraler Erfolgsfaktor.
Von Dänemark lernen - ja bitte!
Dänemark zeigt jedenfalls, dass lebenslanges Lernen, flächendeckende Kinderbetreuung, gerechte Arbeitsgestaltung und eine starke Sozialpartnerschaft der Schlüssel für Innovation, Wettbewerbsfähigkeit, hohe Erwerbsquoten und insbesondere den Erwerbsverbleib älterer Beschäftigter sind.
Die zentrale Herausforderung besteht darin, ein innovationsfreundliches Klima zu schaffen, das gleichzeitig die Erwerbsfähigkeit und Lebensqualität der Arbeitnehmer:innen sichert.
Auch das dänische Steuersystem trägt seinen Teil dazu bei: Es ist früher progressiv und stärker vermögensbezogen als das österreichische. Höhere Immobilien- und Erbschaftssteuern, eine progressive Kapitalertragsteuer und marktwertbasierte Immobilienbewertungen sichern stabile Einnahmen und tragen zur Finanzierung des Wohlfahrtsstaates bei. Österreich hingegen verzichtet auf Vermögens- und Erbschaftssteuern und arbeitet weiter mit veralteten Bewertungsgrundlagen – ein Nachteil für die langfristige Finanzierungsbasis des Sozialstaates.