Europa
Sicherheit und „grüne Wettbewerbsfähigkeit“ – geht sich das aus?
Mit dem Programm „A strong Europe in a changing world“ tritt Dänemark am 1. Juli den EU-Ratsvorsitz an.
Es ist bereits das achte Mal, dass das kleine nordeuropäische Land diese turnusmäßige Aufgabe übernimmt. Die Prioritäten knüpfen unmittelbar an die vorhergehenden Präsidentschaften an, auch das Arbeitsprogramm der neuen EU-Ratspräsidentschaft ist von den Themen Sicherheit und Wettbewerbsfähigkeit dominiert. Aber: Das dänische Programm beinhaltet, zumindest ein Stück weit, auch ein Comeback der Klimapolitik.
Wettbewerbsfähig, resilient – aber auch sozial gerecht?
Der Begriff „Wettbewerbsfähigkeit“ zieht sich wie ein roter Faden durch das 46-seitige Programm. Ob bei Wirtschaft, Energie, Landwirtschaft oder Bildung – überall soll die EU innovationsfreudiger und marktorientierter werden. Kaum ein Kapitel kommt ohne den paradigmatischen Verweis auf „Entbürokratisierung“ und „Vereinfachungen“ aus. Das klingt nach Modernisierung, birgt aber auch Risiken. Denn wie die Omnibus-Pakete der letzten Monate schmerzlich gezeigt haben: Der einseitige Fokus auf Marktmechanismen geht zu Lasten sozialer und ökologischer Standards – und das in Zeiten, in denen viele Menschen in Europa ohnehin mit steigenden Lebenshaltungskosten, unsicheren Jobs und dem Gefühl der politischen Entfremdung kämpfen.
Sicherheitspolitik mit Augenmaß
Ein Ausbau der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik scheint angesichts der zunehmenden globalen Unsicherheiten unausweichlich. Dänemark betont, die EU bis 2030 sicherheitspolitisch robuster aufstellen zu wollen – durch die Förderung von Investitionen in Verteidigung, eine bessere Krisenprävention und globale Partnerschaften.
Diplomatie, Entwicklungspolitik und die regelbasierte internationale Ordnung werden als wesentliche Säulen der europäischen Sicherheitspolitik präsentiert. Das ist grundsätzlich zu begrüßen. Nur: Investitionen in Sicherheit können sich nicht militärische Ausgaben beschränken. Wer Europa sicherer machen will, muss auch soziale Sicherheit, Bildung und Teilhabe stärken. Diesbezüglich bleibt das Arbeitsprogramm aber schwammig und unkonkret.
Erweiterung ja – aber gesellschaftlich nachhaltig
Die Erweiterungsagenda und die Kooperationen mit der Ukraine, Moldau und den Westbalkanstaaten sollen weiter vorangetrieben werden. Dabei wird die Zielsetzung einer „leistungsorientierten“ Erweiterung formuliert. Aus gewerkschaftlicher Perspektive ist dieser Ansatz dann zu begrüßen, wenn er sich auf demokratische und soziale Kategorien bezieht. Neue Mitgliedsstaaten sollten schon im Heranführungszeitraum an europäische Standards wie Arbeitnehmerrechte gebunden werden, etwa durch das Knüpfen von Fördermitteln an die politische Einbindung von Gewerkschaften und Sozialpartnern, Tarifverhandlungen etc.
Ökologie und Klimakatastrophe zurück im Blickfeld
Mit dem dänischen Vorsitz kehrt die ökologische Dimension wieder zurück ins Blickfeld – nach zwei Ratspräsidentschaften, in denen Umwelt- und Klimaschutz eine eher nachrangige Rolle gespielt haben. Dänemark bringt den Green Deal, den Clean Industrial Deal und die Klimaziele für 2040 und 2050 wieder auf die europäische Agenda. Der ökologische Umbau der Wirtschaft wird als zentrale Zukunftsaufgabe formuliert. Aber auch hier gilt: Die Erfolgsaussichten hängen davon ab, ob der dringend gebotenene klimapolitische Kurswechsel sozial verträglich gestaltet und ausreichend Budgetmittel bereitgestellt werden.
Fazit: Ambitioniertes Programm mit sozialer Bringschuld
Dänemark präsentiert sich mit seinem Vorsitz als pragmatischer Modernisierer: innovationsfreundlich, sicherheitsbewusst und ökologisch orientiert. Einige Vorhaben verdienen Unterstützung, insbesondere die Hinwendung zu klimapolitischen Fragen ist positiv hervorzuheben.
Doch gerade aus gewerkschaftlicher Perspektive bleiben zentrale Fragen offen: Wie wird verhindert, dass der Ruf nach Wettbewerbsfähigkeit zum Vorwand für Deregulierung und Sozialabbau wird? Wie wird sichergestellt, dass die nächste Erweiterungsrunde und die notwendigen Maßnahmen zur Bewältigung der Klimakrise nicht auf dem Rücken der Lohnabhängigen ausgetragen werden? Und wie können demokratische und soziale Rechte europaweit gestärkt werden, statt ausgehöhlt?
Ein resilientes demokratisches Europa braucht nicht nur eine wettbewerbsstarke Wirtschaft und geopolitische Standfestigkeit, sondern auch soziale Gerechtigkeit.