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Wolfgang Katzian im Interview
Im Interview mit der Kleinen Zeitung lässt ÖGB-Präsident Katzian das Jahr 2023 Revue passieren Heribert Corn

Interview

Turbulente Lohnrunden, funktionierende Sozialpartnerschaft und das kommende Superwahljahr

ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian im großen Interview - sein Fazit des Jahres 2023 und was uns 2024 erwartet

Herausfordernde Kollektivvertragsverhandlungen oder auch die anhaltende Teuerung - das waren nur zwei von vielen Themen, die den ÖGB im Jahr 2023 beschäftigt haben.

In einem großen Interview mit der Kleinen Zeitung blickt ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian auf ein turbulentes Jahr zurück. Die Fragen stellte Uwe Sommersguter. 

Sie meinen, 2023 war turbulent, 2024 werde spannend – wie lautet Ihr Fazit einer denkwürdigen Herbstlohnrunde?
WOLFGANG KATZIAN:
Ich bin mit den Ergebnissen weitestgehend zufrieden, insgesamt sind wir gut an unserem Ziel dran – Abschlüsse entlang der rollierenden Inflation. Bei einzelnen Branchen mussten wir genau auf die wirtschaftliche Entwicklung schauen. Es gab Auseinandersetzungen, die wir in den letzten Jahrzehnten so nicht gekannt haben. Aber am Ende des Tages hat man gesehen, dass die Sozialpartnerschaft funktioniert.

Blenden Sie die Konflikte aus?
Wir haben einiges aus der Kiste gewerkschaftlicher Möglichkeiten herausholen müssen. Ich hatte auch bei einigen wenigen den Eindruck, dass sie überprüfen wollten, ob die Gewerkschaften gegenmachtsfähig sind, wenn es darauf ankommt. Das haben die Gewerkschaften gut unter Beweis gestellt, ohne den Bogen zu überspannen.

Welchen Schaden hat die Sozialpartnerschaft dabei erlitten?
Keinen. Bei jeder Partnerschaft versucht man sich zusammenzuraufen. Manchmal braucht es auch den Wickel. Über ein paar Dinge muss man aber schon reden, aber das machen wir intern.

„Während des Spiels“ wollten Sie Spielregeln nicht ändern – ist nun der Zeitpunkt, Regeln für KV- Verhandlungen zu adaptieren?
Diejenigen, die sagen, die Benya-Formel ist aus der Zeit gefallen, sollen jetzt auf den Tisch legen, was sie sich vorstellen. Bei uns folgen die Löhne den Preisen. Wenn das jemand anders machen will, muss man sich überlegen, wie so ein Modell aussieht. Ich kenne es noch nicht.

Braucht es neue Spielregeln?
Spielregeln kann man nur im Einvernehmen immer ändern. Im Moment haben sie sich aber bewährt, auch wenn es herausfordernd und schwierig ist.

Wir erleben bei den KV-Verhandlungen viel Folklore und Getöse. Braucht es das noch?
Es geht ja nicht um eine Verherrlichung der Vergangenheit, sondern um die Kohle für die Leut‘. Hinter den Kulissen mauscheln mach’ ich sicher nicht. Wir haben gute demokratische Spielregeln und gute Teams.

Soll es vermehrt Zweijahres-Abschlüsse geben?
Die hat es auch in der Vergangenheit immer wieder mal gegeben. Ich muss nicht jedes Jahr Rambazamba machen. Aber ein Role-Model für die Zukunft sehe ich darin nicht. Die Gewerkschaften werden das von KV zu KV entscheiden.

Österreichs sinkende Wettbewerbsfähigkeit aufgrund steigender Lohnstückkosten ist Faktum. Müssen die Gewerkschaften nicht aufpassen?
Wir berücksichtigen bei KV Verhandlungen alle Faktoren. Das ist auch einer, der mitspielt. Aber Lohnverzicht hat noch nie zur Verbesserung der Wettbewerbssituation und zur Sicherung der Arbeitsplätze geführt. Ich erwarte mir, dass die Regierung im ersten Quartal mit den Sozialpartnern über Maßnahmen zur Konjunkturbelebung spricht.

Österreich verdient den Großteil des Wohlstands im Export. Viele fürchten, da gerät etwas gefährlich ins Kippen. Sie nicht?
Nein, weil wir auch bei der Entwicklung der Lohnstückkosten im guten europäischen Schnitt sind und weil die Unternehmen sehr gut verdient haben.

Mein Job ist primär: wie kommen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über die Runden. Arbeitsplatzgarantie für einen niedrigeren Abschluss hat mir noch nie jemand angeboten, das ist alles ein Bla-bla.

Wie sehr besorgt Sie die Lage der Gesamtwirtschaft?
Sie besorgt mich, weil sie nicht unabhängig ist von der Weltlage – und die ist spooky. Ich will eine starke österreichische und europäische Industrie. Wenn jemand glaubt, mit Billigproduktion macht man einen starken Industriestandort, lachen sich alle einen Ast, die auf hohem Technologielevel weltweit unterwegs sind.

Drohen noch mehr Arbeitslose?
Ich glaube, dass die Arbeitslosigkeit noch steigen könnte. Das hängt vom Zinsniveau der EZB ab. Weitere Schritte nach oben hielte ich für fatal. Ich finde es auch verantwortungslos, dass sich die Euro-Finanzminister nicht darauf geeinigt haben, Zukunftsinvestitonen von den Fiskalregeln auszunehmen.

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Sie finden die neuen Schuldenregeln nicht praktikabel?
Das Zurück zu den Maastricht-Regeln führt dazu, dass es in einzelnen Ländern massive Sparpakete geben wird müssen – zulasten des Sozialstaates. Wir brauchen das Gegenteil: Mehr Investitionen in die Zukunft.

Es geht doch um die Schuldentragfähigkeit der Staaten.
Aber was nutzt ein superausgeglichenes Budget, wenn der Planet nicht mehr bewohnbar ist? Wir reden gerne mit allen, die sich um ein ausgeglichenes Budget sorgen, über Verteilungsgerechtigkeit und den Beitrag großer Vermögen.

 

Wir stehen vor einem Superwahljahr – was erwarten Sie?
Ich versuche, den ÖGB durch die Wogen durchzunavigieren und hoffe, dass das gelingt. Meine Hoffnung ist, dass die Zukunft Österreichs nicht am Altar der Wahlkämpfe geopfert wird.

Die Lohnverhandlungen werden 2024 einfacher?
Nein, aufgrund der Rahmenbedingungen wird sich nicht allzu viel ändern.