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ÖGB

Mitbestimmung im Betrieb

Sind Betriebsräte noch zeitgemäß?

100 Jahre Betriebsrätegesetz – ÖGB-Präsident Katzian im Interview

ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian erklärt anlässlich 100 Jahre Betriebsrätegesetz, warum es in Zukunft für Gewerkschaften und Betriebsräte gehen wird.

oegb.at: Wie kam es 1919 zum Betriebsrätegesetz?

Katzian: Die allgemein schlechte Lebenssituation und die katastrophalen Arbeitsbedingungen führten zu Streiks und Unruhen. Unter dem Druck dieser revolutionären Stimmung schuf die Regierung schließlich das Betriebsratsgesetz, das am 24. Juli 1919 in Kraft trat. Die Vorarbeit dazu haben die Gewerkschaften geleistet, ihre Forderung nach Mitsprache in den Betrieben wurde realisiert.

Was hat sich dadurch für ArbeiterInnen verbessert?

Damit waren die Betriebsräte endlich juristisch anerkannt. Mitsprache bei Lohnverhandlung und innerbetrieblichen Fragen gab es bis dahin nur bei Goodwill der Arbeitgeber.

Österreich war das erste Land der Welt mit einem Betriebsrätegesetz. Unsere Vorfahren haben mit viel Weitsicht dafür gekämpft, dass die Kollektivverträge Vorrang haben vor betrieblichen Vereinbarungen. Sie haben erkannt, wovon wir noch heute profitieren: Die volle Verhandlungsmacht der ArbeitnehmerInnen liegt im Zusammenschluss, in der engen Zusammenarbeit von Gewerkschaften und BetriebsrätInnen.

Wofür setzen sich die Betriebsräte von heute ein?

Wir haben gerade im vergangenen Jahr mit der Einführung des Arbeitszeitgesetzes erlebt, dass die betriebliche und gewerkschaftliche Mitbestimmung nicht in Stein gemeißelt ist. Sie muss immer wieder neu erarbeitet und verteidigt werden – so wie bei den Kollektivvertragsverhandlungen, wo für viele Branchen dieses überfallsartig eingeführte Gesetz abgefedert wurde – von Blaulichttagen über bessere Überstundenzuschläge bis hin zum Rechtsanspruch auf die 4-Tage-Woche.

Braucht die neue Arbeitswelt nicht neue Spielregeln?

Natürlich, die Herausforderungen haben sich geändert. Wir sind heute damit konfrontiert, dass die Zahl der Normalarbeitsverhältnisse sinkt, weil immer mehr Menschen als LeiharbeiterInnen oder in Endlos-Praktika beschäftigt sind. Arbeit wird immer öfter outgesourct und auf Crowdwork-Plattformen übertragen, das zieht sich durch viele Branchen. Immer öfter sind es dann Einzelpersonen, die plötzlich das volle unternehmerische Risiko zu tragen haben.

Aber diese Entwicklung ändert nichts am Grundauftrag der Gewerkschaften und BetriebsrätInnen: Unsere Mission wird es immer sein, die Rechte der Menschen zu schützen, ihre Gesundheit und ihre Möglichkeiten, am sozialen Leben teilzunehmen. Genau dafür braucht es Mitbestimmung!

Worum geht es in Zukunft?

Uns geht es darum, die Rechte der BetriebsrätInnen weiter zu stärken. Wissen ist Macht, immer mehr BetriebsrätInnen nehmen unsere Bildungsangebote in Anspruch.

Die Gewerkschaften kämpfen gemeinsam dafür, dass die Arbeiterkammern nicht beschnitten werden und dass die Gewerkschaftsbewegung weiterhin wächst – das ist uns im Vorjahr mit dem größten Mitgliederzuwachs seit 1984 ganz gut gelungen.

Das ist vor allem auch der Verdienst der Zehntausenden BetriebsrätInnen in Österreich, die sich mit uns für ein gutes Leben der ArbeitnehmerInnen einsetzen – dafür gebührt ihnen ein großes Danke!