Zum Hauptinhalt wechseln
ÖGK-Obmann Andreas Huss bei der Präsentation seines gesundheitspolitischen Programms
ÖGK-Obmann Andreas Huss bei der Präsentation seines gesundheitspolitischen Programms GBH

Gesundheit

Was du über die Selbstverwaltung der Gesundheitskasse wissen solltest

ÖGK-Obmann Andreas Huss spricht mit oegb.at über die Selbstverwaltung und welche Bedeutung sie für 7,4 Millionen Versicherte hat

Bei der politischen Debatte über die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) wird dieser Tage viel berichtet. Dabei fällt immer wieder der Begriff „Selbstverwaltung”. Welche Vorteile bringt sie für die knapp 7,4 Millionen Versicherten in Österreich und wo stehen wir aktuell? Einer der das erklären kann, ist der Gewerkschafter Andreas Huss, der als Obmann der ÖGK schon seit Jahren die Belange der ArbeitnehmerInnen verteidigt.  

Was bedeutet Selbstverwaltung?

Im Gegensatz zur Staatsverwaltung, in der PolitikerInnen oder BeamtInnen zum Beispiel Steuermittel verwalten, bestimmen in der Selbstverwaltung der ÖGK die Betroffenen selbst über die Mittel und Ausgaben. So wie in der Gemeinde die GemeindebürgerInnen oder in der Arbeiterkammer die ArbeitnehmerInnen verwalten in der Krankenversicherung die VertreterInnen der versicherten ArbeitnehmerInnen ihre Beiträge selbst und entscheiden selbst, welche Gesundheitsleistungen sie mit ihrem Geld einkaufen wollen. So bestimmen sie selbst, welche Leistungen für die Versicherten eingekauft werden und entscheiden über eigene Einrichtungen wie Krankenhäuser, Ambulanzen, Therapiezentren, Zahngesundheitszentren usw. die Versicherung für die Versicherten führen sollen. Die ÖGK führt heute rund 90 solcher Einrichtungen mit 2,5 Mio. PatientInnenkontakten jährlich.

Wie ist das in der österreichischen Gesundheitskasse?

Die Idee dabei ist, dass die Betroffenen bzw. Ihre VertreterInnen selbst viel besser wissen, was sie brauchen, als es etwa BeamtInnen oder PolitikerInnen könnten. Natürlich können in der ÖGK nicht alle 7,4 Millionen Versicherten direkt mitentscheiden. Daher werden die Mitglieder der Selbstverwaltung von der gesetzlichen ArbeitgeberInnen- (WKO) und ArbeitnehmerInnen-Vertretung (Arbeiterkammer) entsandt.

Welche Vorteile bringt eine Selbstverwaltung?

Die Idee der Selbstverwaltung ist immer, dass die Betroffenen selbst entscheiden. Niemand käme zum Beispiel auf die Idee, dass jemand, der nicht in der Gemeinde Neusiedl wohnt, dort im Gemeinderat mitbestimmen kann. Natürlich müssen GemeinderätInnen und BürgermeisterInnen immer in der jeweiligen Gemeinde leben. Die Selbstverwaltungsmitglieder in der ÖGK müssen selbst dort versichert sein. Ausnahme Arbeitgeber.  

Wie kam es zur Selbstverwaltung?

Die Krankenversicherung ist Mitte des 19. Jahrhunderts aus freiwilligen Selbsthilfegruppen der ArbeitnehmerInnen, den sogenannten Unterstützungsvereinen, entstanden. Die haben die ArbeitnehmerInnen gegründet und selbst verwaltet. Es wurde Geld in die Vereinskasse einbezahlt. Wenn jemand krank war, hat er oder sie Unterstützung daraus bekommen, etwa für Arztkosten, Medikamente und Lohnausfall. Später wurden aus diesen Vereinen gesetzliche Krankenkassen, die aber weiterhin von den Betroffenen selbst verwaltet wurden. Arbeitgeber bekamen allerdings als Minderheit ein Kontrollrecht (kein Entscheidungsrecht) zugestanden.

Wie steht es aktuell um die Selbstverwaltung?

Seit 2020 haben die ArbeitgeberInnen durch das – wegen der Kassenfusion und der nie eingelösten PatientInnenmilliarde äußerst umstrittene – Sozialversicherungs-Organisationsgesetz (SV-OG) eine sogenannte Parität in den Gremien. Das heißt, die Arbeitgeber können nun gleichberechtigt mitbestimmen, obwohl sie nicht dort versichert sind. Im Extremfall können sie auch verhindern, dass wir ArbeitnehmerInnen mit ihren Beiträgen neue Ambulanzen oder bessere Leistungen für ihre Versicherten anbieten.  

Gibt es dazu ein Beispiel aus der täglichen Arbeit?

Wir wollten aufgrund der Teuerung die finanziellen Zuschussleistungen zB. für Zahnbehandlungen erhöhen. Die Arbeitgeber haben das aber abgelehnt und deshalb kommt das nun nicht. Andererseits haben etwa die Taxiunternehmen – also Arbeitgeber – für ihre Aufgaben als Vertragspartner (Krankentransporte) 2 Mio. Euro von der ÖGK als Teuerungsausgleich für gestiegene Treibstoffkosten bekommen. Die Arbeitgeber in der ÖGK greifen also zurzeit auf unser Geld zu, um „ihre” Taxi-Unternehmen zu unterstützen – bei den BeitragszahlerInnen, also den ArbeitnehmerInnen, wird hingegen gespart. Die Versicherten werden derzeit also nicht so unterstützt wie die Arbeitgeber.

Was muss sich ändern, damit die Selbstverwaltung wieder im Sinne der Versicherten arbeitet?

Wir ArbeitnehmerInnen müssen statt dieser momentanen Pseudo-Selbstverwaltung wieder eine echte Selbstverwaltung der Versicherten erreichen. Aktuell bestimmen VertreterInnen von 300.000 Unternehmern, die gar nicht in der ÖGK sondern in der Selbstständigenkasse (SVS) versichert sind, über das Geld von 7,4 Millionen versicherten ArbeitnehmerInnen.  

Die ArbeitnehmerInnen müssen wieder selbst über die Verwendung ihrer Beiträge entscheiden können. Derzeit sind wir von den ArbeitgeberInnen fremdbestimmt. Das muss sich wieder ändern. Durch die Zentralisierung der ÖGK sind die EntscheiderInnen weit weg von den Menschen – von den ArbeitnehmerInnen – gerückt. Die Versichertennähe kommt zu kurz. Und wir müssen die ÖGK wieder stärker regionalisieren. Die Menschen und PartnerInnen vor Ort in den Ländern brauchen wieder kompetente AnsprechpartnerInnen, die auch mit Ressourcen und Entscheidungskompetenz ausgestattet sind und im Sinne der Versicherten handeln können.

 

Bleib informiert über deine Arbeitswelt!
Jeden Freitag: Das Wichtigste aus einer Woche