30 Jahre EU: Meilensteine, Konstruktionsfehler und Zukunftspläne
Was in drei Jahrzehnten Österreichs in der EU gut gelaufen ist, welche Rückschläge es gab und wie es weitergehen soll. Eine Analyse von David Hafner.
Österreichs EU-Beitritt am 1. Januar 1995 markierte den Beginn weitreichender Veränderungen, die das tägliche Leben vieler Menschen nachhaltig verbessert haben. Besonders spürbar waren die Reisefreiheit, die Einführung der einheitlichen Währung, das Erasmus-Programm für Studierende sowie verbesserte Konsument:innenrechte, etwa im Bereich der Fluggastrechte. Diese Entwicklungen haben nicht nur die Lebensqualität gehoben, sondern auch die österreichische Gesellschaft offener und zukunftsorientierter gemacht.
Von der Wirtschafts- zur Sozialunion: Neue Meilensteine
Die EU hat sich in den vergangenen Jahren deutlich von einer reinen Wirtschafts- und Währungsunion zu einer Sozialunion weiterentwickelt. Mit der „Europäischen Säule der sozialen Rechte“, einer Grundsatzerklärung, die 2017 verabschiedet wurde, werden wichtige Prinzipien wie faire Entlohnung, leistbare Pflege und ein wirksamer Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz durch verbindliche Gesetze gestärkt.
Ein großer Erfolg war die Mindestlohn-Richtlinie, die alle Mitgliedstaaten verpflichtet, eine Kollektivvertragsabdeckung von mindestens 80 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse sicherzustellen. Österreich ist mit 98 Prozent KV-Weltmeister, aber Länder wie Deutschland mit einer Tarifvertragsdichte von etwa 50 Prozent stehen vor erheblichen Herausforderungen, um ihre Sozialpartnersysteme zu stärken.
Baustellen, Konstruktionsfehler und Rückschläge
Neben den Fortschritten gibt es auch gravierende Rückschläge. So haben Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in den Fällen „Viking“ und „Laval“ die unternehmerischen Grundfreiheiten über das Streikrecht gestellt. Das zeigt, wie vorsichtig mit der Kompetenzübertragung im Bereich Arbeit und Soziales umgegangen werden muss.
Die strengen EU-Schuldenregeln und die Austeritätspolitik der Troika haben notwendige Zukunftsinvestitionen blockiert und damit die Wettbewerbsfähigkeit Europas nachhaltig geschwächt. Zudem bestehen weiterhin massive Lohndifferenzen zwischen den Mitgliedstaaten. So liegt der österreichische Stundenlohn noch immer viermal höher als in Rumänien, Polen oder Ungarn und dreimal höher als in Tschechien. Diese Ungleichheiten schüren Enttäuschungen und verhindern eine gleichmäßige Wohlstandsentwicklung innerhalb der Union.
„Die EU muss besser werden“
Wolfgang Katzian, Präsident von ÖGB und EGB, betont: „Wir dürfen und werden die Schwachstellen der EU nicht ignorieren. Dreißig Jahre nach dem Beitritt gibt es noch viel zu tun.“
Katzian sieht insbesondere folgende Handlungsfelder:
- Soziales Fortschrittsprotokoll: Der Vorrang unternehmerischer Grundfreiheiten vor Arbeitnehmer:innenrechten muss durch eine Vertragsänderung überarbeitet werden.
- Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping: durch striktere grenzüberschreitende Strafverfolgung und fairere Löhne in neuen Mitgliedstaaten.
- Schluss mit Steuervermeidungstricks großer Konzerne: Der ruinöse Steuerwettbewerb muss durch die Trockenlegung von Steueroasen gebremst werden.
- Goldene Investitionsregel: Dringend notwendige Investitionen in Infrastruktur und Innovation müssen unabhängig von den Defizitregeln getätigt werden können.
„Dafür sind große politische Anstrengungen notwendig, vieles davon wird sich in nächster Zeit nicht durchsetzen lassen“, sagt Katzian, ist aber zuversichtlich: „Die Gewerkschaften Europas haben konkrete Konzepte und werden auch die nächsten 30 Jahre für eine bessere EU kämpfen.“
Mag. David Hafner leitet das Büro des ÖGB in Brüssel.