Internationales
„Wir arbeiten für Demokratie“
Warum belarussischer Gewerkschafter nur aus dem Exil für Mitbestimmung in seiner Heimat arbeiten kann
Das wichtigste in Kürze
- In Belarus sind freie Gewerkschaften verboten
- Betriebsräte, Lohnverhandlungen gibt es nur mit Zustimmung des Regimes
- Gewerkschafter:innen werden verfolgt und oft auch inhaftiert
- Kolleg:innen kämpfen aus dem Exil für mehr Demokratie - Interview
Belarus zählt laut dem Global Rights Index des IGB (Internationaler Gewerkschaftsbund) zu den Ländern mit den schlechtesten Bedingungen für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen weltweit. Die Rechtslage lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Erlaubt ist, was Langzeit-Machthaber Lukaschenko zulässt.
Alles, was in demokratischen Ländern selbstverständlich ist – wie die Gründung eines Betriebsrats, Lohnverhandlungen oder Informationen für Beschäftigte –, darf nur mit Zustimmung der Regierung passieren. Es wird zwar ein Gewerkschaftsbund toleriert, er agiert aber in Zusammenarbeit mit dem Regime.
Gewerkschaftsarbeit ist illegal
Die Arbeit anderer wie des Freien Belarussischen Gewerkschaftsbundes (BKDP) gilt als illegal. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden für die Teilnahme an friedlichen Demonstrationen gegen Lukaschenko oder klassische Gewerkschaftstätigkeiten verhaftet. Präsident Yarashuk ist seit Jahren inhaftiert, Gewerkschaften auf der ganzen Welt fordern seine Freilassung.
Zu Jahresbeginn 2025 berichtete ein aus der Haft entlassener Gewerkschafter über die Unterdrückung des Regimes.
Jetzt gab Yauheni Dzenisenka, Gewerkschafter des BKDP und Teilnehmer der ITUSA (International Trade Union Summer Academy) von ÖGB und IGB in Wien, uns Einblicke in die Gewerkschaftsarbeit im Exil in Deutschland.
Kein Dialog mehr in Belarus
„Wir werden nicht als Partner angesehen, sondern als Gegner“, erzählt der 21-Jährige, dass natürlich viele Gewerkschafter:innen aus Angst vor Verfolgung das Land verlassen haben: „Das ist unser größtes Problem: wir haben kaum Kontakt zu den Menschen in Belarus.“
Obwohl die Menschen in seiner Heimat eingeschüchtert werden und dem BKDP auch auf Social Media nicht folgen dürfen, finden sich Wege, sagt Dzenisenka: „Wir bleiben in Kontakt mit Menschen, die an unsere gewerkschaftlichen Werte glauben.“ Das, obwohl eine große Propagandakampagne in Belarus die Menschen glauben lassen will, dass der BKDP korrupt sei und aus dem Exil keine Handhabe hätte.
Bewusstsein über die Situation stärken
Als wichtigste Aufgaben skizziert der junge Mann die Unterstützung aller schuldlos inhaftierten Kolleg:innen. Im Ausland wird Aufklärungsarbeit geleistet und finanzielle Hilfe für die Familien der Inhaftierten organisiert.
Keine Demokratie ohne Gewerkschaften
Ganz wichtig sei es auch, wieder und wieder zu erklären, dass Gewerkschaften ein zentraler Teil der demokratischen Gesellschaft sind, so Dzenisenka: „Unsere Arbeit richtet sich auch an die Zukunft. Wir arbeiten an der Basis dafür, dass es in Zukunft Gewerkschaften in einem demokratischen Land gibt. Um Demokratie nachhaltig zu machen, braucht man Gewerkschaften.“
Es gibt keine Gewerkschaft, die wie der BKDP aus dem Exil arbeiten muss. Der Austausch mit den anderen ITUSA-Teilnehmer:innen habe ihm dennoch viel gegeben, so der 21-Jährige. Er habe erfahren, wie andere Gewerkschafter:innen, die in Ländern ohne Dialog mit der Regierung leben, Wege finden, unter schwierigen Bedingungen gewerkschaftliche Kampagnen zu organisieren. „Ich nehme Motivation mit“, sagt Yauheni Dzenisenka - für eine demokratische Zukunft der Arbeitnehmer:innen in Belarus.