Argentinien: Wie Gewerkschaften die „Schocktherapie“ der Regierung bekämpfen
Mileis Wirtschaftswunder bedeutet steigende Arbeitslosigkeit, mehr Armut, Einschnitte bei Gesundheit und Bildung
Javier Milei ist seit genau zwei Jahren Präsident in Argentinien. Dank eines restriktiven Sparkurses ist es seiner Regierung zwar gelungen, die Wirtschaft anzukurbeln und die Inflation zu reduzieren, aber dieses „Wirtschaftswunder“ geht zu Lasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer: Sowohl die Armutsquote als auch die Zahl der Arbeitslosen steigt, die Einkommen der Beschäftigten und die Pensionen sinken.
Roberto Baradel, Generalsekretär der größten Einzelgewerkschaft Argentiniens, berichtete bei einem Arbeitsbesuch in Österreich vom schwierigen Widerstand der Gewerkschaften gegen die neoliberale Sparpolitik Mileis.
Preiskontrollen aufgehoben, Pensionen gekürzt
Die Therapie Mileis gegen die steigende Inflation hat massive Auswirkungen auf die Menschen in Argentinien: Der Peso wurde abgewertet, Preiskontrollen für Güter des täglichen Bedarfs wie Lebensmittel oder Verkehrsmittel wurden aufgehoben. Außerdem wurde die Grundrente gekürzt.
„Es gibt zwar einen Rückgang der Inflation, aber keine wirtschaftliche Erholung“, präzisiert Baradel: „Wir erleben eine Rezession: Entlassungen, Fabrikschließungen, Geschäftsschließungen und einen Rückgang der Reallöhne.“ 2015 hatte Argentinien den höchsten Mindestlohn in Lateinamerika, heute gehört es zu den Schlusslichtern.
Außerdem bedeute der Sparkurs Mileis keine Mittel für Universitäten, öffentliche Bildung und Gesundheit, erzählt Baradel. Der bereits begonnene Bau von Schulen und Spitälern wurde einfach gestoppt.
Menschen, die sich wehren - so wie Pensionistinnen und Pensionisten, die wöchentlich vor dem Parlament für faire Pensionen und existenzsichernde Einkommen demonstrieren - werden unterdrückt und mit Schlägen vertrieben, so Baradel: „Dasselbe passiert auch Menschen mit Behinderungen, indigenen Völkern und Frauen, allen, die sich wehren.“
Wahlhilfe aus den USA
Aber wie kann es sein, dass Milei bei der Zwischenwahl zur Hälfte seiner Amtszeit im Herbst 2025 fast 40 Prozent der Wählerstimmen verzeichnete? Baradel erklärt das einerseits mit der geringen Wahlbeteiligung, viele Bürgerinnen und Bürger seien aus Wut auf die Politik nicht wählen gegangen. Andererseits habe US-Präsident Trump seinem Freund Wahlhilfe gegeben: „Er hat gesagt, ihr braucht 20 Milliarden Dollar. Ich gebe sie euch, aber nur, wenn ihr Milei wählt“, erklärt Baradel. Und vor allem fehle in Argentinien ein glaubwürdiges, politisches Projekt, das der Politik des Präsidenten etwas entgegensetze.
Genau darin sieht Baradel die Chance und die Aufgabe der Gewerkschaften.
Gewerkschaften wehren sich gegen drohende Arbeitsmarktreform
Diese Situation sei nur mit Solidarität, Vernetzung und Wissen darüber, was tatsächlich in Argentinien passiert, zu bewältigen und zu verändern – davon ist Baradel überzeugt. Alle Gewerkschaftsbünde in Argentinien versuchen, gemeinsame Aktionen zu organisieren, um weitere Vorhaben Mileis verhindern zu können, der die Rechte der Beschäftigten mit einer Arbeitsmarktreform beschneiden will.
Kampf für ein Argentinien, in dem alle würdig leben können
Außerdem geplant: „Eine Steuerreform, bei der den Reichsten Steuern erlassen werden und die Kosten auf die gesamte Gesellschaft abgewälzt werden“, umreißt Baradel den Handlungsbedarf der Gewerkschaften. „Wir müssen gemeinsam mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, Studierenden, Bäuerinnen und Bauern, Pensionistinnen und Pensionisten und mit politischen Parteien aus dem sozialen Lager ein politisches Projekt aufbauen, das glaubwürdig ist und sich klar vom Projekt Milei unterscheidet. Es geht um ein Projekt für ein Argentinien, in dem nicht nur einige wenige, sondern alle würdig leben können.“