Omnibus der EU überfährt das Lieferkettengesetz
Deregulierungskurs: EU-Rechtsausschuss schwächt „Meilenstein“ nach massivem Lobbying der Wirtschaft ab
Das Wichtigste in Kürze:
- Die EU-Kommission will bestehende Gesetze abschwächen – zugunsten von Unternehmen
- Das Lieferkettengesetz wurde nach massivem Lobbying der Wirtschaft stark verwässert
- Regeln sollen nur mehr für Großunternehmen gelten, Klagsmöglichkeiten für Betroffene sollen fallen
- ÖGB und Gewerkschaften fordern: Stoppt diesen Deregulierungskurs und stärkt soziale Rechte
Seit Monaten kritisieren Gewerkschaften und NGOs in Europa die sogenannten Omnibus-Pakete der EU-Kommission: Mit der Begründung, die Wettbewerbsfähigkeit vorantreiben zu wollen, werden bereits beschlossene Gesetze in Eilverfahren wieder aufgeschnürt und verwässert. Aktuell betroffen ist auch das Lieferkettengesetz – es sollte nach dem ursprünglichen Vorschlag der Kommission große Unternehmen zur Rechenschaft ziehen, wenn sie etwa von Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der EU profitieren. Die EU-Mitgliedstaaten hätten es eigentlich bis Mitte 2026 in nationales Recht umsetzen sollen. Auf Druck von Konzernen erfolgte zuerst eine Verschiebung des als Meilenstein gefeierten Vorhabens, am 14. Oktober 2025 gab der EU-Rechtsausschuss grünes Licht für eine weitreichende Verwässerung.
Weniger Entschädigung und weniger Klimaschutz
Unternehmen ab 1.000 Beschäftigten und einem Nettojahresumsatz in Höhe von 450 Millionen Euro wären laut Gesetzesentwurf betroffen gewesen. Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments spricht sich jetzt – ebenso wie die Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten – dafür aus, Unternehmen erst ab 5.000 Beschäftigten und 1,5 Milliarden Euro Umsatz zu erfassen. Das Gesetz hätte außerdem vorgesehen, dass Betroffene von schädlichen Unternehmenspraktiken nach EU-weit einheitlichen Regeln Entschädigung einklagen können. Doch auch diese Regelung soll nun fallen. Auch der Klimaschutz soll verwässert werden. Große Unternehmen sollen einen Klimaübergangsplan entwickeln, die Verpflichtung zur Umsetzung soll jedoch gestrichen werden.
Schritt zurück zu ausbeuterischen Geschäftsmethoden
„Das EU-Lieferkettengesetz wurde beschlossen, um gegen Kinder- und Zwangsarbeit entlang von Lieferketten vorzugehen. Es garantiert grundlegende Rechte für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entlang globaler Lieferketten. Die Verwässerung des Gesetzes bedeutet einen Schritt zurück zu ausbeuterischen Geschäftspraktiken“, kommentiert Angela Pfister, Leiterin des Volkswirtschaftlichen Referats des ÖGB, diese Entwicklung.
Nach der Abstimmung im Rechtsausschuss des EU-Parlaments beginnen die Verhandlungen zwischen EU-Kommission, Rat der EU und EU-Parlament.
Wunschliste der Wirtschaft nicht ohne Rücksicht auf Beschäftigte abarbeiten
Eine Deregulierung, die ausschließlich nach den Vorstellungen des Big Business erfolgt, steht im Widerspruch zu den europäischen Zielen des sozialen Fortschritts, der Vollbeschäftigung und des Umweltschutzes, kritisiert Wolfgang Katzian, Präsident von ÖGB und EGB: „Die Gewerkschaften Europas werden nicht tatenlos zusehen, wie die Wunschliste von Wirtschaftsvertretern Stück für Stück abgearbeitet werden soll, ohne Rücksicht auf Klimakrise, Menschenrechte und Arbeitnehmer:innenschutz.