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Plattform-Arbeit boomt, aber kaum jemand kann davon leben

Eine EU-Studie beweist, was Gewerkschaften schon lange kritisieren: Dass immer mehr Arbeit über Online-Plattformen abgewickelt wird, wirkt sich negativ auf die Einkommen und auf die soziale Sicherheit vor allem junger Menschen aus. Während die Plattformen große Flexibilität versprechen, geht es ihnen oft nur darum, auf neuem Weg Kosten und Risiken auf die ArbeitnehmerInnen umzuwälzen. Auch Österreich ist keine Insel der Seligen.

50 Millionen EU-BürgerInnen arbeiten online

Internetplattformen boomen nicht zuletzt auch wegen Covid-19, seit dem Frühjahr 2020 wurden immer wieder ganze Mitgliedsländer in Lockdowns gedrängt. Viele ArbeitnehmerInnen mussten plötzlich ins Homeoffice. Essensbestellungen, andere Dienstleistungen und vieles mehr wird immer öfter über Plattformen erledigt. Die Folge: 50 Millionen EU-Bürgerinnen und -Bürger verdienen ihr Einkommen bereits im Netz. Aber nur eine/r von hundert kann von einem Job bei einer Plattform leben.

Ein Forschungsteam untersuchte im Auftrag des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EBG) die Auswirkungen dieses Digitalisierungsbooms auf ArbeitnehmerInnen und kam zu einem ernüchternden Ergebnis: Der Internetarbeitsmarkt ist davon gekennzeichnet, dass er „sehr niedrige Einkommen fördert“. Das bedeutet im Klartext, dass die meisten Menschen nicht einmal annähernd von dem leben können, was sie als PlattformarbeiterInnen verdienen. 

Große Gefahr, ins Prekariat abzurutschen

Das hat auch damit zu tun, dass der Internetarbeitsmarkt natürlich Einpersonenunternehmen (EPU) fördert: Leistungen werden frei angeboten und gekauft. Mit geregelten Beschäftigungsverhältnissen und fixen Löhnen hat das nur in Ausnahmefällen zu tun, dementsprechend hoch ist die Fluktuation und die Gefahr, ins Prekariat abzurutschen.

Die Studie wurde in 14 EU-Staaten durchgeführt, neben Frankreich, Deutschland, Ungarn, der Slowakei, Griechenland und Spanien nahmen auch 1.760 Personen in Österreich teil. Menschen im Alter zwischen 18 und 65 Jahren gaben an, ob und wie sie binnen zwölf Monaten mithilfe des Internets oder auf Plattformen Geld verdienten.

Rechnet man die Ergebnisse hoch, dann arbeitet mittlerweile fast jede/r Fünfte in der EU im Internet. Eine besonders große Rolle spielt Internetarbeit in der Slowakei, Österreich liegt im Mittelfeld. 

71,9 Prozent der befragten ÖsterreicherInnen gaben an, noch nie versucht zu haben, über Internetplattformen organisierte bezahlte Arbeit zu verrichten, 17,1 Prozent hingegen schon. Der Anteil der Tätigkeiten auf professionellen Plattformen liegt bei sechs Prozent, die Einnahmen allein reichen aber selten fürs alleinige Auskommen.

Die Bedeutung von Online-Plattformarbeit beim Geldverdienen ist bei Frauen und Männern beinahe gleich groß. Größer werden die Unterschiede in Österreich nach dem Grad der Bildung, dem Geburtsland und dem Alter. Wenig überraschend: Je jünger, desto wichtiger wird das Netz beim Arbeiten, der Anteil nimmt erst ab 40 Jahren ab. Ein weiteres Ergebnis: Mit steigender Bildung steigt auch der Anteil der Internetarbeit. 

Es geht um Scheinselbstständigkeit

Die oftmals prekären Arbeits- und Lebensbedingungen PlattformarbeiterInnen wie EssenslieferanInnen sind oft darauf zurückzuführen, dass viele Plattformbetreiber sich nicht als Arbeitgeber verstehen und die Position vertreten, Selbstständige wären für sie tätig.

Dieses Umgehungskonstrukt der Scheinselbstständigkeit muss unbedingt unterbunden werden. In den vergangenen Jahren kam es zu immer mehr Gerichtsurteilen, die genau das verurteilten und den Bedarf einer EU-weiten Regelung verdeutlichten. Gewerkschaften in Europa kämpfen seit Jahren für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen von PlattformarbeiterInnen. In der EU finden aktuell Verhandlungen über einen Richtlinienvorschlag dazu statt.

Der in Brüssel diskutierte Vorschlag sieht unter anderem auch Erleichterungen bei der Beweislast vor. Ginge es nach der Europäischen Kommission, sollte in Zukunft der Arbeitgeber beweisen, dass es sich tatsächlich um Selbstständige handelt und nicht um ArbeiterInnen Für Arbeiten, die über Plattformen abgewickelt werden, müsste in Zukunft ein Arbeitsverhältnis unter bestimmten Voraussetzungen gesetzlich vermutet werden. Der Plattformbetreiber soll also allen Arbeitgeberpflichten unterliegen, bis ein Gericht etwas anderes bestätigt. Der Vorschlag der Kommission geht in die richtige Richtung, jetzt liegt es am Europäischen Parlament und am Rat, die noch notwendigen Verbesserungen einzubringen. Die Gewerkschaften bleiben dran.

 

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