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Gewerkschaft vida hat den weltweit ersten Kollektivvertag für FahrradbotInnen und EssenszustellerInnen abgeschlossen
90 Prozent der PlattformarbeiterInnen sind Scheinselbstständige, ihr Verdienst unter dem Durchschnittslohn ZOI Imagery

Europa

ÖGB-Katzian: Plattformarbeiter anstellen ohne Wenn und Aber

EU-Parlament gab grünes Licht für EU-Richtlinie – jetzt liegt der Ball für konstruktive Verhandlungen beim Rat

Schon jetzt arbeiten rund 28 Millionen Menschen in der EU für Online-Plattformen, rund eine halbe Million von ihnen in Österreich – hauptsächlich im Transportwesen und in der Essenszustellung, immer öfter auch im Handel, in der Pflege und in weiteren Branchen.

Diese Dienstleistungen per Mausklick sind für KundInnen praktisch, für die Beschäftigten bedeuten sie oft prekäre Arbeitsverhältnisse, weil sie oftmals nicht angestellt sind und somit als Selbstständige oder freie DienstnehmerInnen gelten – zu ihrem Nachteil. Eine EU-Richtlinie soll jetzt Abhilfe schaffen und das weitverbreitete Problem der Scheinselbstständigkeit in Angriff nehmen, noch spießen sich die Verhandlungen aber.

90 Prozent Scheinselbstständige, Verdienst unter Durchschnittslohn

90 Prozent der auf den rund 500 digitalen Arbeitsformen in der EU Tätigen sind als Selbstständige eingeordnet, das ist nach Schätzungen der EU-Kommission für 5,5 Millionen Menschen falsch, was auch eine Reihe von Gerichtsurteilen bestätigen.

Diese weit verbreitete falsche Einschätzung als vermeintlich Selbstständige hat für die Betroffenen schwerwiegende Konsequenzen: Sie sind nicht von Kollektiv- bzw. Tarifverträgen erfasst – das bedeutet, dass sie sich selbst versichern müssen und vor allem weniger Lohn für mehr Arbeit bekommen.

Auch das Arbeitsrecht kommt nicht zur Anwendung, damit gibt es keinen Anspruch auf Urlaub oder Krankenstand. Laut Berechnungen der EU-Kommission verdient mit 55 Prozent mehr als die Hälfte der Plattform-Worker weniger als den durchschnittlichen Stundenlohn in ihrem Land.

Abhilfe soll deswegen eine EU-Richtlinie schaffen, die klarstellt, dass grundsätzlich von einem Arbeitsverhältnis ausgegangen wird. Ist das nicht der Fall, soll nicht mehr der Arbeitnehmer, sondern in Zukunft die Plattform das Gegenteil beweisen müssen. Nicht nur an dieser geforderten sogenannten Beweislastumkehr scheiden sich aber die Geister.

Millionen Beschäftigte bei Plattformen in der EU brauchen endlich faire Arbeitsbedingungen. Jetzt liegt der Ball beim Rat!

Wolfgang Katzian, ÖGB-Präsident

             

Elisabeth Mandl

„Ja“ des EU-Parlaments als Auftakt zu konstruktiven Verhandlungen

Nachdem es im Rat im Dezember 2022 keine Einigung auf eine gemeinsame Richtlinie gegeben hatte, gab es am 1. Februar gute Nachrichten aus Brüssel: Das EU-Parlament hat mit breiter Mehrheit für Verhandlungen für diese Richtlinie gestimmt.

Dieses „Ja“ wird von Expert:innen als Basis für eine Richtlinie gewertet, die für soziale Absicherung und damit für eine bessere Situation der Betroffenen garantieren soll. „Der fehlende Anspruch auf bezahlte Freistellung bei Krankheit, kein Schutz bei Kündigung oder sogar Überwachung während der Arbeitszeiten bei Plattformarbeiter:innen müssen endlich ein Ende haben“, formuliert es die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Gewerkschafterin Evelyn Regner.

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Auch Österreich muss sich für faire Arbeitsbedingungen stark machen

Das „Ja“ des EU-Parlaments muss der Auftakt zu konstruktiven Verhandlungen mit dem Rat und mit der Kommission sein, sagt ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian, der auch die österreichische Bundesregierung in der Pflicht sieht.

„Die EU-Abgeordneten haben ein klares Zeichen für faire Arbeitsbedingungen gesetzt – rasch wirksame Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Plattformbeschäftigten müssen allen Mitgliedsstaaten ein Anliegen sein! Am Ende der Verhandlungen muss ein Gesetz vorgelegt werden, von dem 28 Millionen Menschen profitieren werden!“, so Katzian.