Arbeitsbedingungen
Wirtschaftslobby schwächt EU-Lieferkettenvorschlag
Nicht mal ein Prozent der Unternehmen betroffen – ÖGB fordert Nachbesserungen
Nach zahlreichen Verschiebungen präsentierte die EU-Kommission am 23. Februar ihren Vorschlag für ein EU-Lieferkettengesetz, wie es der auch der ÖGB seit langem fordert.
Mit dem jetzt vorliegenden Gesetzesentwurf wird zwar endlich der notwendige Paradigmenwechsel von freiwilligen Selbstverpflichtungen der Unternehmen zum gesetzlich verpflichtenden Schutz von Menschen-, Arbeits- und Gewerkschaftsrechten sowie der Umwelt eingeleitet.
Der Teufel liegt aber wie so oft im Detail: Der Gesetzesvorschlag umfasst nur einen Bruchteil der Unternehmen und die Einbindung der Gewerkschaften und von Betriebsräten ist nicht ausreichend sichergestellt. AK und ÖGB schließen sich der Kritik vieler NGOs an und fordern Nachbesserungen.
Europäische Firmen beschäftigten Millionen ArbeitnehmerInnen auf der ganzen Welt, um Produkte herzustellen. Damit einher geht auch eine Verantwortung, diese in ihren Grundrechten zu schützen und Zwangsarbeit, Kinderarbeit oder gefährliche Arbeitsbedingungen zu unterbinden. Außerdem tragen die Unternehmen auch die Verantwortung dafür, die Umwelt zu schützen und mit ihren Produktionsprozessen die Zerstörung des Planeten nicht weiter voranzutreiben.
Der aktuelle Gesetzesvorschlag soll trotzdem nur für Unternehmen mit mehr als 500 MitarbeiterInnen und einem weltweiten Nettoumsatz von mehr als 150 Millionen Euro im letzten Jahr gelten. Ausnahmen sind Hochrisikofaktoren (Textiles, Landwirtschaft und Rohstoffe) für sie gelten die vorgeschlagenen Regelungen für Unternehmen mit mehr als 250 MitarbeiterInnen und einem Umsatz von mehr als 40 Millionen Euro netto weltweit im Vorjahr.
Nicht einmal ein Prozent der Unternehmen in EU betroffen
Die Koppelung von Unternehmensgröße und Umsatzhöhe ist für das Schadenausmaß allerdings vollkommen irrelevant. Der Gesetzesvorschlag bedeutet konkret, dass in der EU rund 13.000 Unternehmen betroffen wären, das ist weniger als ein Prozent.
„In Österreich sind es nach einer ersten Analyse nur 331 bzw. 0,06 Prozent aller Unternehmen“, erklärt ÖGB-Expertin Miriam Baghdady, „das ist alles andere als ambitioniert. Hier haben sich offenbar Wirtschaftslobbyisten durchgesetzt, um den Lieferkettenvorschlag zu schwächen.“
Die Möglichkeit einer Zivilhaftung, die Entschädigungen für Betroffene sicherstellt, ist zwar im Gesetzesentwurf grundsätzlich vorgesehen, muss aber vor allem bei den Verfahrensrechten nachgeschärft werden.
Gewerkschaften und Betriebsräte verpflichtend einbinden
Der Richtlinienentwurf sieht außerdem keine verpflichtende Einbindung von Gewerkschaften oder Betriebsräten vor. „Das wäre aber dringend notwendig – Gewerkschafts- und Belegschaftsvertretungen müssen in den gesamten Prozess miteingebunden und konsultiert werden“, fordert Baghdady.
Allen Beschäftigten entlang der Lieferkette muss es ermöglicht werden, sich gewerkschaftlich zu organisieren. „Damit einher geht die Forderung, dass Gewerkschaften sich frei betätigen dürfen, also etwa Lohnverhandlungen führen können und dass auch das Streikrecht ohne Sanktionen für sie gilt.“
Von der Verhinderung von Gewerkschaftsarbeit geht schlimmstenfalls eine Gefahr für Leib und Leben aus, ergänzt Isabelle Ourny, Internationale Sekretärin im ÖGB, „das betrifft einerseits die Beschäftigten, die teils unter lebensgefährlichen Bedingungen arbeiten müssen, und andererseits GewerkschafterInnen, die für das Anprangern dieser Missstände in vielen Ländern in ihrer Arbeit behindert werden, strafrechtlich verfolgt werden oder sogar mit ihrem Leben bezahlen.“
80 Prozent der ÖsterreicherInnen wollen starkes Lieferkettengesetz
Dass es überhaupt einen Entwurf der EU-Kommission gibt, ist vor allem auch der Hartnäckigkeit der der Zivilgesellschaft in Europa zu verdanken. Gemeinsam mit vielen NGOs und mit der AK unterstützt der ÖGB die zivilgesellschaftliche Kampagne „Menschenrechte brauchen Gesetze“ für ein starkes Lieferkettengesetz. Eine Umfrage bestätigt, dass mehr als 80 Prozent der ÖsterreicherInnen ein starkes Lieferkettengesetz wollen.
Als nächstes muss der Vorschlag im EU-Rat und im EU-Parlament diskutiert werden. Erst mit einer Einigung dort kann das Gesetz in einer hoffentlich noch nachgeschärften Form in Kraft treten, wofür sich der ÖGB weiterhin mit aller Vehemenz einsetzen wird. „Wir fordern Nachbesserungen. Wir werden nicht lockerlassen und auch die Verantwortung der österreichischen Bundesregierung einmahnen“, so Baghdady.