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Andy Joe

Der einzige offen schwule Fußballer Österreichs

Solidarität: Im Juni 2019 wurde von ÖFB und Bundesliga eine Anlaufstelle für alle Menschen im Fußball, die aufgrund ihrer Sexualität Diskrimnierung erfahren, eingerichtet. Du bist der Ombudsmann der neuen Anlaufstelle – was machst du da genau?

Oliver Egger: Wir haben Folder, wir haben eine Website, wir sind auf Facebook und Twitter. Meine Telefonnummer und meine E-Mail-Adresse scheinen überall auf. Da kann man sich einfach bei mir melden: mich anrufen, per WhatsApp schreiben oder auch ein E-Mail schreiben. Man kann sich aber auch auf Facebook oder Twitter mit dem jeweiligen Anliegen bei mir melden. Und ich versuch dann, so gut es geht, eine Hilfestellung zu leisten.

Man muss den Leuten einfach vermitteln, dass Homophobie inakzeptabel ist.

Was ist das Ziel der Anlaufstelle?

Egger: Wir wollen die Atmosphäre im Fußball generell verbessern, sodass ein Coming-out irgendwann kein Problem mehr ist. Wir versuchen, so viele Menschen wie möglich zu treffen und in Zukunft dann auch Workshops anzubieten – in Schulen und für Vereine. Gut wär’s natürlich auch, in die SchiedsrichterInnen-Ausbildung reinzukommen, um das Thema einfach präsenter zu machen und zu zeigen, wie es Spieler und Spielerinnen geht, wenn homophobe Äußerungen getätigt werden. Man muss den Leuten einfach vermitteln, dass Homophobie inakzeptabel ist.

Hoffst du, dass es über diese Anlaufstelle dazu kommt, dass sich weitere Spieler outen?

Egger: Schwierige Frage. Natürlich wäre der Idealzustand, wenn man sich gar nicht mehr outen braucht. Keine Rede. Es gibt aber noch zwei Fragen davor, die wichtiger sind: Gibt es überhaupt eine Atmosphäre im Fußball, in der sich Leute trauen, sich zu outen? Und: Sind Fußballvereine überhaupt so offen, dass sie Jugendliche in all ihrer Vielfalt akzeptieren? Bevor das nicht geklärt ist, ist es schwierig, die Frage zu beantworten, ob sich einmal jemand outen wird. Solange die Atmosphäre im Fußball so homophob ist, bleibt es ein sehr schwieriges Thema. Natürlich ist die Hoffnung da, dass sich irgendein Starspieler sich outet, weil einfach die Signal- und Vorbildwirkung eine viel größere, bessere wäre, als sie ein Spieler des FC Gratkorn erreichen kann.

Im Verein hat sich schon einiges getan.

Wie waren die Reaktionen auf dein Coming-out?

Egger: Im Verein selbst nur positiv. Ich habe von Anfang an die nötige Unterstützung gehabt, von den Vereinsverantwortlichen, vom Trainer, von allen. Der Präsident ist zu mir gekommen und hat gesagt: „Oli, wenn irgendwer ein Problem mit dir hat, dann muss der gehen – und nicht du!“

Gerade im Fußball gibt es oft dumme Aussagen wie: „Das war ein schwuler Pass“ oder dergleichen. Sind in deiner Gegenwart auch schon derartige Äußerungen getätigt worden?

Egger: Ja klar, ein Fußballer, der diese Frage mit „nein“ beantwortet, der lügt hoch zehn. Solche Sprüche gibt es in jedem Verein, auf jedem Fußballplatz – und ja, die hat es bei uns auch gegeben. Und es gibt sie vereinzelt immer noch. Weil es leider einfach bei vielen im Sprachgebrauch schon so verankert ist. Bei uns kapieren es die Leute aber mittlerweile. Sie sind schon so weit sensibilisiert, dass sie sich dann denken: Hoffentlich hat das der Oli nicht gehört. Und wenn doch, dann entschuldigen sie sich gleich. Man merkt auf jeden Fall, dass in den Köpfen zum Rattern anfängt. Da hat sich im Verein diesbezüglich schon einiges getan.

So wie ich will das keiner machen, weil das Risiko von Beschimpfungen und Diskriminierungen immer noch hoch ist.

Hast du davon abgesehen nach deinem Coming-out weitere unangenehme Situationen erlebt?

Egger: Ja, da gab es eine Situation, von der ich allerdings erst im Nachhinein erfahren habe: Wir haben ja in Gratkorn auch eine Zweiermannschaft. Wir haben zwar getrennte Kabinen, die sind aber durch einen Gang verbunden, und es gibt gemeinsame Duschen für beide Mannschaften. Unser zweiter Tormann war damals in der anderen Kabine drüben. Irgendwann, so vor einem Jahr, ist er zu mir gekommen und hat gesagt, dass er erst jetzt verstehe, was damals passiert ist. Irgendwer hatte drüben in der Zweierkabine zu ihm gesagt, er müsse aufpassen, der Oli ist in der Dusche. Das war aber das einzig Negative, was mir im eigenen Verein untergekommen ist.

Und von Gegenspielern kam auch nie etwas?

Egger: Doch. Es ist schon vorgekommen, dass gegnerische Spieler vor dem Spiel, wenn wir im Kabinentrakt gestanden sind, gesagt haben: „Schaut, da kommt er. Der hat sicher die anderen Spieler in der Mannschaft auch schon angesteckt.“ Dann musst du erst einmal 90 Minuten spielen, das zehrt schon sehr an einem selbst. Aber ich versuche, mir das nicht mehr zu Herzen kommen zu lassen. Und es kommt auch mittlerweile nur noch sehr selten vor.

Kennst du eigentlich andere schwule Fußballer?

Egger: Im Amateurbereich schon, ja.

Aber die wären nicht zu einem Outing bereit, wie du es warst?

Egger: Nein, die sind noch nicht so weit, dass sie es im eigenen Verein öffentlich machen würden. Viele reden nicht einmal im privaten Bereich darüber. Ich habe schon oft gehört, dass sie nicht wissen, wie sie das im eigenen Verein angehen könnten. Ich versuch da natürlich, Hilfestellung anzubieten. Aber so wie ich will das, glaub ich, keiner machen, weil einfach das Risiko von Beschimpfungen und Diskriminierungen immer noch hoch ist.

Ist also diese Angst vor Beschimpfungen, vor Diskriminierung der Grund für die fehlenden Coming-outs?

Egger: Ganz sicher ist das der Hauptgrund. Im Vorjahr ist eine Studie der Sporthochschule Köln herausgekommen, nach der queere Menschen sich oft gar nicht trauen, in einem Verein Sport zu betreiben, weil sie eben Angst vor Ausgrenzung, vor Diskriminierung haben, vor Beschimpfungen, vor Hass. Es ist bei mir zwischendurch ja auch so. Es hat schon die eine oder andere Transferanfrage gegeben. Für mich hat sich da jedes Mal die Frage gestellt: Wenn du jetzt dorthin wechselst, dann fängt der ganze Prozess wieder von Neuem an. Und es gibt einfach keine Garantie, dass es bei einem anderen Verein genauso funktioniert, wie es beim FC Gratkorn funktioniert. Dann hab ich mich schon immer wieder gefragt, ob ich das jetzt alles nochmal durchmachen will, und vor allem, was passiert, wenn es nicht funktioniert? Wenn die Situation dort vielleicht wirklich nicht zum Aushalten ist, kannst zum Kicken aufhören.

Viele nehmen dumme Sprüche gar nicht als diskriminierend wahr.

Es gibt diese konservative Schätzung, dass ungefähr fünf Prozent der Menschen schwul, bi oder trans sind. Wenn man das auf die Anzahl der Spieler in der ersten und zweiten Bundesliga umlegt, würde das bedeuten, dass von insgesamt 500 Spielern 25 schwul sein müssten. Was hältst du von solchen Rechenspielen?

Egger: Das eins zu eins umzulegen, ist ganz schwierig. Viele trauen sich gar nicht, im Verein Fußball zu spielen. Oder überhaupt Sport zu betreiben. Mit dem Fußball fängst du als Kind, als Jugendlicher an. Und wenn du dann merkst, dass der Sport so homophob ist, dass du nicht so akzeptiert wirst, ist es wahrscheinlich, dass du im Laufe der Jugend irgendwann mal aufhörst und irgendetwas anderes suchst – oder gar nicht damit anfängst.

Wenn du das alles so sagst, könnte man das Gefühl bekommen, dass Homophobie im Fußball irgendwie dazugehört?

Egger: Was mich am meisten ärgert, ist: Wenn irgendwer etwas Homophobes hineinschreit, wie „Schwuler“, „Woama“ oder „Schwuchtel“, dann gibt es die, die mitlachen, und die, die dem vielleicht noch auf die Schulter klopfen. Vor allem gibt es aber die, die einfach nichts sagen. Und ich denk mir dann immer: Warum bleibt das Thema immer an mir hängen? Warum muss ich immer etwas sagen? Warum muss nur ich mich wehren? Ihr anderen habt es ja auch alle gehört, ihr sagt aber nichts. Ich würde ja genauso die Person darauf hinweisen, wenn sie etwas Rassistisches hineinschreit. Warum macht dann bei Homophobie niemand seinen Mund auf? Aber so weit, dass jemand sagt: „Entweder du gehst raus aus dem Stadion oder du denkst nach, was du hineinschreist“ – soweit sind wir leider noch nicht. Und deswegen habe ich immer das Gefühl, es gehört irgendwie immer noch dazu. Viele nehmen es ja gar nicht als diskriminierend wahr. Deshalb muss man Homophobie auf die gleiche Ebene bringen wie Rassismus und Antisemitismus. Die Leute müssen einfach sensibilisiert werden.

Wenn du dir vorstellst, du kommst auf den Fußballplatz, wie stellst du dir die optimale Situation vor? Wie soll es sein, damit du sagst: Jetzt passt’s?

Egger: Zunächst soll es wirklich niemanden geben, der etwas Homophobes reinschreit. Sodass man einfach das Gefühl hat, dass man akzeptiert und respektiert wird, so wie man ist – natürlich auch von den Gegenspielern. Ich will einfach, dass man andere so behandelt, wie man selbst gern behandelt werden möchte. Ohne jemanden zu beschimpfen. Die Emotion, die der Fußball mitbringt, ist sehr schön. Aber Emotion sollte nie in Aggression oder Hass umschlagen. Sodass man einfach das Gefühl hat, dass man akzeptiert und respektiert wird, so wie man ist – natürlich auch von den Gegenspielern. Ich will einfach, dass man andere so behandelt, wie man selbst gern behandelt werden möchte. Ohne jemanden zu beschimpfen. Die Emotion, die der Fußball mitbringt, ist sehr schön. Aber Emotion sollte nie in Aggression oder Hass umschlagen.

Seit Juni 2019 ist Oliver Egger vom FC Gratkorn Ombudsmann der von Bundesliga und ÖFB neu eingerichteten Anlaufstelle „Fußball für alle“. In dieser Funktion unterstützt er alle Menschen im Fußball, die aufgrund ihrer Sexualität Diskriminierung erfahren haben.
Alle Informationen zur Ombudsstelle gibt es unter fussballfueralle.at

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