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Gruppe junger, glücklicher Frauen sitzt im Kreis und hält sich an den Händen.
5 Mythen über Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern, die du kennen solltest. StudioRomantic - stock.adobe.com

Equal Pay Day 2023

Gender Pay Gap: Die fünf gängigsten Mythen zum Einkommensunterschied

Wieso Frauen nicht selbst daran schuld sind, dass sie weniger verdienen

Am 31. Oktober 2023 ist der österreichweite Equal Pay Day. An diesem Tag haben Männer bereits jenes Einkommen erreicht, wofür Frauen bis Jahresende noch arbeiten müssen. Ganze 16,9 Prozent verdienen ganzjährig vollzeitbeschäftigte Frauen weniger als Männer. Das entspricht 62 Tagen, die Frauen bis Jahresende “gratis” arbeiten. 

Trotz dieser Fakten sind einige Mythen im Umlauf, die den Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen falsch erklären wollen. Die gängigsten fünf dieser Mythen und warum sie nicht stimmen, findest du hier.

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Mythos 1: Frauen verdienen weniger, weil sie weniger arbeiten

Frauen arbeiten nicht weniger, sie leisten nur mehr unbezahlte Arbeit. Unbezahlte Arbeit beinhaltet jene Tätigkeiten, bei denen Menschen für andere Menschen sorgen. Das sind Haushaltsarbeiten wie Wäsche waschen, kochen, aber auch Kinderbetreuung oder die Pflege von Angehörigen. Laut Erhebung von Statistik Austria verbringen Frauen rund vier Stunden am Tag mit unbezahlter Arbeit, während es bei Männern nur 2,5 Stunden pro Tag sind. Frauen leisten also 11 Stunden mehr unbezahlte Arbeit – und das jede Woche.

Frauen leisten pro Woche 11 Stunden mehr unbezahlte Arbeit als Männer.
Frauen leisten pro Woche 11 Stunden mehr unbezahlte Arbeit als Männer.

 

Mythos 2: Frauen sind selbst daran schuld, dass sie weniger verdienen

Es stimmt nicht, dass Frauen sich freiwillig Berufe in schlechtbezahlten Branchen aussuchen. Viele Faktoren beeinflussen die Wahl des Berufsfeldes bei jungen Männern und Frauen: persönliche Wünsche und Interessen, gesellschaftliche Rollenbilder und die bestehende Arbeitsmarktsituation. Außerdem ist es tatsächlich so, dass in Branchen, in die Frauen vordringen, die Einkommen sinken.

Umgekehrt kann sich die gesellschaftliche Bewertung eines Berufs sogar verschieben, sobald ihn vorwiegend Männer ausüben: Computerprogrammierung war etwa in den Anfängen ein von Frauen dominierter Beruf und wurde nur wenig wertgeschätzt. Heute hingegen ist die Programmierung ein hochbezahlter, angesehener und männerdominierter Beruf.

Das gesellschaftliche Ansehen und die Bewertung von Berufen ist jedenfalls ein wichtiger Faktor zur Erreichung von Einkommensgleichheit bei Männern und Frauen.

 

Mythos 3: Das ist doch nicht Diskriminierung, das lässt sich ganz einfach erklären

Viele wissenschaftliche Studien zeigen, dass ein Teil der Einkommensunterschiede durch Faktoren erklärt werden kann, die auf den ersten Blick nichts mit dem Geschlecht zu tun haben. Dazu zählen Unterschiede in der Berufserfahrung, ob Vollzeit oder Teilzeit gearbeitet wird, die Branche, die Größe des Unternehmens oder die individuelle Stellung.

Werden alle diese Faktoren herausgerechnet, bleibt trotzdem eine Lücke zwischen den Einkommen von Männern und Frauen. 

 

Mythos 4: Frauen verdienen wegen ihres Privatlebens weniger und nicht, weil sie am Arbeitsplatz diskriminiert werden

Der Pay Gap zeigt auch unfreiwillige Unterschiede. Frauen verzichten nämlich nicht freiwillig auf Führungspositionen, sondern haben in einer männerdominierten Berufswelt große Hürden zu überwinden. Es stimmt auch nicht, dass alle Frauen nur wenige Stunden arbeiten wollen. Oftmals fehlt die Infrastruktur, um Kinder und Angehörige gut betreuen zu lassen, und die Bereitschaft der Partner, sich die Care-Arbeit gerecht aufzuteilen. Weiters werden Frauen oft schon bei der Gehaltseinstufung anders behandelt als Männer und haben kaum Zugang zu Zusatzeinkommen durch bezahlte Überstunden oder Boni.

 

Mythos 5: Heute gibt es in Österreich doch gar keine Diskriminierung mehr

Was stimmt, ist, dass sich die rechtliche und berufliche Situation von Frauen in Österreich in den letzten 40 Jahren deutlich verbessert hat. Es stimmt auch, dass es von staatlicher Seite Bemühungen gibt, berufliche Benachteiligungen von Frauen zu reduzieren. Aber gerade durch die Corona-Pandemie wurden alte Rollenbilder wieder hervorgeholt und Frauen sind vermehrt aus dem Arbeitsmarkt ausgeschieden, um unbezahlte Care-Arbeit zu leisten.

 

Die Pandemie hat klar gezeigt, dass sich die Einkommensunterschiede und die Gleichstellung von Frauen am Arbeitsmarkt überhaupt nicht erledigt haben, sondern dass es noch viel zu tun gibt. Auch im internationalen Vergleich hinkt Österreich stark hinterher: Österreichs Arbeitnehmerinnen verdienen in der Stunde um rund ein Fünftel weniger als Männer – das ist EU-weit das dritthöchste Lohngefälle.

Verdienen Frauen und Männer in deinem Betrieb gleich viel? So findest du es heraus! 

So steht es im Gesetz

Das Gleichbehandlungsgesetz legt schon seit 1979 den zentralen Grundsatz des gleichen Entgelts für gleiche oder gleichwertige Arbeit fest. Das bedeutet: Es ist verboten, Unterschiede beim Entgelt nur aufgrund des Geschlechts zu machen. Die Praxis sieht jedoch anders aus. Weil auf die Fairness der Arbeitgeber nicht immer gezählt werden kann, braucht es klare rechtliche Spielregeln. 

Regelmäßig wird behauptet, Frauen hätten weniger Verhandlungsgeschick bei Lohnverhandlungen, deshalb würden sie auch weniger verdienen. Dazu hat der Oberste Gerichtshof aber klar entschieden: Wie viel jemand bezahlt bekommt, darf nicht vom Verhandlungsgeschick der Arbeitnehmer:innen abhängen. Es ist Aufgabe der Unternehmen, für gleichen Lohn bei gleicher Arbeit zu sorgen.

Darum gibt es in Österreich auch die Gleichbehandlungsanwaltschaft. Sie prüft kostenlos und unverbindlich, ob in deinem Unternehmen eine Diskriminierung vorliegt. Dann kann ein Verfahren bei der Gleichbehandlungskommission eingeleitet werden. Auf der Website der Gleichbehandlungsanwaltschaft werden jeden Monat beispielhaft Diskriminierungsfälle beschrieben - so wie dieser

Wie finde ich es raus, an wen kann ich mich wenden?

Eine Möglichkeit ist der Gehaltsrechner des Frauenministeriums. Der Rechner berechnet für Frauen und Männer durchschnittliche Richtwerte für Löhne und Gehälter, auf Berufsgruppe, Branche und auch auf die Unterbereiche bezogen (und das ohne gleich Aufsehen im Betrieb zu erregen).

Einkommensberichte für mehr Transparenz

Unternehmen mit mehr als 150 ArbeitnehmerInnen sind verpflichtet, alle zwei Jahre nach Geschlecht aufgeschlüsselte Einkommensberichte zu erstellen. Zum Einkommen zählen auch Boni, Zulagen und Überstundenentgelte. Für die Beurteilung der Unternehmensgröße zählen alle unselbstständig Beschäftigten einschließlich geringfügig Beschäftigter und Lehrlinge. Frage deinen Betriebsrat, er kann in die Einkommensberichte Einblick bekommen.  Auch wenn es in deinem Unternehmen keine Einkommensberichte gibt, sind Unternehmen verpflichtet vor der Gleichbehandlungsanwaltschaft (und auch vor Gericht) Einblick in die Gehälter der Mitarbeiter:innen zu geben. 

Gehe zu deinem Betriebsrat

Einsicht in den betrieblichen Einkommensbericht erhalten Arbeitnehmer:innen über den Betriebsrat. Sollte es keinen Betriebsrat im Unternehmen geben, muss der Bericht an einem für alle Arbeitnehmer:innen zugänglichen Ort aufbewahrt werden. Wenn das Unternehmen trotz gesetzlicher Verpflichtung keinen Bericht vorlegt, kann der Betriebsrat innerhalb von drei Jahren eine Klage bei Gericht einbringen.

Wende dich an deine Gewerkschaft

Erkundige dich nach branchenüblicher Bezahlung. Alle Infos bekommst du bei deiner Gewerkschaft und auf www.kollektivvertrag.at. Eine grobe Einschätzung gibt es auch unter www.gehaltsrechner.gv.at  

Was kannst du machen, wenn du diskriminiert wirst? 

Ist eine Diskriminierung passiert und sieht die Geschäftsführung in deinem Unternehmen oder Betrieb keine Notwendigkeit, das zu ändern, kannst du dich an deinen Betriebsrat wenden. Hast du in deinem Unternehmen keinen Betriebsrat, gibt es unterschiedliche Anlaufstellen und Hilfsangebote - das solltest du wissen!

Ungleiche Bezahlung ist nur mit einer „sachlichen Rechtfertigung“ zulässig. „Verhandlungsgeschick“ auf der einen Seite oder „zu wenig Nachfragen“ auf der anderen Seite sind keine sachlichen Rechtfertigungen. Das heißt: Du bist NICHT selbst daran schuld, wenn du weniger verdienst, nur weil du schlechter verhandelt hast als männliche Kollegen. Es ist die Aufgabe der Unternehmen für gleichen Lohn bei gleicher Arbeit zu sorgen. .

Du hast einen Verdacht? Du musst Diskriminierung NICHT beweisen!

WICHTIG: Du musst die Diskriminierung nicht beweisen können – vorerst reicht ein Verdacht. Bei der Prüfung hilft dir dann die Gleichbehandlungsanwaltschaft. Wichtig sind jedenfalls Notizen und Mitschriften.

Im Falle einer Diskriminierung bei der Entlohnung kannst du einen Antrag an die Gleichbehandlungskommission stellen und/oder beim Arbeits- und Sozialgericht klagen. Gewerkschaftsmitglieder können für Verfahren beim Arbeits- und Sozialgericht einen Antrag auf Rechtsschutz bei der Arbeiterkammer oder der zuständigen Gewerkschaft stellen - auch die ÖGB Frauen helfen dir - www.oegb.at/der-oegb/frauen